laut.de-Kritik

Eine musikalische Wundertüte exquisiter Töne.

Review von

Die musikalischen Früchte der Schweizer Band Dirty Sound Magnet lassen sich nur schwer beschreiben. Ihr Stil flirrt irgendwo zwischen Psychedelic Rock, Prog und dem weiten Universum umher, und gerade wenn man meint, ein bestimmtes Genre festzunageln, werfen sie jegliche Vorstellung wieder über den Haufen.

"Western Lies" wird von der Band selbst gerne als zweites Debüt verstanden - ein Paradoxon erster Klasse. Zehn Jahre Bandgeschichte haben die Jungs nun schon auf dem Buckel, Vergleiche mit Led Zeppelin und Hendrix, etliche Touren durch ganz Europa, und schließlich stand mit dem Austritt des Frontmanns dann die Entscheidung zwischen Ende oder Neuanfang im Raum. Die Band entschied sich für den Neuanfang - ein Glück, denn sonst wäre diese unglaublich vielseitige Platte wohl nie entstanden.

Mit dem Verlust des Lead-Sängers wurde aus dem Quartett ein Trio, Gitarrist und Songschreiber Stavros Dzodzos übernahm mit seiner eigenwilligen Stimme den Gesangspart. Da sind wir auch schon beim Stichwort Hassliebe. Die Stimme des Sängers ist unkonventionell, manch einer mag sofort darauf anspringen, andere ballen bei so manchen Gesangparts die Faust besser in der Hosentasche als im Gesicht des Sängers.

Schon im Titeltrack "Western Lie" wirkt Stavros' Stimme beim In-die-Länge-ziehen der Wörter nervig - aber gleichermaßen auch unfassbar gut, die Phrase 'passt wie die Faust aufs Auge' hat ihren Meister gefunden. Derbe Gitarren schwirren durch einen wunderbar psychedelischen Hall, und verwandeln den Song direkt zum wohl eingängigsten Stück der Platte. "Be someone - love your wife!"

Dass Dirty Sound Magnet sich mit dem neuen Album dem weitläufigem Begriff 'Creative Rock' verschrieben haben, hört man an allen Ecken und Enden. Das zweite Debüt enthält facettenreiche Instrumentals wie der Opener "The Sophisticated Dark Ages (2007-Present)" oder das mit einer orientalisch-anmutenden Skala aufwartende "Eastern Flood". Gleichermaßen vertreten sind treibende Up-Tempo-Schrammel-Nummern wie "Cash Cow Superstar".

Eine Wundertüte exquisiter Töne. Mit Stilwechseln zwischen Psychedelic, Space-Rock, einer Prise Noise bis hin zu Blues, Folk ("My Dolly Bird"), und sogar Ethno ("The White Man's Burden") zeigt sich das Album mit all seinen instrumentalen Feinheiten als wandelbares Chamäleon. Das beweist das Trio am besten in dem fast elf-minütigen "Ecstasy Of God": Spacige Soundwände umhüllen die unkomfortabel-verzerrte Stimme des Sängers, intelligente Gitarren-Soli werden bis zum Inferno getrieben.

Weltuntergangsstimmung herrscht auch bei "...And Then We Die": das Tremolo bis zum Anschlag hochgezogen, wird der geduldige Hörer gegen Ende mit einem brutalen Noise-Gewitter belohnt. Dann: Drei Minuten Stille. Der Ausdruck 'This song kills' bekommt hier ein Zuhause.

Ein weiteres Highlight der Platte bietet "Homo Economicus": Die Zeilen "The earth is gonna burn", "Rain's gonna fall", und "The system's gonna change!" kündigen den Total-Zerfall an. Und wirklich, getrieben durch einen dunklen, bösartigen Bass und spitze Akzente der Gitarre stehen die Füße bei diesem Track partout nicht still. Ein guter Soundtrack für eine bevorstehende Apokalypse oder ein 'Fight Club'-Remake.

Dirty Sound Magnet erschaffen hier etwas, das wirklich nur ganz wenigen Künstlern gelingt: Ein Album, das seine volle Wirkung wahrscheinlich am besten mit Kopfhörern in einem dunklen Raum entfaltet, die Augen des Hörers rot-gerändert und geschlossen - gleichermaßen funktioniert "Western Lies" auch auf jeder Party und geht weit über die Grenzen des 70er-Psychedelic-Revivals hinaus. Ein spannendes und unglaublich facettenreiches Werk, filigran und brachial zugleich.

Trackliste

  1. 1. The Sophisticated Dark Ages (2007-Present)
  2. 2. Cash Cow Superstar
  3. 3. A Gutted Diva
  4. 4. Homo Economicus
  5. 5. The White Man's Burden
  6. 6. Western Lie
  7. 7. Eastern Flood
  8. 8. My Dolly Bird
  9. 9. Ecstasy Of God
  10. 10. ...And Then We Die
  11. 11. The Poet And His Prophet
  12. 12. Merry People

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