laut.de-Kritik

Verstaubter Synthie-Pop mit leiernden Gesangseinlagen.

Review von

Deichkind waren schon immer anders als andere Kinder. Dass sie in der deutschen Hip Hop-Szene nie wirklich einen Fuß auf den Boden bekamen, ist nach "Bitte Ziehen Sie Durch" und "Noch 5 Minuten Mutti" in meinen Augen keineswegs gerechtfertigt. Mir haben sie reichlich Vergnügen bereitet. Mit "Aufstand Im Schlaraffenland" schlagen sie allerdings auch meine Sympathien in Stücke.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist durchaus erlaubt, sich vom Hip Hop abzuwenden und sein Heil künftig in elektronischer Tanzmusik zu suchen. Sich allerdings ausschließlich in langweiligen 80er-Reminiszenzen zu suhlen, keinerlei Innovation zu präsentieren und unter dem Deckmantel der Ironie dröge Konsumgesellschaftskritik abzusondern, wie man sie frischer - und das will einiges heißen - von Reinhard Mey hört, das geht ja mal gar nicht.

Für Blumenduft und verliebtes Vogelgezwitscher geht es im "Silberweidenpark" nicht witzig genug zu, da kann man noch so auf übertriebene Akustikgitarreninszenierung setzen. Viel zu schnell in eine andere Welt fahrende Karusselle stehen schon Hamburger-Schule-Nasen schlecht zu Gesicht, und wenn ich Falco oder Ideal hören möchte, greife ich zu den Originalen und nicht zu "Ich Betäube Mich", vielen Dank.

Der Teufel, der in "Voodoo" zum Tanz bittet, soll sich wohl lockend anhören, gibt aber doch eher einen weinerlichen Kastraten als einen verführerischen Höllenfürsten ab. Mit derart drögen, leiernden Gesangseinlagen entfesselt man allenfalls einen Sturm im Wasserglas, keineswegs jedoch Krawall, Remmidemmi, Aufstand oder gar "Krieg". In denselben ziehen Deichkind nämlich, und ihre "Waffe ist Musik".

Waffe? Das?? Mit Blick auf die verstaubten Synthie-Pop-Arrangements kann ich mich des Bildes der mit Dreschflegeln und Mistgabeln bewaffneten Bauernhorde, die gegen Maschinengewehrfeuer anrennt, kaum erwehren. Da können noch so martialische Trommelwirbel und Fanfaren das Album einleiten: Wenn hinterher nichts als erzkonservative stampfende Elektrobeats nachgeschoben werden, kommen statt Nostalgie eher brechreizbehaftete Jugendhauserinnerungen hoch. Auch wenn sie sich (wie in "Show 'n Shine") mal ein wenig luftiger präsentieren, lockt man damit heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.

Den einzigen Spaßmoment bietet Das Bo, der in "Prost" auf einen Absacker vorbei schaut. Abgesehen davon schließe ich mich an: "Ich bin so enttäuscht / Jungs, was ist los mit euch?"

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Voodoo
  3. 3. Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)
  4. 4. Aufstand Im Schlaraffenland
  5. 5. Show 'n Shine
  6. 6. Ich Betäube Mich
  7. 7. Silberweiden-park
  8. 8. Papillion
  9. 9. E.S.D.B.
  10. 10. Jüjük
  11. 11. Prost
  12. 12. Krieg
  13. 13. Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)

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