laut.de-Kritik
Die gute Nachricht: solides Talent statt Trashpop.
Review von Laura WeinertDie Castingmaschinerie ist doch der reine Wahnsinn. Da gewinnt 'Sergeant Pepper' am Dienstagabend das X-Factor-Finale, macht seinen Mentor Till Brönner glücklich und überzeugt Langnasen-Mutterglucke Sarah Connor. Nicht mal schlafen könne er, lesen rund 40.000 Follower auf Facebook. Tendenz rasant steigend. Und das, ehe das erste Video zur Single "I'm Here" abgedreht sein muss und natürlich das Debüt in den Läden steht. Nur drei Tage nachdem David Pfeffer die Metamorphose vom Polizisten zum Castingshow-Sieger vollzogen hat. Talent gefunden, aber wo bleibt eigentlich die Zeit für den Künstler?
Potenzial, ein solcher zu werden, ist bei Pfeffer nämlich durchaus vorhanden. Der Duisburger weist eine facettenreiche und eingängige Stimme vor. Sie hat diesen Robbie Williams-Charme, reicht von rau bis zart und ruft das Bild vom kernigen Typen ins Gehirn - genauso, wie Pfeffer in der Show dargestellt wurde. Kein Freund vieler Worte, Dreitagebart, Holzfällerhemd, aber bodenständig und authentisch. Dass die Stimme stark genug ist, um allein darauf bauen zu können, wissen auch die Songwriter um ihn herum und schneidern ihm deshalb nette Gitarrenpop-Nümmerchen auf den Leib. Von Trashpop keine Spur - eine gute Nachricht!
Klar, dass gerade die ausgewählte Single "I'm Here" vor Schmalz tropft. So ein Siegerlied muss natürlich die unfassbaren Erlebnisse der letzten Wochen und die hochgradig emotionalen Finalmomente einfangen. Das geht am besten mit Streichern, Bombast und Seufzerei - dafür ist seine Stimme aber nicht gemacht. In diesen und weiteren Momenten ("Fall On Me", "Changes") rutscht sie ins Boyband-Timbre ab, wo vorher angenehme Kratzigkeit herrschte.
Das von Pfeffer selbst verfasste "Losing My Time" schlägt in eine ähnliche Kerbe, während er seine Songwriter-Fähigkeiten in "Out Of Mind" weitaus überzeugender zur Schau stellt, das bei reiner Gitarrenmelodie bleibt und auf das gemütliche sommerliche Geklampfe ("Up To Us", "Riot In My Veins", "Wasted Light") verzichtet, das die Platte sonst dominiert. Natürlich ist die knappe Produktionszeit von zwei Monaten hörbar. Die Songs ähneln sich im Aufbau und Sound und zielen allesamt auf große Gefühle in lockerer Aufmachung ab.
So springt er auf den Zug der aktuell angesagten männlichen Singer/Songwriter auf, mit Fahrgästen wie Tim Bendzko oder Andreas Bourani. In dieser Gesellschaft ist er auch bestens aufgehoben. Klar wird auch um ihn eine stattliche PR-Geschichte gestrickt. Ebenso klar, das er auch bei Kaufhauseröffnungen spielen muss und klar klingt "I Mind" nach einem schnellen Songwriting-Prozess.
Aber im Gegensatz zu dünnen Stimmchen aktueller Konkurrenz wie den umherlaufenden Lombardis hat Pfeffer tatsächlich ein Talent vorzuweisen, das es im Laufe der Zeit zu schleifen gilt. Die Herzen der Castingshow-Zielgruppe dürfte er mit seinem Pfeffer-Style schon jetzt dank eines clever arrangierten und soliden Debüts im Sturm erobern.
8 Kommentare
3 Tage?
...
3 Tage Halbwertzeit !!!
Ich hab einfach ein Problem mit diesen Vorschusslorbeeren, für mich muss er erstmal beweisen, dass er was kann und den nötigen Biss hat längere Zeit im Musikgeschäft zu überleben und dieses Album auch überzeugend auf einer Bühne präsentieren kann. Bisher fand ich seine Bühnenpräsenz ehr langweilig und eindimensional.
ne ne, wie im Finale gesagt wurde, waren die Alben von allen 3 Finalisten schon fertig. Deshalb bringen am Freitag auch Mica und Joe ihr Album raus.
Das Album plätschert so vor sich hin, ohne das irgendwas hängenbleibt, aber die stimme ist schon ziemlich angenehm. Der letzte Song ist mit Abstand der beste.
Das Album "I Mind" liefert genau das, was zu erwarten war, nämlich belanglosen Rock/Pop ohne Tiefe.
Man muss allerdings sagen, dass Pfeffer mit dem Album seiner eigenen Band Inpaticula (es heisst "In the cold light of day"), das kurz vor dem Castingrummel fertiggestellt wurde, eindrucksvoll bewiesen hat, dass er es drauf hat. Diese Songs, bei denen Pfeffer maßgeblich am Songwriting beteiligt war, haben nämlich genau das, was "I Mind" nicht hat: sie sind eingängig, aber nicht platt. Und zudem liebevoll produziert.
Nur schade, dass dieses Album offiziell nicht zu erwerben ist und nur über die Band selber vertrieben wird (Knebelverträge??).
Clever arrangiert und solide = 2/5?