laut.de-Kritik

Ein 3-LP-Set wider die Geriatrie.

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In Zeiten, in denen der Vinylabsatz stetig steigt und Neuerscheinungen vorwiegend gestreamt werden, ist es nachvollziehbar, dass Labels den Back Catalogue ihrer Zugpferde nicht aus den Augen lassen. Sony Music durfte bisher 'nur' die letzten beiden Depeche Mode-Studioalben "Spirit" (2017) und "Delta Machine" (2013) veröffentlichen, vom Hits-Kuchen der Vergangenheit zu naschen war ihnen bislang nicht vergönnt.

Dies ist für ein profitorientiertes Unternehmen kein erstrebenswerter Zustand, lassen sich doch die Gründe, weshalb die Briten auch dieses Jahr wieder sowohl Stadien als auch Mehrzweckarenen ausverkaufen, allein an dieser Tracklist ablesen. "The Best Of Depeche Mode Vol. 1" ist in dieser Form schon 2006 bei Mute/EMI erschienen und auf Vinyl längst nicht mehr im Handel erhältlich. Da haben sie bei Sony gut mitgedacht und die remasterte Best-Of-Sammlung der Jahre 1981 bis 2006 noch einmal ins Presswerk geschickt. Weniger schlau dagegen die Idee, 18 Songs auf drei LPs (180g) zu verteilen, so dass der geneigte Fan alle zwölf Minuten vom Sofa aufstehen muss. Andererseits lässt sich schleichende Geriatrie wohl kaum besser bekämpfen.

Trotzdem wäre in dieser Hinsicht eine ressourcenfreundlichere Auslastung begrüßenswert gewesen, die beispielsweise die Songs "Behind The Wheel", "Policy Of Truth", "Blasphemous Rumours", "Barrel Of A Gun" oder "Stripped" (kein Song von "Black Celebration"!) noch integriert. Fans, die die Studioplatten der Band, die erste Best Of-Edition oder gar "The Singles 81-98" schon im Regal stehen haben, hätten ohnehin lieber zu einer komplett neu gestalteten Compilation gegriffen.

Dass Depeche Mode nie mit einer schicken Sammler-Box ähnlich zu Bowie oder Cash geehrt werden, liegt auch daran, dass die Demoversionen ihrer Songs in den seltensten Fällen aufregend ausfallen, wie man seit der ein oder anderen Deluxe-CD-Version weiß. So richtet sich die Scheibe an all die Nachgewachsenen, die dieses Jahr zum ersten Mal ein DM-Konzert besucht haben, und dieses Erlebnis zuhause anhand der Hits nachempfinden wollen.

Mit dem Stadionrock-Türöffner "Never Let Me Down Again" (1987), der T.Rex-Hommage "Personal Jesus" (1989), dem bittersüßen Synth-Pop-Edelstein "Enjoy The Silence" (1990), dem Industrial-Chartspop von "People Are People" (1984) oder den frühen Vince Clarke-Hits "New Life" und "Just Can't Get Enough" (1981) lässt sich hier UK-Electro-Pop-Geschichte hautnah erleben. Dass auf eine chronologische Tracklist verzichtet wurde, stört wahrscheinlich niemanden aus der Spotify-Playlist-Generation. Wie 2006 begleitet ein sechsseitiges Booklet mit vier Großfotografien und einer Band-History von Paul Morley die Vinylscheiben.

Zwischen Nirvana, Kraftwerk und den Beatles wird sich für "The Best Of Depeche Mode Vol. 1" garantiert ein vorderes Plätzchen in den kommenden Vinylcharts finden.

Trackliste

  1. 1. Personal Jesus
  2. 2. Just Can't Get Enough
  3. 3. Everything Counts
  4. 4. Enjoy The Silence
  5. 5. Shake The Disease
  6. 6. See You
  7. 7. It's No Good
  8. 8. Strangelove
  9. 9. Suffer Well
  10. 10. Dream On
  11. 11. People Are People
  12. 12. Martyr
  13. 13. Walking In My Shoes
  14. 14. I Feel You
  15. 15. Precious
  16. 16. Master And Servant
  17. 17. New Life
  18. 18. Never Let Me Down Again

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