laut.de-Kritik
Deutschrock geschüttelt und durchmischt.
Review von Yan TemminghoffDie Hand voll macht Smoke Blow-Fronter Daniel Geiger mit seiner Solo-Inkarnation Erik Cohen. "True Blue" bringt mehr Melodie und Farbe ins Spiel als das grau-schattierte Vorgängerwerk "Northern Soul". Der fünffache Familienvater singt beim Barte des Proleten von der alten Hood, der rauen See und ein wenig Fußball und gießt seine Beobachtungen in hemdsärmeligen Rock, der um eine markige Hook keinen Umweg macht. "Reeperbahn, ein Leben lang" könnte so auch von Schiller stammen.
Spaßige Hosen-Vibes pulsieren im feucht-fröhlichen "Club Pinasse". Captain Hook auf rauer See übernimmt in "Reeperbahn", das gleichzeitig als Soundtrack einer ARD-Serie über Hamburgs sündige Meile fungiert. Gitarrist Späthi überzeugt mit seiner sechs Saiten-Sprache, die The Cult, The Police und Harfenkanten-Blues wie die Hardrock-Rampe verinnerlicht hat.
Klar gibt es die in der eigenen Sozialisation internalisierten NDW-Momente und gerade die Stimme ist mit reichlich Hall staffiert. Die Achtziger zeigen sich insbesondere am Synthie-Firmament. "True Blue" führt die Weniger ist Meer-Mentalität sowie die englische Betitelung des Vorgängers "Northern Soul" weiter. Blau ist das Wasser und der Herr am Abend, das wusste schon Heino.
"Gelsenkirchener Barock" ist eine Coming Of Age-Hymne, perfekt platziert als Opener und trägt die modische Sünde der monströsen Schrankwand im Titel. Schön auch die Textzeile "Im Nebel der Zeit, wasted every night", die von zahlreichen Abstürzen kündet.
"Trucker" brummt im Midtempo über schlecht beleuchtete Straßen und hat seinen Falco studiert. "Out Of The Dark" lässt grüßen. "Malaria" hüllt sich in ein New Wave-Gewand und punktet in der visuellen Umsetzung mit einem Comic-Video, in dem Die Ärzte-Nachtschwärmer Bela B. die Hauptrolle spielt.
Subkulturen und Zusammengehörigkeit sind die Kernthemen im sphärischen "Niemals Allein". Die Himmelsdecke in textlicher Hinsicht sowie der flankierende Hammer-Hook durchstößt "Orion". Hier brilliert Späthi im Refrain mit einer Mischung aus Riff und Melodie, die sowohl den Text trägt als auch die Ohrwurmqualität bereichert.
Der Titeltrack ist hingegen eine hartmetallische Angelegenheit. Hier findet ein interessantes Wechselspiel aus eruptischen Shouts von Cohen und coolen weiblichen Backings statt. Das verträumte Panorama des Artworks entpuppt sich beim genauen Hinsehen als Metallpalmen, die die Hafencity zieren. Weiche Schale, harter Kern.
Der erdverbundene Rock von Daniel Geiger treibt das Spiel mit der Achtziger-Schminke und schmissigen Singalongs auf True Blue zur Meisterschaft. Möge die Nacht mit ihm sein.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Würden die Onkelz solchen Deutschrock machen wäre hier jeder Fan.
Bin nicht so großer Fan von seinen Solo Sachen, von der äh Ex-Hauptband(?) umso mehr und der ist allein schon von seiner Attitüde auf nem ganz anderem Level als dieses weinerliche Rookies&Kingz Arschlochkonsortium.
Dieser Kommentar wurde vor einem Jahr durch den Autor entfernt.
Wenn ich noch EIN Musikvideo oder Plattencover am fuckin Park Fiction sehe, schlag ich irgendwas kaputt.