laut.de-Kritik

Von der Liebe, von Trennung und Verlust.

Review von

Große Freude herrschte, als im Netz Hinweise auf ein neues Album der Dirty Projectors in Form kunstvoller Videos auftauchten. Der Kopf der New Yorker Band, David Longstreth, postete "Keep Your Name" als erste Überraschung nach über vier Jahren des Schweigens.

Jetzt endlich haben sie das langersehnte Kunstobjekt komplettiert, und die Platte heißt schlicht "Dirty Projectors". Es geht um Liebe, Trennung und Verlust, aber auch um Freiräume und ein Leben nach dem Schmerz. Ein ganz persönliches "Break Up"-Album mit intensiven Gefühlen und dem typischen Klang- und Geräuscherlebnis einer außergewöhnlichen Band.

David verarbeitet die Trennung von seiner Ex-Freundin und Bandkollegin Amber Coffman. Die Harmonie zwischen den beiden hörte man in der Vergangenheit vor allem in ihren Liebes-Duetten. Die Faszination ging schon immer von den Stimmen aus, den perfekten Variationen, die verschmolzen und deren Zusammengehörigkeit nicht harmonischer klingen könnte.

Aber wie so oft zerbrach die Innigkeit irgendwann und hinterließ tiefe Wunden. Auf der anderen Seite stärkt eine solche Erfahrung aber auch das eigene Bewusstsein und schafft Freiräume für das weitere Leben. Ambers Art der Aufarbeitung wird sie in ihrem ersten Soloalbum "City Of No Reply" zeigen. David lässt seine Gefühle offensichtlich hier einfließen.

Das berührende "Keep Your Name" ruft sämtliche Erinnerungen einer gescheiterten Beziehung ins Gedächtnis. Davids tiefergelegte Stimme offenbart sich zunächst nur in Begleitung einer Pianomelodie: "I don't know why you abandoned me. You were my soul and my partner. What we imagined and what we became. We'll keep'em separate and you keep your name." Diese Emotionen treffen mitten ins Herz, es tut weh, aber der Song schwingt sich trotzdem zur neuen Lebenshymne auf. Schließlich muss man irgendwann getrennte Wege gehen, wenn es gemeinsam nicht mehr funktioniert.

Ein Vocal-Sample aus einem Track von 2012, "Impregnable Question", bricht "Keep Your Name" und lässt das Chaos im Kopf für sich stehen: "We don't see eye to eye." Im Mittelteil findet eine Rap-Passage ebenfalls klare Worte: "Your heart is saying clothing line, my body said Naomi Klein, No Logo …" Die Differenz einer Partnerschaft tritt hier musikalisch hervor, aber auch inhaltlich geht alles um diese Problematik: "What I want from art is truth, what you want is fame. Now, we'll keep 'em separate and you keep your name."

Für ihren experimentellen Sound sind Dirty Projectors bekannt. In der Vergangenheit paarten sie diesen immer wieder mit sagenhaften Popmelodien. Die Stimme bleibt das Hauptinstrument und, ja, man vermisst die berührende Chor-Harmonie. Auf dem neuen Album geht es holprig zu. Es wirkt oft befremdlich oder einfach nur anstrengend ("Work Together"), aber so sind zwischenmenschliche Beziehungen ja schließlich auch.

Es blubbert, Samples knistern, Bläser- und Streicher werden arrangiert, Geräusche überall. Klassische Elemente treffen auf R&B ("Death Spiral"). Am Ende übernimmt immer die wunderbare, warme Stimme von Longstreth die Melodie. "Up In Hudson" erzählt von der ersten Begegnung, dem ersten Kuss, dem hüpfenden Herz. Aber auch hier sieht der Protagonist am Ende der Realität ins Auge: "Now we're going our separate ways. But we're still connected. You'll go forward and I'll stay the same. And that's how it breaks."

Longstreth war schon immer ein Sound-Akrobat. Alles begann mit einem Vier-Spur-Gerät in seinem Schlafzimmer. Mittlerweile haben sich einige weitere Gerätschaften und Perfektionismus dazu gesellt. Wenn das Sound-Wirrwarr auf "Dirty Projectors" für einen Moment in den Hintergrund rückt, gibt das Zeit, um die ruhigen Parts zu genießen. Zeit, um die Gedanken zu ordnen.

Mit der digitalen Ballade "Little Bubble" möchte man sich sofort in seiner kleinen Blase verkriechen und nie wieder rauskommen. "We had our own little bubble. for a while." Egal, ob man eine Trennung hinter sich hat, sich einen bösen Kommentar in den sozialen Netzwerk zu Herzen nimmt oder den Wahnsinn in der Welt mit Kummer verfolgt: Davids bittersüße Zeilen treffen das geschwächte Gemüt: "Morning, there's no one else here. I'm alone in the cold. October light hits like a black hole, growling greatness, century of emptiness."

Vielseitig zeigt sich der Mann, vor allem auch in der Inszenierung seiner ausdrucksstarken Stimme ("I See You"). Vom tiefen Bariton über verzerrte Sequenzen, Sprechgesang bis hin zu einer sehr hohen Tonlage ("Winner Take Nothing").

Neben dem vorwiegend melancholischen Soundgewand klingt "Cool Your Heart" fast schon euphorisch. Die elektronische Dance-Nummer featuret Dawn Richard, eine amerikanische R&B-Sängerin. Den Song schrieb Longstreth gemeinsam mit Solange Knowles während der Aufnahmen zu ihrem Album "A Seat At The Table". Beyoncés Schwester ist schon lange Fan der Dirty Projectors und sang auch bereits live mit den New Yorkern auf der Bühne ("Stillness Is The Move").

Starproduzent Rick Rubin (unter anderem Beastie Boys, Weezer, Justin Timberlake) ist mit von der Partie und überredete David dazu, den Bandnamen Dirty Projectors trotz der Trennung beizubehalten. Das faszinierende Songwriting haben wir schließlich ihm zu verdanken. Viele Künstler profitieren von seinem Können und ließen sich vom Mastermind produzieren oder inspirieren, darunter Björk, Joanna Newsom, Kanye West.

"Dirty Projectors" ist keine leichte Kost und geht wohl als eines der persönlichsten Alben von David Longstreth seit seinem bereits vergriffenen Debüt "Graceful Fallen Mango" aus dem Jahr 2001 durch. Selten zeigte er sich so offen in seinem Songwriting. In jedem Sample, in jedem Noise-Effekt steckt eine tief gehende Emotion, die man nicht so leicht vergisst.

Trackliste

  1. 1. Keep Your Name
  2. 2. Death Spiral
  3. 3. Up In Hudson
  4. 4. Work Together
  5. 5. Little Bubble
  6. 6. Winner Take Nothing
  7. 7. Ascent Through Clouds
  8. 8. Cool Your Heart
  9. 9. I See You

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