laut.de-Kritik
Eine der größten Kein-Bullshit-Personas im Game.
Review von Yannik GölzDass ein Rapper nicht sehr viel Wert auf Schnörkel und Verpackung legt, hätte man bei Die P schon merken können, als sie ihr erstes kommerzielles Release einfach "Tape" nannte. Die Bonnerin mit der kalten Schnauze und dem unübersehbaren Skill rappt sich seit nunmehr drei Projekten in die Herzen von BoomBap-Hörern und Revivalisten und etabliert sich dabei als eine der größten Kein-Bullshit-Personas im Game. Auch wenn diese Stabilität gerade auf dem Vorgänger "3,14" vielleicht manchmal so geradlinig zuging, dass der Fun ein wenig auf der Strecke blieb, schält sie auf der neuen EP "Bonnanza" musikalisch wie emotional neue Stärken heraus.
Um einmal das Negative aus dem Weg zu schaffen: Ja, es gibt immer noch Momente, in denen ihr rustikaler DIY-Ansatz den eigenen Spirit zu ernst nimmt. Wenn sie über Fifa-Turniere oder Weed rappt, wenn sie dieselbe Beobachtung über Vertrauen oder Hustle zum zehnten Mal in quasi gleiche Worte fasst, die wirklich sehr trockenen Skits: Manchmal ist es keine Schande, ein bisschen mehr inhaltliche Extravaganz zu riskieren und nicht nur auf Genre-Schwarzbrot zu setzen. Oft sind das einfach auch kleine Schönheitsfehler, die diesen Eindruck verstärken: Die Line "erstes Wort 'nein', zweites Wort 'meins'" kommt auf dem nächsten Track genauso nochmal vor, weshalb manchmal das Gefühl entsteht, dass P oft das Gleiche sagt, obwohl ihre Bars und Beobachtungen eigentlich gut sind.
Abseits davon zeigt "Bonnanza" klare Schritte nach vorn. Alleine die Produktion: Klar, Die P steht für Oldschool und macht nicht erst seit gestern ihr Ding, aber dafür, dass sie ihr Genre so klar benennt, scheint sie langsam immer deutlicher herauszukristallisieren, welche Stimmung gut zu ihr passt. Der Beat zu "Was Soll's" ist einer der besten, auf denen sie bislang gerappt hat: Die kristallinen, eisigen Synths geben eine schlichte, aber atmosphärische Melodie vor, der Groove trabt unterschwellig nebenbei. Gemeinsam mit Die P kommt verdammt viel Stimmung auf, melancholisch, aber nicht Trübsal blasend, erschöpft, aber nicht so, als würde sie groß etwas schocken.
Das ist ja eh das, was sie als MC so faszinierend macht: Sie ist eine extreme Realkeeperin, die auf ihren Songs genuin Tagebuch zu führen scheint, dabei keine Maske aufzieht, wie ihre Gefühle und Gedanken am besten ankommen könnten. Wenn sie genervt ist, ist sie genervt, wenn sie etwas stresst, ist sie gestresst und wenn sie sich fühlt, dann fühlt sie sich. Sie ist beeindruckend darin, diese Gefühle ebenso ungeschnörkelt und unverfälscht wiederzugeben. Die Mischung aus Misstrauen und Wohlwollen auf "Who's That Girl" macht mit schlichten Beobachtungen komplexe Spannungsfelder auf – Die P scheint es eigentlich extrem gut mit den Leuten zu meinen, sei es mit der Rap-Szene oder ihren Freunden – weiß sich aber abzugrenzen, wenn sie etwas verarscht.
Die Mischung aus gutem Herz und unfairer Welt scheint sich sowieso als so etwas wie die Kernthese von Ps Musik hervorzutun. Sie war von Anfang an ein beeindruckender, charismatischer Rapper, technisch anspruchsvoll und mit den Wurzeln verbunden – aber beizeiten hat es noch gefehlt, ihrer Vision so richtig die atmosphärisch passenden Beats und Songwriting-Ideen unterzuschieben. Und auch wenn "Bonnanza" noch nicht perfekt ist, bewegt sie sich doch mit großen Schritten in Richtung einer klaren Vision und wird mit jedem Projekt sichtbar besser. Für jemanden, der auf so einem hohen musikalischen Level angefangen hat, spricht das Bände. Wenn sie dieser stetigen Steigerung jetzt noch ein Quäntchen mehr Kühnheit und Wagemut beimischt, ist dieser Frau in der Zukunft ein Klassiker zuzutrauen.
6 Kommentare mit 14 Antworten
Oha! So fett wie ein Stück Butter und eine Buddel Olivenöl zusammen! Absoluter Styleralarm! Da können sich all die Faker warm anziehen (dank ausbleibendem Klimawandel ist es momentan ja auch fresh wie in meinem Eisfach). Dafür gibt es derbe propz, das ist tight wie eine Hose, die man gekauft hat, als man noch sportlich war (z.B. Breakdance), jetzt aber im Zuge einer Gewichtszunahme (nicht Muskelmasse) diese kaum noch über die Hüfte bekommt.
Ok, der war jetzt so hängengeblieben drüber, dass er fast schon wieder gut war.
Mhmhm, mir ist kürzlich zufällig "Gimme Some More" durch die Ohren geflogen und ich fand das speziell im Refrain und textlich ultraschlecht. Sehen das andere ähnlich oder markiere ich hier gerade den genrefreden Ragi?
Sehe ich ähnlich. Taugt mir höchstens mal als Feature oder für einen Track.
Same here. Aber ich kann zB auch nix mit Keemo anfangen.
Ich mag, Attitude, Stimme und Beats, textlich ist mir das aber auch zu simpel, um das richtig feiern zu können. Hack/Schnapp/Platz - bin jetzt echt kein Silbenzähl-Fetischist, aber das klingt halt einfach nicht geil.
Ihr seid doch alle miteinander gernefremd!
Ja, mir geht's wie gueldi. Habe bei Bonnität viel Potential gesehen, aber die Texte sind einfach zu platt.
Die P, Die. Wer deutsch rappt, kann kein schlechter Mensch sein!
Ich muss bei „Bonnanza“ vor allem an die legendäre Wochenshow auf Sat. 1 denken. Aber dafür sind die meisten hier wohl zu jung.
Hast du dir das nochmal angeguckt? War in seiner Zeit ganz gut und Pastewka und Anke Engelke finde ich schon ziemlich witzig. Aber deutsche Comedy aus der Zeit ist heute fast so schwer auszuhalten wie deutsche Comedy von heute.
Hab ich auch direkt dran gedacht. Muss Koopsta hier aber recht geben was die Nochmal-Anschau-Erfahrung angeht.
Wirklich retrospektiv komplett unlustig. Zeigt eigentlich nur, wie unfassbar prüde wir waren, das da mit Brisco Schneider etc echte Kultfiguren entstanden sind.
Fand das ehrlich gesagt schon damals extren wack und deutsch. Konnte den Hype nie verstehen.
Denke nicht jeder war alt genug um zu checken, wie wack das war.
Ich habe mir mal ein paar Ausschnitte angesehen, nachdem ich bestimmt vor gut und gerne 20 Jahren die Wochenshow das letzte Mal geschaut hatte. Gut gealtert ist die Sendung in der Tat nicht.
Allerdings muss man der Wochenshow zugutehalten, daß sie mit Figuren wie Brisko Schneider doch recht progressiv war, indem sie sexuelle Minderheiten bereits Ende der 90er Jahre einem Millionenpublikum sichtbar gemacht hat.
Naja, ob die nun sexuelle Minderheiten sichtbar gemacht oder sich über Tunten lustig gemacht haben kann man drüber streiten...
Wenn man schon aus Bonn kommt, dann bitte wenigstens ein SSIO-Feature anfragen - Chance vertan!
girl du kannst nicht sagen dass du die norm brichst und dann 20 minuten lang oldschool klischees abhaken :c
omg man sprichte den Namen "deep" aus? Das habe ich ja jetzt erst gecheckt