laut.de-Kritik
Extrem entrückende Signale aus Bradford Cox' Orbit.
Review von Oliver MahrDie Band: psychisch angeschlagen, physisch bemüht. Der Frontmann: unberechenbar chaotisch, überschäumend kreativ. Das Resultat: mal wieder Indie mit großem "I" - aber überraschend hörbar. Ein kleiner Schritt für Arcade Fire, ein großer für Bradford Cox! Auch wenn er den Geruch nach Erdbeer-Joghurt-Tee in diesem Leben wohl nicht mehr loswerden dürfte.
Dabei hatte man schon auf dem Vorgänger "Microcastle" aus dem Jahr 2008 die jahrelangen Experimente mit Drone- und Lo-Fi-Versatzstücken partiell in einen überraschend kristallinen Jangle-Pop münden lassen und einen Sound kreiert, der einem gelegentlich die Tränen in die Augen trieb. Dummerweise nicht immer aus Euphorie über unerwartete Hits wie "Agoraphobia", sondern leider auch vor Frustration. Über die Tatsache nämlich, dass Deerhunter das Mäandern einfach nicht lassen konnten, es stattdessen aber für eine brillante Idee hielten, in der Mitte des Albums einige fragmentarisch, collagenhafte Stücke der Marke "Kunsthochschule" einzustreuen, die den sehr guten Gesamteindruck leider schmälerten.
2009 sah es besser aus: Mit seinem Solo-Projekt Atlas Sound legte Cox sein bislang bestes Werk vor, eine faszinierend kaleidoskopartige Platte namens "Logos", deren Stringenz sich 2010 endlich auch auf seine Mutter-Band übertragen hat. Neuerdings klingen Deerhunter nämlich, als ob Slowdive mit The Strokes jammen und sich dabei von Brian Eno produzieren lassen. Du sagst, das ginge nicht? Aber selbstverständlich! Nicht nur das: Es klappt sogar hervorragend!
Nach einem traumhaften Start wird ab dem vierten Stück zur Abwechslung wieder mäandert, allerdings nur ein bisschen und noch dazu so hypnotisch, dass es überhaupt nicht weh tut. Die scharfen Spitzen von "Microcastle" wichen einem flüssigeren Sound, aus dem zwar kein Song hervorsticht, der den Rezipienten aber gleich viel besser transportiert. Zumindest bis die Musik im letzten Track "He Would Have Laughed" ganz unvermittelt abreißt und ihn für endlose Sekunden in der Luft hängen lässt.
Deerhunter oder Atlas Sound auf einen bestimmten Stil festzunageln, wird mit jeder neuen Veröffentlichung schwieriger. Wie die 80er-Jahre-Ikone Felt ist man hyper-produktiv, klingt jedes Mal ein bisschen anders, bleibt stets ein wenig obskur und als Konsequenz einen Tick hinter seinen Möglichkeiten zurück. Was wahlweise für eine sehr idealistisch-naive Herangehensweise an Musik oder eben einen Mangel an Selbstvertrauen oder Eigenständigkeit spricht.
Für letzteren Vorwurf sind "Logos" und "Halcyon Days" (Ich subsumiere das alles jetzt einfach unter "Bradford Cox") allerdings viel zu schön und besonders geraten. Dieser junge Mann ist einfach nicht angetreten um anderen die Welt zu erklären, geschweige denn sie zu verändern. Dazu kreist er viel zu sehr um sich selbst. Solange er aus diesem Orbit jedoch weiterhin so extrem entrückende Signale sendet, kann seine Umwelt nur gewinnen. Sich immer unter Wert zu verkaufen, ist schließlich langweilig!
5 Kommentare
Schwachsinn, diese Kritik!
Na ja, das Album ist toll, aber die Review ist wirklich nicht gerade das gelbe vom Ei.
Also im Gegensatz zum Vorgänger gibt es mehr schnelle und ''rockigere'' Songs und weniger Soundwabern, dafür fehlen die ganz großen Hits, aber insgesamt ist es doch das wohl bessere Album.
die kritik glaenzt in bullshit thesen aufstellen, die mit der musik nicht annaehernd etwas zu tun haben.
irgendwie konnte ich mit deerhunter nie viel anfangen, aber ehrlich gesagt habe ich mich auch nie richtig mit ihnen beschäftigt. aber halcyon digest (beim zappalö der albumtitel) ist wunderschön. ich werde cryptogramms und microcastles jetzt definitiv austesten.
sehr genial.