laut.de-Kritik

Das Album im Auftrag der Wichtel: hier isses.

Review von

Weihnachtsalben stehen in einem wahrhaft bescheidenen Ruf. Mit beiden Augen gen Festtagsgeschäft schielend, ramschen ihre Urheber meist hurtig irgendwelches Best-Of-Material zusammen, um das sie per Glöckchensound eine weihnachtlich anmutende Verpackung gehudelt haben. Wenn sie nicht gleich auf traditionelles (will meinen: hundertfach wiedergekäutes) Weihnachtsliedgut zurückgreifen. Beide Optionen wirken ... nennen wir es mal: "wenig verlockend".

Kein Wunder also, dass sich Deine Freunde beim Gedanken, selbst in dieses Kommerzspiel einzusteigen, erheblich sträuben, stehen sie doch im (ganz und gar nicht bescheidenen) Ruf, nicht nur die beste Kinderband der Welt zu sein, sondern auch eine durch und durch kredible Rap-Crew. Sell-Out möchte man sich da doppelt ungern vorwerfen lassen.

Praktisch, wenn drei nervtötende Egos im Miniaturformat auftauchen, denen man die Schuld zusammen mit den ruchlosen Absichten in die Ringelstrümpfe schieben kann: Deine Freunde können nix dafür. Der perfide Plan, die äußerst jugendliche Zielgruppe samt daran hängender Eltern auszunehmen, entsprang den Hirnen dreier aufdringlicher Weihnachtselfen, und seine Umsetzung verdanken wir ihrem ausdauerndem Gequengel. So weit die vergnügliche Entstehungsgeschichte, nachzuverfolgen in dieser zehnteiligen Serie:

"Das Album im Auftrag der Wichtel: hier isses", heißt es dann nach angemessen opulentem "Präludium", das mit Glöckchenklingeling, Wind, Kinderlachen und Chören wirklich alle Klischeeregister zieht. Jesusmaria, das wird was geben. Oh, ja: ein ganz wunder- und liebevoll geschnürtes Paket neuer, schlauer, witziger, vollkommen unpeinlicher Tracks zum Abfeiern, bei denen das Alter der Konsument*innen wirklich und wahrhaftig keine Rolle spielt.

"Wann Wird's Mal Wieder Richtig Winter" erinnert nur vom Titel her an den Evergreen, in dem Rudi Carell einst das Ausbleiben einer anderen Jahreszeit betrauerte. Deine Freunde verpacken das ernste Thema Klimawandel in einen vergnüglichen Popsong mit astrein gerappten Strophen.

Der Nachschlag "Ein Ganz Normaler Sommertag" spinnt den brisanten Faden weiter, auch hier ohne jedes Zeigefinger-Gefuchtele, dafür mit herrlich cheesy Gesang und Call-and-Response in bester Oldschool-Hip Hop-Tradition, dass man sich fühlt, als sei man irgendwie in eine Neuauflage von "Welcome To Miami" gestolpert.

Schon hier zeigt sich: Deine Freunde machen auch diesmal wieder, was sie schon immer getan haben: Sie nehmen ihre Zielgruppe für voll. Statt sie mit dümmlichen Texten und achtlos hingerotzten Produktionen abzuspeisen, stimmt erneut einfach alles: Clevere, unterhaltsame Lyrics treffen - ob in Rap oder Gesang - makellose Delivery und fettest ausproduzierte Beats. Keine Sorge: Auch wenn es zunächst so aussieht, fehlt der leicht debile Kasperletechno-Track zum Mitstampfen auch diesmal nicht. Man muss ihn halt bloß finden.

Statt ausgeleierte Weihnachtslieder zu Tode zu reiten, orientieren sich Deine Freunde lediglich inhaltlich am Fest der Liebe. Sie erzählen vom "XXL Wunschzettel", beäugen "Die Krassesten Schlitten" und rennende Rentiere (die garantiert das eine oder andere Mal Marterias "Endboss" gehört haben). Der "Weihnachtsvertretermann" bietet das für diesen Anlass unerlässliche Dekorationsmaterial feil, die Blockflöte nimmt gar grauenvolle Rache, und fast spielerisch beiläufig geht es auch um Druck und übersteigerte Erwartungen, die das Weihnachtsfest in vielen Familien zu einem durchaus anstrengenden emotionalen Balance-Akt machen.

"Dieses Jahr Schenken Wir Uns Mal Nix" thematisiert - im groovy Walzertakt mit leichter Reggae-Schlagseite - den titelgebenden Vorsatz und die Schwierigkeit seiner Durchführung. Über die hässlichen Blüten, die der Konsumwahn treibt, darf man ruhig kurz nachdenken, auch wenn man das Schenken als lieb gewonnene Tradition schätzt. Genau so, wie dem Wegwerfprodukt Christbaum, wie in "Oh Oh Tannenbaum", ein sentimentales Tränchen hinterhegeweint gehört: Es ist ja tatsächlich traurig, ein ehemals stolzes Gewächs nach Gebrauch achtlos am Straßenrand zu entsorgen.

Während die Weichnachtsmotive an diesen Stellen unübersehbar im Raum stehen, liefern sie anderswo lediglich den Aufhänger. "Siehst Du Die Sterne" passte mit seinem wuchtigen, dunklen Anstrich bestens auch in eine sternenklare, warme Sommernacht, und im Gedenken an den einst heiß ersehnten "C64" und die Freuden, die er bot - "Bubble Bobble"! "Giana Sisters"!! - kann man getrost das ganze Jahr über in Nostalgie zerfließen.

Ebenso passt die frohe Botschaft des Albums nicht nur in die Adventszeit. Sie lautet: Achtet aufeinander. Hört einander zu. Genießt die gemeinsame Zeit, sie ist das größte Geschenk von allen. "Freut Euch, Dass Ihr Da Seid". Es geht darum, zu "erkennen, was wir schon haben, nicht nur suchen, was noch fehlt". Klingt kitschig? Vielleicht. Deswegen steckt aber nicht weniger Wahrheit drin.

Trackliste

  1. 1. Präludium
  2. 2. Das Lied Der Wichtel
  3. 3. Wann Wird's Mal Wieder Richtig Winter
  4. 4. Ein Ganz Normaler Sommertag
  5. 5. Die Rache Der Blockflöte
  6. 6. Die Krassesten Schlitten
  7. 7. Alle Jahre Wieder
  8. 8. XXL Wunschzettel
  9. 9. C64
  10. 10. Renntiererennen
  11. 11. Oh Oh Tannenbaum
  12. 12. Weihnachtsvertretermann
  13. 13. Siehst Du Die Sterne?
  14. 14. Dieses Jahr Schenken Wir Uns Mal Nix
  15. 15. Freut Euch, Dass Ihr Da Seid

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