laut.de-Kritik

Dr. Eno und Mr. Hyde erschaffen eine wahre Rhythmusorgie.

Review von

Jede neue Eno-Platte ist ein Ereignis. Diesmal schließt er sich mit Karl Hyde zusammen, Roxy Music trifft auf Underworld. Von Enos alter Glamtruppe ist neben vielen weiteren Gästen auch Andy Mackay am Alto-Sax vertreten. Die Fusion klingt so harmonisch und seelenverwandt, als spielten Eno und Hyde bereits seit Jahrzehnten zusammen. "Someday World" ist trotz der beachtlichen Werke "Small Craft On A Milk Sea" und "Lux" das beste Eno-Album seit vielen Jahren und erinnert spirituell auf angenehme Art an Enos frühe Solowerke "Here Come The Warm Jets" (1974), "Taking Tiger Montain" (1974) und "Another Green World" (1975) - minus Kajalfaktor.

Doch diesmal ist alles ganz anders. Die aktuellen Stücke bieten weder Klanginstallationen des Godfather of Ambient noch fragmentarische Instrumentalskizzen. Auf "Someday World" regiert der totale Rhythmus, schwelgende Harmonien und betörende Melodien. Alles lecker dynamisch in Szene gesetzt zu einem wundervoll fordernden Popalbum, dem sicherlich auch Fans von Steven Wilson oder neuerer Frusciante-Werke etwas abgewinnen könnten.

Ohnehin ist Brian Eno immer dann besonders gut, wenn er einen kreativen Partner auf Augenhöhe neben sich weiß. Der bisherige Höhepunkt solch songorientierter Kollaborationen war das großartige "Wrong Way Up" (1990) mit John Cale. Doch Karl Hyde kann hier locker mithalten. Seine prägnanten Vocals stempeln sich charismatisch ins Gesamtkonzept. Hinzu kommt der für ihn typische Pop-Flow, der den Tracks eine gewisse Luftigkeit verleiht.

Fundament jedes Songs ist ein sogenanntes Reickuti, eine Art polyrhythmische Grundierung Enos, die auf der flirrenden Verschmelzung Steve Reichs mit Fela Kuti basiert. Derlei Ideen von Dr. Eno sind natürlich ein gefundenes Fressen für Mr. Hyde. Gemeinsam erschaffen sie eine wahre Rhythmusorgie. Gern wild und oft in alle Himmelsrichtugen gleichzeitig strebend.

Dabei gelingt beiden das Kunststück, trotz unzähliger Einzelpfade immer wieder ein prächtiges Gesamtbild zu zeichnen. So schillernd wie buntes Glas, so strahlend wie ein akustisches Tor aus der Finsternis hin zum Licht. Egal ob man "Daddy's Car" oder "A Man Wakes Up" nimmt. Fast allen Liedern hört man recht deutlich an, was Kollegen wie Bowie oder die Talking Heads Brian Eno musikalisch verdanken.

Inmitten der ganzen Superlative zeichnen sich drei Songs als Höhepunkte ab. Der perfekte Opener "The Satelites" glänzt mit wehenden Elektro-Fanfaren und schick rockendem Riff. Dazu Hydes berückend hymnische Gesangsmelodie. "Strip It Down" wartet mit fröhlichem Pianothema auf und kontrastiert selbiges mit beschwörenden Vocals. Herrlich wie ein Teil der Instrumente das gesungene Thema mittendrin aufnimmt, ohne den Rhythmusteppich aufzugeben.

Das sanfter pulsierede "Mother Of A Dog" erinnert in seiner 80er lastigen Poppigkeit gar ein wenig an Hydes unterschätzte Band Freur ("Doot Doot") aus Prä-Underworld-Zeiten. Am Ende dieser intensiven Lieder hängt man einmal mehr an Enos Plattennadel. Weiterhören mit dem intensivsten Eno-Song aller Zeiten: "The Fat Lady Of Limbourg" von 1974.

Trackliste

  1. 1. The Satellites
  2. 2. Daddy's Car
  3. 3. A Man Wakes Up
  4. 4. Witness
  5. 5. Strip It Down
  6. 6. Mother Of A Dog
  7. 7. Who Rings The Bell
  8. 8. When I Built This World
  9. 9. To Us All

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9 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Natürlich kann ich nicht immer alles nach einmaligem hören beim Plattenhändler einordnen, aber ich kann meist schon recht deutlich erkennen, was mir gefällt, womit ich mich näher befassen möchte und womit nicht. Hier hat es einfach nicht gezündet. Diese Kombination liegt mir nicht. Dann gönne ich mir lieber noch mal Discreet Music.

  • Vor 9 Jahren

    jedermanns ding ist das natürlich nicht. das verstehe ich schon. die obig erwähnten ersten drei platten von eno kann ich auch nur jede ans herz legen.

  • Vor 9 Jahren

    ist so ein typisches "entweder es packt dich völlig, oder es lässt dich völlig kalt"-album. mich hat es gepackt. schon die tatsache, dass ich völlig andere lieblingstracks als der rezensent hier habe ("who built this world", "who rings the bell", und v.a. das geniale "witness"), zeigt ganz gut, dass dieses album wohl bei jedem anders ankommt.