laut.de-Kritik
Sauber inszenierter Country-Rock mit Text-Tiefgang.
Review von Artur SchulzWelch einen Wirbel ein relativ simples, politisches Statement auslösen kann! Zumindest in den USA. Zu den Dixie Chicks gehört einfach die Anekdote, dass sie Präsident Bush sinngemäß schlicht als "Schande für unser Land" bezeichneten. Daraufhin folgten Radio-Boykotte und öffentliche Platten-Vernichtungen. US-Amerika in einer traditionellen Rolle: Bereits in den fünfziger Jahren warb ein Autohändler mit dem Versprechen, beim Kauf eines seiner Wagen "in ihrer persönlichen Gegenwart" 50 Elvis-Platten zu zerbrechen. Der Überlieferung zufolge soll dieser Mann seine Autos in jenen Tagen wie geschnitten Brot verkauft haben.
Die Dixie Chicks bleiben auf "Taking The Long Way" nur vordergründig ihrer bislang eingeschlagenen Linie treu, Country-gefärbte Songs mit Tiefgang einzuspielen: Denn immer mehr übernehmen Elemente anderer Stilrichtungen das Kommando. Hier ist kaum etwas von einer allzu romantischen Beschwörung des amerikanischen Pioniergeists zu spüren, eingetaucht in den üblichen Nashville-Kitsch, mit dem viele Country noch immer assoziieren. Spätestens die "American Recordings"-Arbeiten eines Johnny Cash sollten aber klargemacht haben, dass es auch in diesem musikalischen Genre eine andere Seite Amerikas gibt.
Auf sattsam bekanntes Klischee-Gegniedel verzichten die drei texanischen Hühner also erfreulicherweise. Illuster die Liste der Song-Gastautoren: Hier finden sich die Namen von Gary Louris, Sheryl Crow, Mike Campbell und Keb' Mo'. Dass Rick Rubin in gewohnter Klassemanier für eine perfekt abgemischte, runde Produktion steht, ist ja eigentlich schon Standard.
Persönliche Erfahrungen und Gedanken der jüngsten Vergangenheit stehen bei den Songs im Vordergrund. Der Wirbel um die Bush-Aussage und die Babypausen-bedingte Auszeit schlagen sich natürlich in den Lyrics wieder. Die drei Chicks zeigen sich dabei als versierte Geschichtenerzählerinnen. Ein leicht dunkel-melancholischer Hauch schwebt über vielen der zumeist im Midtempo angesiedelten Tracks, allerdings ersäuft das Album niemals in eintöniger Langeweile. Denn die Songs bieten ein großes musikalisches Spektrum in Form und Ausführung.
Neben ausgesprochenen Balladen ("Easy Silence", "Lullaby", "I Hope") geht es musikalisch auch mal härter zur Sache. Besonders "Lubbock Or Leave It" geht problemlos als kräftig-rüder Rocksong durch. In "I Like It" wird es gar funkig und groovend. "Baby Hold On" ist ein von Meisterhand komponierter Pop-Song im Stil der frühen sechziger Jahre. In "Not Ready To Make Nice" stellen die Chicks klar, dass sie weiterhin zu ihren Aussagen von früher stehen und nichts zurücknehmen.
Die Gesangsarbeit der drei Künstlerinnen ist tadellos und mitreißend. Sei es solo oder in den Chor-Arrangements. Der Mix aus Balladen, Rock-Elementen und Country-Beigaben in Veredelung mit ausgeprägten, charismatischen Stimmen ist überzeugend, ohne allerdings allzu innovativ festgesteckte - musikalische wie kompositorische - Grenzen niederzureißen.
"Taking The Long Way", das mittlerweile siebte Studioalbum des Trios, unterstreicht gelungen ihren Ausnahmestatus im Bereich zeitgenössischer Country-Musik. Vielen Fans der ersten Stunde mag der Verzicht auf die klar im Vordergrund stehenden Bluegrass-Sounds früherer Werke ein Wermutstropfen bedeuten.
Allerdings führt die kräftigere Rock- und auch Pop-Färbung, gerade in der hier gezeigten, Chicks-spezifischen Umsetzung, niemals zu einer Verwässerung des ureigensten Stils. Mehr noch: Sie bewahrt eindeutig vor künstlerischem Stillstand und bereichert die eigenen, musikalischen Horizonte um neue, belebende Facetten.
1 Kommentar
Eben wieder gehört - ein schöner Langspieler