laut.de-Kritik
Lang lebe der Ruler: Nachruf auf die neue Welle der Westküste.
Review von Yannik GölzWie viel möchte man dafür geben, nie wieder einen Rapper erst nach seinem Tod in aller Ausführlichkeit zu beleuchten. Es passiert viel zu oft, aber insbesondere "Keep The Truth Alive" wird von der Tragik der brutalen Ermordung Drakeo The Rulers auf einer Bühne seiner Heimatstadt überschattet. Der Rapper, der eine Musikkarriere in den kurzen Wochen zwischen Gefängnisaufenthalten zusammengesetzt hat, einst die große Entdeckung von DJ Mustard, hat sich so oft gerühmt, schon zwei neue Lebenschancen erhalten zu haben. Mehr als ein ewiger Untergrund-Darling war Drakeo The Ruler die lang ersehnte Regeneration eines neuen Westküstensounds. Und auch auf diesem posthumen Projekt zeigt er den Nervous Rap in seiner besten Form: Absurd, schwarzhumorig, ein durch tausend Referenzen farbenfrohes Shittalking zwischen Allmachtsfantasie und Todesgegenwart.
Zwei Dinge sind grundlegend für den Stil von Drakeo: Zum einen hat er diese eiskalte Delivery, die später auch von vielversprechenden Newcomern wie Remble übernommen wurde. Theoretisch müsste das Gangster-Rap sein, aber die emotionalen Facetten sind chaotischer. Songs wie "Extortion" oder "Hang With The Opps" lassen keinen Raum für Gepose. Drakeos murmelnde, gehetzte und doch irgendwie zermürbte Art zu rappen zeigt einen wahren Abgrund des Gangster-Lebens: Zerfurcht von Paranoia und Verletzungen und auf eine Weise abgebrüht, dass man glauben möchte, er könnte jeden Moment heulen oder in hysterisches Gelächter ausbrechen.
Das wäre nicht einmal so unangemessen, denn die zweite Sache ist: Drakeo ist tatsächlich schweinelustig. Der Mann hat einen so unvergleichlichen und seltsamen Pool an Referenzen und Pokultur-Querverweisen zu bieten, dass man ähnlich wie bei frühen Young Thug- oder Gucci Mane-Mixtapes immer wieder den Song pausieren möchte, um sich zu fragen: Hat er das gerade wirklich gesagt? Aber bei Drakeo – der seinen Bühnennamen übrigens nicht von der Knarre, sondern als Teenager aus einem Buch über den altgriechischen Herrscher Drakon (von dem das Wort drakonisch abgeleitet wird, passenderweise) hat, geht noch ein paar absurde Schritte weiter.
"John Lennon" zum Beispiel rappt auf einem Beat, der wie aus einem uralten Echtzeit-Strategiespiel gesamplet klingt, Punchlines von den Red Hot Chili Peppers über Linkin Park bis Gnarls Barkley. Auf "Get Your Boogie On" beschreibt er, wie er im Pulli vor der Show seiner Gegner wartet, über die Aufschrift ihrer Socken spricht und sie dann zum ... Boogie-Woogie-Tanzen auffordert. Immer wieder gelingen ihm diese urkomischen Juxtapositionen, die in seinem Kopf wohl sehr nah beieinander liegen und macht das brutalste Gerede so absurd komisch, dass er vermutlich auf seine Art und Weise einen blendenden Bond-Bösewichten hergegeben hätte. Oder gleich für Batman, wenn man sich anhört, was für eine Feuerkraft er da auf Songs wie "Hang With The Opps" beschreibt, bevor er ein paar Lines über die Beziehungen zwischen Spongebob-Charakteren sinniert.
Sein auf dem Tape als einziges Feature vertretener Bruder Ralfy The Plug erklärte "Keep The Truth Alive" so, dass das Album sich wie ein Insta-Live anfühlen solle, auf dem Drakeo einfach ohne großen Filter seinen Shit talkt. Und dass er dann noch die besten, düsteren Beats des aktuellen L.A.-Untergrunds abbekommt, gibt dem Gesamtprodukt ein noch viel nuancierteres Gefühl. Die kristallinen Synths und Streicher auf dem fantastisch klingenden "My Way Or The Highway" - und dann kommt er wieder um die Ecke mit Lines wie "living in the ghetto – Elvis Presley wrote a song about it".
Es ist schwer, den Appeal von Drakeo zu erklären, wenn man ihn noch nicht so recht begriffen hat. Der Kerl war eine Legende seiner Stadt und einer der seltsamsten, aber hypnotischsten Charaktere, die die Westküste seit Jahren hervorgebracht hat. Niemand hat je so gerappt wie er und seine Mischung aus Punchline-Surrealismus und diesen beklemmenden, paranoiden Atmosphären werden sich vermutlich noch für viele Jahre in den Sound seiner Stadt und vielleicht auch darüber hinaus einbrennen. Bis dahin gibt es eigentlich auch nur eine Sache anzumerken: "It's Drakeo not Drake-o get it right". Lang lebe der Ruler.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Da hast du mal Recht Yannik. Einzigartiger Rapper und großartiges Album. 5/5 von mir.
+1
Finde das Album auch gut, aber am meisten feiere ich Dawn Toliver & Go Crazy, die auf den Vorgänger Alben sind… RIP
Das knallt ordentlich. Schade um ihn. Gleich nochmal hören, 5/5 steht im Raum.