laut.de-Kritik
"Du meine Güte, wer ist denn dieser betrunkene Typ?" Na du, Elvis!
Review von Michael SchuhMan tritt Elvis Costello sicher nicht zu nahe mit der Feststellung, dass seine Karriere in keinem direkten Zusammenhang mit dem Aufstieg des Mediums Musikvideo steht. Er selbst sieht das durchaus ähnlich, was seine selbstironisch-bissigen Kommentare belegen, die man zu allen 27 Videoclips als Untertitel hinzuschalten sollte, um das Amüsement zu steigern.
Während Costello in England seit 30 Jahren nahezu kultisch verehrt wird und Nick Hornby sich für den Titel seines berühmtesten Romans aus Costellos Song-Repertoire bediente, kam der Brillenträger in Deutschland nie zu dem Ruhm, den Zeitgenossen wie Paul Wellers The Jam oder David Byrnes Talking Heads bis heute genießen, obwohl auch er in seine Songs seit jeher so viel Melodie steckte, dass er nur schwer als Punkrocker durchging. Die vorliegende DVD zeichnet nun erstmals all seine Videoclips von den frühen Radar Records-Experimenten bis zu seinen Warner-Arbeiten im Stile einer Best Of nach und ist somit für Fans und Neueinsteiger gleichsam interessant.
Nebenbei ist "The Right Spectacle" natürlich ein umwerfender Titel für die Clipsammlung eines Mannes, dessen optisches Erscheinungsbild sich bislang nur Weezer-Nerd Rivers Cuomo nachzuahmen traute. Als künstlerisches Spektakel geht die Aneinanderreihung der Videos indes nicht durch. Wie so viele Bands der Punk/New Wave-Generation standen auch Costello und seine Attractions den bildhaften Forderungen der MTV-Ära zunächst eher hilflos gegenüber.
"Du meine Güte, wer ist denn dieser Typ?", fragt Costello beim Anblick seines eigenen Antlitzes im '78er Video zu "(I Don't Want To Go To) Chelsea" launig, wo er mit seinen drei Kumpels einen Playback-Auftritt für die Clip-Kamera abliefert, "meistens betrunken" (Costello). Wie auch in den anschließenden zehn bis zwölf Videos. Einzige Veränderung: die Locations. So tanzt Costello mal vor einem übergroßen Transistorradio in "Radio Radio", mal am Strand von Vancouver in "(What's So Funny 'Bout) Peace, Love And Understanding", auf Hawaii in "Oliver's Army" oder sogar in der Villa des Schauspielers Curd Jürgens in Südfrankreich ("I Can't Stand Up For Falling Down").
Sind gerade mal nicht die Stamm-Instrumente bei der Hand, begnügt sich Drummer Pete Thomas mit Ölfässern oder Keyboarder Steve Nieve greift zur Ukulele. In den 80ern kam man scheinbar mit allem durch. Einzig "Accidents Will Happen" von 1979 zeigt anhand rühriger Retro-Computergrafiken bereits sechs Jahre vor A-has animiertem "Take On Me"-Video, wohin die Reise in den bunten 80ern gehen wird. Dass auch Costello seinen Spaß an der Retrospektive hatte, belegen seine spöttischen Audio-Kommentare, die vor allem den modisch stets übermotivierten Attractions-Keyboarder Nieve treffen.
"New Lace Sleeves" (1981) zählt zu den wenigen anspruchsvoll in Szene gesetzten Clips, was natürlich auch an der s/w-Ästhetik liegt, die hässliche Zeitgeist-Verfehlungen kaschiert. Mitte der 80er Jahre erlahmt Costellos Arbeitstempo etwas, 1989 darf er mit der Comeback-Single "Veronica", die gemeinsam mit Paul McCartney entsteht, sogar einen MTV Video Award entgegen nehmen, eine zuvor schier undenkbare Auszeichnung. 1991 trägt Costello plötzlich ein neues Brillengestell, Bart und lange Haare, was seinerzeit ja durchaus als chic galt, den Verkaufszahlen seines Albums "Mighty Like a Rose" aber auch nicht auf die Sprünge half.
Abgerundet wird die DVD sinnvollerweise mit ein paar verschollenen Live-Auftritten der Band, wo die Kunst Costellos eher zur Geltung kommt als in der Bluebox. Am schönsten sicherlich der Rock'n'Roll-Auftritt auf dem holländischen Pink Pop Festival 1979, wo er im pinkfarbenen Anzug aufläuft. Wieso Peter Tosh an jenem Tag trotz harter Konkurrenz von The Police und den Dire Straits Headliner war, ließ sich schon damals nur mit dem Wissen um holländische Alltagsgepflogenheiten erklären, witzelt Costello. Leider überlebte von seiner "Alison"-Performance (aus dem großartigen '77er-Debütalbum "My Aim Is True") nur ein kleiner Ausschnitt die Zeit, zumal es den ersten TV-Auftritt Costellos darstellt, dafür sind "No Dancing" und "Lip Service" vollständig. Zusammen mit der Konzert-DVD "Live In Memphis" sind Costello-Fans dieses Jahr wahrlich reich beschenkt worden.
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