laut.de-Kritik
Deutschrock ist peinlich? Dass ich nicht lache!
Review von Kai ButterweckSeit November 2012 beschäftigen sich Smoke Blow-Hardliner intensiv mit dem Erbe von Depeche Mode, David Bowie, Udo Lindenberg, Danzig und Black Sabbath. Dabei steht jedoch nicht das jeweils einzelne Schaffen besagter Bands und Künstler im Vordergrund, sondern der Mix, der entsteht, wenn man die Fundamente jener Klang-Heroen fein säuberlich übereinander stapelt.
Der Grund für derart anspruchsvolle Sound-Puzzleleien war die Veröffentlichung von Jack Lettens erster Solo-Single "Chrom", sowie die Ankündigung des ehemaligen Krawallo-Frontmanns, eben genau jene Mixtur auf seinem Longplay-Debüt perfektionieren zu wollen.
Ein halbes Jahr später konnten viele Fans beruhigt aufatmen, denn was zunächst große Sorgenfalten entstehen ließ, erntete im Juni 2013 in Form der "Kapitän"-EP flächendeckenden Applaus. Dieser Tage lässt Jake Letten alias Erik Cohen unter der "Nostalgie Für Die Zukunft"-Flagge nun endlich das komplette Schiff von der Leine.
Im Windschatten der beiden bereits auf der EP enthaltenen Songs "Chrom" und "Kapitän" dreschen hier zehn weitere Songs unermüdlich auf das nur noch schwach schlagende Deutschrock-Herz ein, damit das Organ endlich wieder mit dem Zusatz "Pumpe" wummern kann.
Einer dieser Songs hat einen Weltall-Touristen im Gepäck – ein flirrender Stratosphären-Held mit krachenden Breitwand-Wellen auf den Ohren und David Bowie-Shirt unter dem widerstandsfähigen Michelin-Ganzkörperanzug ("Kosmonaut").
Ein anderer karrt Grönemeyers "Bochum"-Herzblut an die Kieler Bucht und verneigt sich vor Kränen, Schwänen und grauem Beton ("Dirigenten"). Ähnlich emotionsgeschwängert flattern zerschlissene Segel träge im Wind, während sich Cohen in der Kajüte eines Dreimasters eine Selbstgedrehte anzündet ("Segeln").
Zwischendurch schieben sich immer wieder reichlich Hall und voluminöse Gitarrenspuren über die unruhige See. Die strukturelle Melange aus atmosphärischen Harmonien à la Depeche Mode und tiefem Rock-Handwerk im Stile der allesfressenden 70er-Klang-Dinos sorgen derweil für jede Menge Schmalz auf der rostigen Kombüsen-Pfanne.
Etliche Meilen weiter unten taucht der Verantwortliche mit Kraken, Walen und Ungeheuern um die Wette. Keyboard-Flächen, die in den Achtzigern aus jedem Kofferradio schallten, und treibende Arena-Riffs begleiten den Sänger auf seinem Weg in die Tiefe ("Licht").
Zurück an der Oberfläche werden Erinnerungen wach. Das Band wird zurückgespult. Alles auf Anfang. Mit Danzig im Herzen und Memoiren im Kopf dreht Erik Cohen die Zeit zurück ("Wölfe"). Deutschrock ist peinlich? Deutschrock ist tot? Dass ich nicht lache!
4 Kommentare
4 punkte trifft den nagel auf den kopp.schönes teil
musikalisch interessante ansätze für's erste.
texte deutsch und geradeaus. aber steigerungsbedürftig.
ob die mit der alten schrottkiste bis nach berlin zur columbiahalle kommen ? immer mal frische luft schnappen zwischendurch.
geiles teil, da stimmt einfach alles, texte und musik sind der absolute wahnsinn & man entdeckt bei jedem hören noch etwas neues (ich hab sie direkt am release tag gekauft, seitdem so ca. 7 mal komplett durchgehört und einzelne songs noch öfter)
persönlicher lieblingssong is bei mir 'dirigent', irgendwie löst der bei mir totales herzrasen inklusive gänsehaut aus, funktioniert auch super als wecker
fazit: geniale platte, der gerne mehr folgen dürfen!
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