laut.de-Kritik

Bloß nicht beim Cocktailschlürfen stören.

Review von

Elise LeGrow spielt Schach. Einerseits weist bereits der Titel des Albums "Playing Chess" darauf hin, dass sie sich auf ihrem Debüt dem Backkatalog der Plattenfirma Chess widmet, zu dem Songs von Muddy Waters, Etta James, Bo Diddley und Chuck Berry gehören. Auf der anderen Seite spiegelt sich die Ausstrahlung des Longplayers bereits im Titel wieder. Zu oft gleicht es einer strategischen Kopfgeburt.

Über die ganze Spielzeit geht LeGrow auf Nummer sicher, nutzt eine defensive Taktik. In den Neuinterpretationen der erprobt guten Lieder bricht nichts heraus. Alles wirkt brav, geordnet und zeitweise sogar berechnend. Zudem nutzt sie gemeinsam mit den "The Soul Sessions"-Produzenten Betty Wright, Steve Greenberg und Mike Mangini die selbe Strategie, die vor fünfzehn Jahren schon Joss Stone zum Erfolg führte. Nur reichen die ausgewählten Soul- und Blues-Titel diesmal im Durchschnitt eine Dekade weiter zurück. Auch wenn all dies einen gewaltigen Reißbrett-Charme versprüht: Es hat einmal funktioniert, es wird auch ein weiteres mal funktionieren.

LeGrow verfügt über eine gute, angenehm angeraute Stimme, der an den entscheidenden Stellen jedoch die Power und der Schmalz fehlt, um wirkliches Mitgefühl zu erzeugen. Sie bietet die Songs auf hohen Niveau dar, doch fehlt es ihr über weite Strecken an einem eigenen Farbton und Charakter. Wer wie in "Can't Shake It" mit Etta James in den Ring steigt, kann aber auch nur verlieren. Wer diesen Vergleich wissentlich sucht, verfügt aber auch entweder um eine gehörige Portion Wahnwitz oder Mut.

Nur wenige Neuinterpretationen wie etwa "Hold On" von den Radiants und "Long Lonely Nights", auf dem Questlove entspannt vor sich hertrommelt und das 1957 von seinem Vater Lee Andres geschrieben wurde, halten sich an die Vorlagen. Die meisten Lieder warten hingegen mit angenehmen Überraschungen auf. Diese leiden dann aber immer ein wenig an der zu aufgeräumten Produktion, die selbst den Dap Kings Horns ihrer Kraft beraubt. Auch eine Art von Kunststück.

Fontella Bass' "Rescue Me" (wieder so ein Vergleich, bei dem sich LeGrow hinten anstellen muss) verbindet sie beispielsweise mit dem Groove aus Labi Siffres "I Got The...". Jenem Track, den Eminem für "My Name Is" nutzte. Chuck Berrys "You Never Can Tell" scheint nur noch in wenigen Momenten der Gesangsmelodie durch die Neuauflage. Wo sich einst Uma Thurman und John Travolta in "Pulp Fiction" in die Filmgeschichtsbücher tanzten, dimmt LeGrow das Licht und lehnt sich zur entspannten Begleitung ihrer Band zurück. Das hat Charme, erinnert aber auch ein wenig an eine Alleinunterhalterin, die tapfer gegen das uninteressierte Publikum ansingt. Die Maxime lautet: Bloß nicht beim Cocktailschlürfen stören.

Mit "Playing Chess" gelingt Elise LeGrow ein zu professionelles Debüt. An der technischen Umsetzung der Musik und der Darbietung der Sängerin gibt es im Grunde nur wenig auszusetzen. Es fehlt aber das Zwingende, das Mitreißende. So bleibt ein gutes, nie störendes Album voller Coverversionen, von denen viele den Vorlagen neue Aspekte abgewinnen, aber keines das Original überstrahlt. Es bleibt abzuwarten, was LeGrow mit eigenen Stücken zu bieten hat.

Trackliste

  1. 1. Who Do You Love
  2. 2. Hold On
  3. 3. You Never Can Tell
  4. 4. Over The Mountain, Across The Sea
  5. 5. Searching For My Love
  6. 6. Long Lonely Nights
  7. 7. Going Back Where I Belong
  8. 8. Rescue Me
  9. 9. You Can't Judge A Book By The Cover / You Can't Catch Me
  10. 10. Can't Shake It
  11. 11. Sincerely

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