laut.de-Kritik

Das musikalische Pendant einer Adam Sandler-Komödie.

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Für besonders besorgte Eltern, die fast schon in einem ungesunden Maße um die musikalischen Vorlieben ihrer Kinder fürchten, gibt es seit Jahren ein Projekt namens Kidz Bop: Kinder, die aktuelle Top 40-Hits covern und dabei jede, aber auch wirklich jede, anstößigen Textzeile entfernen. Kostprobe gefällig? Im Katy Perry-Cover "Hot N Cold" wird aus "Yeah you PMS like a bitch, I would know", "Yeah you change your mind, I would know" und aus "We fight me make up", "We hug, we make up".

Die Lochis scheinen in einer ähnlich endlosen Pubertätsschlaufe festzustecken. Angefangen haben die beiden, wie so viele, auf YouTube mit der Parodie erfolgreicher Songs. Als die Brüder Heiko und Roman älter wurden, realisierten sie, dass ihr massives Publikum auch ein Sprungbrett für eine seriöse Musikkarriere sein könnte. 'Seriös' bleibt angesichts der drei bisher veröffentlichten Alben eher relativ. Denn auch beim vierten Anlauf merkt den Zwillingen an, dass sie sich nicht so recht entscheiden können, für welche Altersklasse sie eigentlich Musik machen wollen.

Irgendwo zwischen Wolfgang Petry, Mark Forster und den Fanta Vier lässt sich der Sound wohl einordnen. Ein wildes Konglomerat aus schlecht gealtertem Hip Hop, Trap und Pop ausgestattet mit Texten, die sich irgendwo zwischen vorpubertärer Deepness und edgy Schlager bewegen, dabei aber immer noch hip genug sind, um ihr Publikum nicht zu vergraulen.

Ein Beispiel: Kern des Songs "Blauer Haken" ist die pfützentiefe Erkenntnis, dass "ein blauer Haken mehr als Worte zählt". Sicher nicht verkehrt, aber viel zu uninspiriert vorgetragen. Beat und Hook hat man dazu schon hundert Mal besser gemacht gehört, und Eko Fresh beweist einmal mehr, dass wohl jeder, der mit einem lila Schein winkt, ein Feature von ihm bekommt: "Ich brauche nicht warten. Der Traum ist vergraben, vor dem Haus mit dem Garten". Come on.

Neben anderen Binsenweisheiten ("Wie viel Zeit muss vergehen um die Zeit zu verstehen" - aus "Willkommen Realität") findet sich auf der Platte nichts, was man so nicht erwartet hätte. Die Tracklist klingt wie das kleine Einmaleins der modernen Pop-Musik: Trap-Banger ("Nicht Von Dieser Welt", "Killa"), Love-Songs ("Fulltimejob" , "Venus Vs. Mars") und selbstreflektierte Slowburner ("Kapitel X") finden ihren Platz.

Skuril dabei bleibt, wie die beiden versuchen, zwei Zielgruppen gleichzeitig anzusprechen - am besten veranschaulicht im Cro-Verschnitt "Game Over". Dort versuchen die Lochis eine Hausparty lyrisch so zu verpacken, das gleichaltrige Day-One Fans "Boah krass Digga" sagen können, während sich die Kiddies über Dino-Vergleiche amüsieren. Als ob auch nur ein Bruchteil ihrer Fanbase wüsste, von was sie eigentlich singen, wenn sie behaupten, Badewannen mit Pinot Grigio zu füllen oder Hennessy zu trinken.

Sie Liebeslieder fallen ähnlich aus. Zu groß ist einfach die Diskrepanz zwischen Kids, die noch keine Ahnung von den ollen "Birds and Bees" haben und Textzeilen à la "Sichere Tatsache, dein Körper ist eine Tatwaffe."

Angesichts der Tatsache, dass es sich bei "Kapitel X" um das letzte Album der beiden Brüder handeln soll, haben sie die Chance gänzlich verpasst, ihre kurzlebige Diskographie zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Wer von Roman und Heiko ein abschließendes Statement erwartet, wird enttäuscht. Die beiden sind mittlerweile erwachsen, wollen sich mit ihren peinlichen Anfängen aber nicht mehr auseinandersetzen.

Würde man eine KI programmieren, diese über Wochen mit populärer Musik und Youtube-Videos füttern und dann ein 'hippes' Album für 15-Jährige ausspucken lassen: "Kapitel X" wäre wohl das Ergebnis - das musikalische Pendant einer Adam Sandler Komödie. Dann doch lieber wie früher die "Scream & Shout"-Parodie auf Repeat: "Ich ernähre mich ungesund, kipp mir Energy in den Mund. Computerspiele sind der Grund". Hell yeah!

Trackliste

  1. 1. Einfach Ich
  2. 2. Blinder Passagier
  3. 3. Blauer Haken (feat. Eko Fresh)
  4. 4. Fulltimejob
  5. 5. Nicht Von Dieser Welt
  6. 6. Killa (feat. Bars and Melody)
  7. 7. 2030
  8. 8. Fantasie
  9. 9. Bild Von Mir
  10. 10. Feuer
  11. 11. Worried (feat. Lukas Rieger)
  12. 12. Venus vs. Mars
  13. 13. Dein Lied
  14. 14. Willkommen Realität
  15. 15. Kapitel X
  16. 16. Game Over

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