laut.de-Kritik
5 Stunden und 40 Minuten: Wo ist der "Gefällt mir"-Button?
Review von Michael Schuh"Before Elvis there was nothing" ist ein berühmtes Zitat von John Lennon. Warum das so ist, lässt sich zu jedem runden Geburtstag an neuen Compilations oder Memorial-Boxsets ablesen. Im Gegensatz zu Lennon, der gerade 70 Jahre geworden ist, geht Elvis zwar steil auf die 76 zu, aber wofür gibt es Weihnachten?
Zu diesem Anlass erfinden irgendwelche fehlgeleiteten Industrie-Magnate sogar Veröffentlichungen wie kürzlich "Viva Elvis - The Album", wo Elvis-Songs krampfhaft und grausam mit Punk- und Hip Hop-Beats gemischt werden.
"From Nashville To Memphis - The Essential 60's Masters" ist eines der weniger ärgerlichen Re-Releases. Im Original bereits in den frühen 90er Jahren erschienen und längst vergriffen, sind hier auf fünf CDs 130 Songs in Remasters-Qualität versammelt, die der King zwischen 1960 und 1969 in Memphis und Nashville aufgenommen hat.
Umfassender gehts eigentlich kaum, mag man sich denken, und liegt doch weit daneben: Nicht auf dem Boxset gelistet sind nämlich all seine religiösen Gospels dieser Ära, sein TV-Special von 1968, seine Las Vegas-Aufnahmen von 1969 und sämtliche Soundtrack-Beiträge.
Stattdessen bekommt man neben einigen bekannten Songs ("His Latest Flame", "I Gotta Know", "Are You Lonesome Tonight?", "Suspicious Minds") glücklicherweise auch haufenweise eher unbekannte Nummern vorgesetzt, die die Faszination des Rock'n'Roll-Phänomens weiter lebendig halten.
Dazu gehören für die einen Presleys zügellose Rockabilly-Hits der frühen 60er, für die anderen seine immer schwülstiger und bombastischer gestalteten Balladen der Spätphase. Beiden Anhängern wird das Boxset ausufernd gerecht.
Am meisten Spaß machen naturgemäß die fast vergessenen Schätze, derer man in diesem Wust an Tracks nur mit der Geduld eines Archäologen habhaft wird. Das herrliche Peggy Lee-Cover "Fever" etwa, Hank Snows "I'm Moving On", "Witchcraft", "Night Rider" oder der Pogo-Anwärter "Guitar Man".
Neben der schönen musikalischen Zusamenstellung muss auch das Booklet erwähnt werden, in das neben Fotos und Aufnahmeinfos auch ein Essay des einzig wahren Elvis-Biografen Peter Guralnick Eingang fand. 5 Stunden und 40 Minuten dauert die Tour de Force, danach ist man wieder 100 Prozent Presley-Follower. Wo ist noch mal der "Gefällt mir"-Button?
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