laut.de-Kritik

Eine deutsche Supergroup mit einem Supersong.

Review von

It's all about the Benjamins. Diese Weisheit hat US-Rapper Puff Daddy, als er noch Puff Daddy hieß, lautstark in die weite Welt getragen. Ähnlich extravagant wie seine damalige Gästeliste liest sich die Zusammensetzung der neuen deutschen Supergroup Die Benjamins. Während 1997 die Rapszene von Notorious B.I.G. über Lil' Kim bis The Lox begeistert zusammenkam, versammeln sich hier ambitionierte Deutschrocker wie Drangsal, Julian Knoth von Die Nerven, der Beatsteaks-Drummer Thomas Götz und Charlotte Brandi um Annette Benjamin, die ehemalige Sängerin der Hannoveraner Punkband Hans-A-Plast.

"Max ist schuld an allem", scherzt Benjamin zur Veröffentlichung der selbstbetitelten EP und meint damit den Postpunk-Musiker Max Gruber alias Drangsal. Gruber war es, der bei Tocotronics Jan Müller nach Benjamins Telefonnummer gefragt hatte, um die Sängerin, die seit Jahren klassische Musik macht, euphorisch an ihre Punkphase zwischen 1979 und 1984 zu erinnern. Beim Schwärmen blieb es nicht. Gruber stellte schon bald eine Gruppe prominenter Hans-A-Plast-Fans zusammen, die sich nun anschicken, den Spirit der Deutschpunk-Blütezeit ins Hier und Jetzt zu holen.

Zweieinhalb Jahre nach den ersten Bandproben präsentiert das Quintett fünf Tracks, die jedoch weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit richtig Fuß fassen. Produziert vom Die Nerven-Sänger Max Rieger und innerhalb von drei Tagen in Thomas Götz' Studio aufgenommen, gelingt es dem Minialbum weder an die explosive Energie und Kratzbürstigkeit der Punk-Pioniere Hans-A-Plast anzuknüpfen, noch eine überzeugende eigene Identität auszubilden.

Stattdessen schwankt die EP musikalisch zwischen Punkrock, Pop, Chanson und Neue Deutsche Welle. Thematisch mühen sich die subversiven, feministischen Impulse, die bei Benjamin früher frisch daherkamen, durch literarisch strengere Register ins anstrengend Monotone. In der kurzen Viertelstunde, die die EP dauert, ergibt sich kein packendes Statement und auch kein Versprechen für ein umfangreicheres Spektrum. Vom gepriesenen, generationsübergreifenden Bonus ist wenig zu hören. Geschweige denn von einer Supergroup-Symbiose.

Super klingt allein der Opener. Ausgehend von einem A Cappella-Intro mit der Art-Pop-Musikerin Charlotte Brandi tobt die 1960 geborene Benjamin durch den zweiminütigen Punk-Kracher "Aus Liebe". Wild kreisend um ein euphorisches Synth-Riff zertrümmert der Track mit gekreischtem Refrain die Sentimentalität von Liebesschwüren und enthüllt dahinter eine Ebene unheimlicher Eigensucht ("Du gehörst mir / Sei dankbar dafür / Du bist auserwählt / Nur meine Liebe zählt"). Anders als bei den folgenden Songs erscheint hier das Konterkarieren von Machtverhältnissen nicht isoliert, sondern als musikalisch packende Bandleistung.

Doch die EP büßt an Wucht ein und überstrapaziert seine lyrischen Motive. "Drehen Und Wenden" flirtet mit einem melodisch eingängigen Refrain, stolpert aber über die vereinfachte Imitation der soeben noch deutlich besser inszenierten Machtfantasie ("Wie du es drehst / Wie du es wendest / Du bleibst bei mir / Du bleibst bei mir"). Benjamins sirenenhafte Grenzgänge zwischen Verheißung und Bedrohung kippen spätestens beim Pop-Schlager "Gleissendes Glück" in den Comic-Bereich ("Nichts wirst du vermissen / Ich werde dich erhören / Vergebe gleißendes Glück / Lass dich verführen"). Klingt das noch nach Nina Hagen oder schon nach Gundel Gaukeley?

Aus dem hypnotisch selbstgefälligen Nebel holt "Kommen Und Gehen" die Platte wieder auf den Boden. Knackige Licks und rotzige Punk-Slogans wie "Es nervt, dass wir uns nicht wiedersehen" und "Ich hänge fest" treiben die Band um Annette Benjamin stärker in eine entschlackte, energisch geladene Richtung. Zwar kehrt die Ballade "Verschwinden" tatsächlich wieder zum völlig ausgereizten Modus der Beziehungskontrolle zurück, doch kommt wenigstens eine kunstreflexive Ebene hinzu. Alles kann die Sängerin eliminieren: Briefe, Märchen und letztlich auch das Lied selbst: "Ich kann dich verschwinden lassen / Wie einen Song / der niemals mehr / niemals mehr erklingt". Weder diese Zeilen noch die EP-Songs schalten große Werbung für ein ganzes Album.

Trackliste

  1. 1. Aus Liebe
  2. 2. Drehen Und wenden
  3. 3. Gleißendes Glück
  4. 4. Kommen Und gehen
  5. 5. Verschwinden

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