laut.de-Kritik

Niemand jammt besser.

Review von

Es gibt ein paar Dinge, die die meisten (musizierenden) Stoner-Heads weltweit gemeinsam haben: Sie kiffen gern, sie mögen Fuzz und sie lieben ausufernde Jams. Keines dieser drei Dinge ist per se auf Wettbewerb ausgelegt, für letzteres gilt trotzdem: Selbst wenn ihr, zugedröhnt bis unter die Filzmatte, der Meinung seid, was ihr da gerade improvisiert, habe mindestens Hendrix-Qualität: Earthless klingen besser. Immer. Daran ändert auch die neu entdeckte Austauschbarkeit auf "Black Heaven" nichts.

Das Trio existiert mittlerweile seit 17 Jahren, war bisher rein instrumental unterwegs und packte auf seine Alben Songs von bis zu einer halben Stunde Länge. Der Wechsel zu Nuclear Blast im vergangenen Jahr kam insofern überraschend, da der Labelriese normalerweise in gänzlich anderen Genrepools fischt. Hört man "Black Heaven", ergibt der Deal aber plötzlich Sinn: Earthless schreiben erstens kompaktere Songs, zweitens investierte Gitarrist Isaiah Mitchell in ein Gesangsmikrofon - und plötzlich könnten die Herren problemlos mit den neuen Labelkollegen Kadavar touren.

Mit "Gifted By The Wind" eröffnen sie das Album ungewohnt handzahm. Artig singt Mitchell seine Zeilen, gemahnt dabei etwas an Zakk Wylde und achtet darauf, dass die Riffs ihnen nur ja nicht im Weg stehen. So richtig wohl scheint er sich dabei nicht zu fühlen, steht die Gitarre im Vergleich zum Gesang nach wie vor dominant im Mix.

Sowohl Vocals als auch Riffs haben Energie, aber es gibt einfach zu viele Formationen, die nach genau demselben Prinzip funktionieren. Weder im einen noch im anderen Bereich ragen Earthless hervor. "End To End" ist in dieser Hinsicht sogar noch enttäuschender. So spielt eine Band, die zwar beim zufällig besuchten After-Work-Gig Spaß macht, deren Namen man aber, kaum zu Hause angekommen, schon wieder vergessen hat.

Dass Earthless insgesamt weit mehr als das sind, zeigt sich, sobald sie jeweils die Strophenparts überstanden haben. Kaum hat Mitchell seinen ersten Vocaleinsatz in "Gifted By The Wind" beendet, stürzt er sich in eine über einminütige Soloeskapade, die er nach ebenso langer Vocal-Reprise fortsetzt, bis zum Ende durchzieht und schließlich auch dreist mit Talk-Box die Gesangsspur übertönt.

"Volt Rush" und den Titeltrack halten Earthless dann doch wieder komplett instrumental. Minutenlange Soli ohne Anflug von Ideenlosigkeit reihen sich aneinander. Da die Band weitestgehend auf Overdubs verzichtet (nur ab und zu doppelt Mitchell kurze Melodieabschnitte oder flicht psychedelische Details ein), sollten sie die Sprünge zwischen Led Zeppelin-Riff und Solo-Wahnsinn live reproduzieren können. Dann wohl nicht "nur" für neun Minuten, sondern weitaus länger.

Obwohl Mitchell insgesamt klar dominiert, die Leistung Mike Egintons (Bass) und Mario Rubacalbas (Drums) beeindruckt nicht minder. Einerseits halten sie den Jam für ihren Gitarrenvirtuosen zusammen, andererseits verzichten auch sie selbst nicht auf spannende Texturen. Gerade Rubacalba wandelt das Feeling eines Songs innerhalb von Sekunden zu radikal, aber dennoch flüssig. Die straighte Rockschiene von "Gifted By The Wind" bricht er mithilfe eines Percussion-Tricks auf und ermöglicht so oben angesprochenen Jam-Exzess.

Earthless kombinieren Improvisations- und Kompositionspassagen durchaus schlüssig. Das Problem von "Black Heaven" bleibt, dass letztere nicht richtig zünden. Das Trio spielt zu nah an Led Zeppelin, ZZ Top, Black Label Society, Jimi Hendrix Experience und Lynyrd Skynyrd, um in dieser Hinsicht nachhaltigen Eindruck zu schinden. Ein Glück, dass die Jamparts insgesamt doch überwiegen. Hier gilt nach wie vor: Earthless sind next level.

Trackliste

  1. 1. Gifted By The Wind
  2. 2. End To End
  3. 3. Electric Flame
  4. 4. Volt Rush
  5. 5. Black Heaven
  6. 6. Sudden End

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