laut.de-Kritik
Händchenhalten - mit kantigen Raps.
Review von Kai ButterweckWenn sich ein Künstler fünf Jahre für ein neues Album Zeit lässt, dann hat er natürlich viel zu erzählen. Und Dido ließ sich nun schon zum zweiten Mal so lange für eine Platte Zeit. Ging es auf dem Vorgänger "Safe Trip Home" vorwiegend um die Verarbeitung des Verlustes ihres Vaters, scheint auf "Girl Who Got Away" hingegen ungewohnt oft die Sonne.
Das liegt vor allem am neuen Lebensglück, das seit der Heirat mit Regisseur Rohan Gavin und der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahr 2011 ihren privaten Alltag bestimmt. Von "großer Leichtigkeit" und "keinerlei Druck" war im Vorfeld die Rede. Und für wahr: Das neue Album der Britin wartet mit weitaus mehr 'Dur' auf, als das noch zu Zeiten von "Safe Trip Home" oder "Life For Rent" der Fall war.
Doch der Verbund von derlei Lichtmomenten mit knarzigen Dance- und Hip Hop-Beats ("Blackbird", "End Of The Night") sorgt eher für zwiespältige Ergebnisse. Und so wird man den Eindruck nicht los, dass sich in den vergangenen Jahren wohl doch etwas an Druck angesammelt hat - Druck etwa von einer Heerschar an Kolleginnen, die mit reichlich Tamtam und spektakulären Kollaborationen ins Rampenlicht drängten und im Hause Dido offenbar bleibenden Eindruck hinterließen.
Doch kantige Raps von Kendrick Lamar ("Let Us Move On") und spacige Strobo-Effekte ("Go Dreaming") tun sich eher schwer beim Händchenhalten mit Didos immer noch glasklarem Elfen-Organ. Man will eigentlich kräftig Beifall klatschen, wenn Musiker sich Neuem öffnen bzw. versuchen, Altbewährtes mit Modernem in Einklang zu bringen.
Klappt das aber nicht so recht, schrillen die Alarmglocken und Omas Leitspruch-Button 'Schuster, bleib bei deinem Leisten' blinkt auf. So repräsentieren Songs wie "Sitting On The Roof Of The World", oder "Day Before We Went To War" all jenes, was in den vergangenen fast fünfzehn Jahren bei Dido-Fans für Gänsehautmomente sorgte.
Doch diese entspannenden Flashbacks, die Harmonieläufe, mit denen die Sängerin jongliert und die so entstehenden atmosphärischen Stimmungen spielen auf "Girl Who Got Away" leider nur eine Statistenrolle. Stattdessen hält die hektische Gegenwart Einzug.
Die samtweiche Vergangenheit wird weitestgehend beiseite geschoben. Statt Streicher und verträumter Synthie-Sphären umgarnen quirlige Beats und allerlei elektronische Spielereien die zarte Stimme der Engländerin. Zu aufgesetzt und kalkuliert wirkt das.
Zwar werden nicht alle bisherigen Sound-Attribute gänzlich über den Haufen geworfen, aber für die Zukunft dürfte Dido um Reparaturarbeiten an der Basis trotzdem nicht herum kommen.
15 Kommentare
Ihr Sohn heißt Stan - kein Spaß! Dido ist ne süße mit ner süßen kleinen Stimme - mehr darf man nicht erwarten.
Doch. Man darf erwarten, dass sich Kendrik Lamar nicht für sowas hergibt.
wieso lässt Gott zu, dass Dido uns nach 5 Jahren wieder ... beglückt, aber Tool nach 7 Jahren immer noch faul in der sonne liegen
@Morpho (« @CafPow (« n ziemlicher Vollidiot, dem ist nichts hinzuzufügen.
meine verpassten Fails bis jetzt:
Apocalyptica
Mastodon halb
aber du bist der Chef der Volldeppen ^^ »):
Haha, dachte das hätte ich gelöscht, bevor es jemand gesehen hat. Hab nämlich gerallt, dass ich gar nicht 2007 sondern 04/05 da war, wo ich unter anderem Opeth und Nick Cave verpasst hab.
Liegt am heftigen Haze. »):
alter. So langsam wirst du mir unheimlich. Opeth... alter.
@CafPow (« wieso lässt Gott zu, dass Dido uns nach 5 Jahren wieder ... beglückt, aber Tool nach 7 Jahren immer noch faul in der sonne liegen »):
Dieses Jahr brauchte der Weinberg sehr guten Ertrag.
ich muss hier echt mal ne lanze brechen für dido. ihre texte gehen echt nah, wenn man mal hinhört, sind anschaulich und metaphorisch u behandeln möglichkeiten und grenzen, anscheinend (!) aus ihrer persönlichen erfahrung, mit gewinnen und abhängigkeiten, verlusten und verlustängsten, fatalismus und optimismus, ängsten und hoffnungen umzugehen.. das album verdient echt ne bessere kritik. ich finde es ganz erstaunlich.. dido zeigt doch, dass sich nachdenkliche, manchmal wirklich traurige musik in kombination mit eine sanften stimme wie der ihrigen ganz ohne persönliche allüren (aber leider manchmal mit vocoder) mit "modernen beats" verdammt gut kombinieren lässt! ich habe das gefühl, dass sie durch diese kombination aus melancholie in text und stimme auf der einen seite und treibender dynamik oder stampfendem beat auf der anderen seite hoffnung spenden möcht nach dem motto: der verstand sagt einem, alles scheint scheiße, aber im inneren pulsiert es, da ist leben und da ist hoffnung! scheiß aufs grübeln, finde und verfolge deinen inneren rhythmus. "girl who got away" find ich mittlerweile ganz großartig!