laut.de-Kritik

Nirgendwo sonst steht die Hymne so dicht am Wahnsinn.

Review von

Deerhunter sind seit jeher dafür bekannt, mit jedem Album ein emotionales Statement abzugeben. "Monomania" kommt einmal mehr einem Besuch auf dem Rummel oder einer großen Spielwiese gleich. An manchen Stellen ist der Untergrund gar blumig grün, an anderen Stellen wächst kein Leben, vereinnahmt Schlamm die freien Flächen. Schlamm, der an den Füßen Karussell fahrender Kinder klebt, gerade noch fest im schleudernden Sitz, im nächsten Moment schon mitten in der Geisterbahn. Ein anrüchiger Teint, in den die Platte ihre knapp 45 Minuten Spielzeit hüllt.

Angefangen schon beim Opener "Neon Junkyard", der mit einem obskuren elektrischen Gewieher ins Effekte-Kabinett hinabsteigt. Ein wellenartiger Wechsel zwischen manisch keifenden Gitarren und dem verhallenden Gesang Bradford Cox' treibt "Leather Jacket II" an. Wundersam in Watte gehüllt hingegen "The Missing". Dezent glitzernde Keys hüllen den Track in ein straightes Indie-Shoegaze-Gewand: Das zweite Gesicht der Band.

Vielleicht stiftet diese Bipolarität die ganz eigene Monomanie von Deerhunter. Die Musiker finden Gefallen daran, sich zu verkleiden, zu verhüllen, mit Klang-Anleihen zu spielen. Monomanie bezeichnet schließlich eine psychologische Teilerkrankung, die fast willkürlich diagnostiziert werden kann und mit der die Schulpsychatrie heute nichts mehr anzufangen weiß. Neonrot leuchtend und in Laufschrift prangt der Begriff hingegen auf dem Cover der Platte. So, als wolle die Band sich über die Naturwissenschaft erheben, gar einen Standpunkt revidieren.

Am eigenen Sound gibt es jedoch nicht viel richtigzustellen. Zu eingängig die Melodie von Stücken wie "Dream Captain", das an "Mona Lisa" von Cox' Solo-Projekt Atlas Sound erinnert. Wie so viele Songs des Genius berührt der Track erst, taucht dann in die Transzendenz ab – aber nur, um auszuholen und noch viel kräftiger zurückzuschlagen. "I'm a blue light / I'm a crippled coward / Shinin' out in the night": Auch der folgende Schwestertrack "Blue Agent" kommt mit märchenhafter Leadgitarre daher.
Ja, an verstörender Vielschichtigkeit mangelt es dem Langspieler keinesfalls.

Selbst das in Krautrock-getränkte "Sleepwalking", dessen Instrumental ebenso gut auf den letzten DIIV-Langspieler gepasst hätte, gruselt durch seine fröhliche Verzweiflung. Das titelgebende Stück "Monomania" ähnelt dann in seiner Grundanlage Kurt Vile, dem drohenden Bass folgen melodiöse Klangbäder. Der Track mündet im Gewitter – und doch wirkt das alles angesichts des scheppernden Sounds eines Zweitaktmotors am Ende absurd.

So ist es schließlich nicht weit hergeholt, das Album mit einer Geisterbahnfahrt zu vergleichen. Denkt man stets, genau zu wissen, worauf Cox bei seinen Songs als nächstes abzielt, taucht der 30-Jährige schließlich trotzdem an einem Punkt auf, an dem man ihn niemals vermutet hätte. Nur dadurch kommt schließlich das schöne Gefühl zustande, dass nirgendwo die Hymne so nah am Wahnsinn gebaut steht wie bei Deerhunter.

Trackliste

  1. 1. Neon Junkyard
  2. 2. Leather Jacket II
  3. 3. The Missing
  4. 4. Pensacola
  5. 5. Dream Captain
  6. 6. Blue Agent
  7. 7. T.H.M.
  8. 8. Sleepwalking
  9. 9. Back To The Middle
  10. 10. Monomania
  11. 11. Nitebike
  12. 12. Punk (La Vie Antérieure)

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