laut.de-Kritik
Besinnliches von den Düsseldorfer Punk-Opas.
Review von Joachim GaugerAuch Hosen werden älter! Schon früher war zwischen den ganzen Punkkrachern mal das eine oder andere nachdenkliche Liedchen versteckt, aber soviel explizite Besinnlichkeit wie auf "Unsterblich" hat es bislang bei den Toten Hosen nicht gegeben. Kommen die Punker in die Midlife-Crisis? Wirkt die Tragödie, bei der im Juni 1997 eine 16jährige Niederländerin ums Leben kam, nach? Oder haben die Düsseldorfer bei der Auswahl der Songs an den alten Kumpel Wölli gedacht, der wegen eines fiesen Bandscheibenvorfalls nur noch bei Nummern mit überaus gemächlichem Tempo Schlagzeug spielen darf?
Zu den für bandscheibengeschädigte Drummer geeigneten Stücken zählt die klavierbegleitete Ballade, in der ein melancholischer Campino "auf einer Frage" ausrutscht, die da lautet "Wofür Man Lebt", wenn doch alles nur "Täuschung ist"? Ganz ohne Schlagwerk kommt "Unser Haus" aus, dafür weben Geigen und Celli für den sentimentalen Rückblick einen gleichermaßen weichen und fetten Soundteppich. Auch das Titelstück, ein richtig schönes Liebeslied, passt nicht recht in die Kategorie "Punkrock", zu viele Flächen, zu viele Akkorde und vor allem: Zu eingängig.
Ist das "Hochverrat an einer Idee, die seit Jahren tot ist", wie sich die Hosen in "Helden und Diebe" selber fragen? Wohl nicht, denn die alte Kundschaft wird natürlich nicht völlig fallen gelassen. Zwar scheint es eher unwahrscheinlich, dass jugendliche Pogotänzer jemals den Text zu "Warum werde ich nicht satt" auswendig kennen werden. Doch Songs wie "Sonntags in Zoo" oder "Schön Sein" haben ausreichend Mitgrölfaktor und kein bißchen weniger Drive als zu Zeiten der Opel-Gang.
So ist "Unsterblich", auch dank dem lyrischen Beistand von Funny Van Dannen eine vielseitige Platte mit einigen starken Melodien und reichlich feinsinniger Ironie geworden. Nur vom provokanten Gestus, der die Hosen früher auszeichnete, ist nicht viel übrig geblieben. Die alten Feindbilder haben ausgedient und die neuen taugen nicht. Jetzt müssen schon die Kicker vom FC Bayern München als Buhmann dienen, das ist allenfalls der kleinste gemeinsame Nenner und nicht sonderlich originell.
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