laut.de-Kritik

Ihre satanischen Majestäten erschaffen ein finsteres Meisterwerk.

Review von

"Eonian". Ein Zeitalter, so lang, dass es sich der menschlichen Wahrnehmung entzieht und damit in unserer Empfindung der Ewigkeit gleichkommt. Der Titel des Albums trifft auch das Selbstverständnis Dimmu Borgirs als Band punktgenau. 25 Jahre existieren sie bereits, im Black Metal-Kontext: mehr als eine halbe Ewigkeit. Zur Silberhochzeit pochen sie darauf, dass ihr stählernes Wort noch immer relevant sei.

In der Tat gehören diese zehn neuen Lieder nicht im entferntesten zum alten Eisen. Wozu jedoch dann? Die Musikwelt ist längst nicht mehr dieselbe wie vor einem Vierteljahrhundert. Das letzte Mammutwerk "Abrahadabra" liegt knapp acht Jahre zurück. Schon damals stellte sich die Frage, was nach jenem großen orchestralen Wurf überhaupt noch kommen könne.

Silenoz dazu: "Wir arbeiten hart, um die Zweifler zu überzeugen, dass das, was wir anbieten, noch immer gültig ist. Eine neue Generation von Fans und Zuhörern, die aus einer anderen Zeit kommen als wir, sind jetzt da draußen und geigen uns hemmungslos die Meinung. Doch auch wir haben keine Hemmungen, sie hören zu lassen, was wir hier gemacht haben!" Ein finsteres Prachtstück, nämlich. Eine Musikbestie in zig schillernden Farben. Ein dunkler Verführer, der den Hörer dort abholt, wo er sich gerade befindet.

Musikalisch ist das natürlich alles kein Black Metal reinster Lehre. Für limitierte Trveness-Spießigkeit sind Shagrath und Co. viel zu gute und vor allem zu kreative Musiker. "Eonian" schmeißt verschiedenste Zutaten in Satans Topf und gehört am Ende atmosphärisch mindestens ebenso aufs Wave Gotik Treffen wie nach Wacken.

Tonnenweise Gothic-Flair, Folk Noir, schwarz lackiertes Metal-Allerlei und Klassik ergeben ein Klangbild, das paradoxerweise gleichzeitig elegante Anmut wie archaische Wildheit offenbart. Geröchel, lüsternes Lechzen, Flüstern, Deklamieren und Kreischen treffen auf die strikte Ästhetik des wiederholt eingeladenen Schola Cantrum Chors. Alle Facetten zeugen einen sinistren Leviathan, dessen nuanciert arrangierte Teufel im Detail liegen. Als ultimativen Anspieltipp hierfür empfehle ich das ungemein effektive "Council Of Wolves And Snakes".

"Eonian" wendet sich auch inhaltlich vom tradierten Black Metal-Bild ab. Okkultismus reduzieren die Norweger zum reinen Kajal-Entertainmentfaktor. Philosophisch gehen sie viel tiefer und kreieren damit eine der intelligentesten Genreplatten überhaupt. Zwei große Themen bestimmen das Konzeptalbum und fließen ineinander: die Zeit und Luzifer.

Silenoz: "Die Zeit können wir nicht definieren. Unsere Konstrukte sind daher illusorisch. Es gibt nur ein ewiges 'Jetzt'." Die spirituellen Konsequenzen dieses bereits von Aristoteles und Augustinus angedachten Zeitbegriffs reflektieren besonders die ersten drei Lieder und die sinfonische Bombe "Alpha Aeon Omega".

Der knackige "Lightbringer" oder das nahezu progrockende Wespengitarrennest "I Am Sovereign" erfüllen einen anderen Zweck. Sie führen den Satanismus aus der oft infantilen Metal-Klischeenische dahin, wo unter anderem Crowleys "Thelema" längst ungeduldig mit dem Drudenfuß scharrt.

Silenoz dazu: "Spiritualität ist individuell, Religion ist es nicht. Glaube bedeutet, das Geburtsrecht aufzugeben, ein Individuum zu sein. Satan bedeutet für mich lediglich eine moderne Metapher, um aus der kontrollierenden Norm auszubrechen. Für mich als Individuum gibt es sowieso keine höhere spirituelle Gottheit als mich."

Die Vereinigung beider scheinbarer Gegensätze, sexy Grusel für den Bauch, Denkfutter für den Kopf, kulminiert im ausdrucksvollen Finale "Rite Of Passage". Das rein instrumentale Stück dürfte besonders die zahlreichen Fans ihrer "Sorgenskammer" entzücken. So fördern ihre satanischen Majestäten mit "Eonian" ein ausgereiftes Meisterwerk zutage. Souveräner kann man den eisernen Thron der wichtigsten Band des dunklen Extrem-Metals nicht verteidigen.

Trackliste

  1. 1. The Unveiling
  2. 2. Interdimensional Summit
  3. 3. ÆTheric
  4. 4. Council Of Wolves And Snakes
  5. 5. The Empyrean Phoenix
  6. 6. Lightbringer
  7. 7. I Am Sovereign
  8. 8. Archaic Correspondence
  9. 9. Alpha Aeon Omega
  10. 10. Rite Of Passage

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Dimmu Borgir

Die norwegischen Black Metaller von Dimmu Borgir benennen sich nach einem Gebiet in Island, das zum größten Teil aus Lavafeldern besteht. Als einzige …

16 Kommentare mit 51 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    ich finde es recht gut :phones: es ist halt KEIN bm mehr und sollte auch nicht als solcher betrachtet werden. ein dude, der etwas ähnlich heißt wie ich, nannte es in einem anderen forum "blackened sisters of mercy metal" das trifft es ganz gut

  • Vor 6 Jahren

    Wat soll dat. Haben `se uns mit Abra... nich schon jenuch jeärgert? Müßen `se noch een druff setzen? Viel zu Metallastich und doomich. Und ohne Druck. Dat meiste is so dahinjeggroult. Dit letzte jute album war ISN. Dreht mal eure operale Scheiße wieder zurück, und macht mal wieder Extreme Black Sinfonic Metal. Oder steigt aus und macht Heavy Metal oder Oper. Ein Besorgter Fan.

  • Vor 3 Jahren

    Großartige Scheibe. Die lange Wartezeit hat sich gelohnt. Natürlich ist es kein reiner BM mehr - es ist eben mehr als das. Ich würde mich freuen wenn andere sich Bands an dem Qualitätsstandard orientieren würden…