laut.de-Kritik
Slowhand auf dem musikalischen Olymp. Für Genießer.
Review von Linus SchwankeSo gut wie jeder anspruchsvolle Act hat seit 1967 seinen Auftritt auf dem legendären Montreux Jazz Festival. Denn jeder weiß, worum es geht, wenn sich die ganz Großen der Musikszene am Genfer See versammeln und etliche Tage die Ohren und Augen der bis zu 200.000 Besucher verzaubern. Hatte "Montreux" 1977 eine Rekorddauer von über drei Wochen erreicht, erstreckt sich das Festival heute auf durchschnittlich 16 Tage.
Seit einiger Zeit gibt es - wen wundert's - eine DVD-Reihe, die die schönsten und legendärsten Gigs des Festivals, teils gut gemastert, wieder ins Heimkino holt. Von Mike Oldfield bis Lou Reed, von Rory Gallagher bis Miles Davis & Quincy Jones. Die Liste ist inzwischen lang.
Nun wurde auch Eric Claptons Name in diesen DVD-Himmel gemeißelt, mit einem fesselnden Gig im Sommer 1986. Nicht, dass Clapton ein seltener Gast am nordöstlichen Ufer des Lac Léman gewesen wäre - das Konzert jenes Jahres ist jedoch recht bemerkenswert, denn hier besteht die Combo nicht aus den heute üblichen anderthalb Dutzend Musikern, sondern aus genau vier Leuten: Einem Quartett mit Eric Clapton (E-Gitarre, Vocals), dem Bassisten Nathan East, Toto-Keyboarder Gregg Phillinganes und (Trommelwirbel ...) Phil Collins am Schlagzeug! Es handelt sich also um den harten Kern der Musiker, die hinter der Platte "August" - produziert von Tom Dowd und ... richtig, Phil Collins.
Inhaltlich ist auf der Montreux-DVD all das geboten, was man als Clapton-Fan und Purist erwartet: von "Crossroads" bis "Layla", von "I Wanna Make Love To You" bis "Cocaine". Auch "I Shot The Sheriff" und "Let It Rain" fehlen nicht. Eben Clapton pur. "Crossroads" zeigt sich in einer eher behäbigen Version, bei "I Wanna Make Love To You" lässt Eric den Lässigen raushängen: Er lässt es so routiniert vom Stapel, als binde er sich nur die Schuhe zu.
Wobei Clapton in Fachkreisen nicht einmal zu besten Gitarristen der Geschichte zählt. Aber zu denen, die ihr Können erfolgreich zu Markte trugen, und es immer noch tun. Bei diesem Gig aber erwischt man ihn mit ausgesprochen guter Spiellaune.
Phil Collins wiederum hatte damals noch volleres Haupthaar. "Wer ist das?" mag sich '86 noch so mancher Mensch gefragt haben. In Montreux sitzt er an den Drums der Clapton-Combo, zeigt aber hier bereits einen Ausbruch vom Schemel, indem er seinen bis heute berühmten Song "In The Air Tonight" in den Schweizer Himmel singt. Collins setzt sich lässig auf eine Box und singt. Das Schlagzeug bleibt unbesetzt, die akzentuierten Drums kommen aus der Soundmachine! Ein Tribut an jene Zeit der 80er, in der synthetische Töne vollends ihren Einzug in Rock- und Popmusik feierten. Das galt als ausgesprochen innovativ und schick. Auch hier werden wir also Zeitzeuge einer epochalen Veränderung. Das ist Musikgeschichte zum Anfassen, Leute!
Sound und Bildqualität der DVD gehen in Ordnung. Ein gewisses Grundrauschen hält sich in Grenzen. Konnte man beim Klang mit heutiger Technik sicher noch nachbessern, so war das bei der Kameraführung natürlich nicht möglich. Schade, denn man sieht so gut wie nichts vom Publikum, und auch die Perspektiven auf die Band sind extrem statisch. Nicht zu ändern, sage ich mir. Aber die Hauptsache kommt ja rüber: Ein eingespieltes Quartet von Profis sowie die Blüte eines Clapton, der in bester Motivation die bekanntesten Werke seines Repertoires vorbringt.
Die Ausstattung der DVD ist nach heutigen Gesichtspunkten mager: Sehr knappes Booklet, Standard-Plastikbox - wer auf Bonus-Material spechtet, guckt in die Röhre. Dafür ist "Live At Montreux 1986" in jeder Hinsicht ein Highlight der Geschichte, zugleich ein Genuss für die verwöhnten Ohren und Augen derer, die diese Zeit erlebt haben und wissen, wie fein recht ausgekochter Bluesrock sein kann.
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