laut.de-Kritik
So groovt Südamerika.
Review von Daniel StraubJetzt, wo der Ernesto Ferreyra auf Lucianos Label Cadenza sein Debüt veröffentlicht, richten sich die Augen und Ohren der Techno-Community auf ihn. Dabei gerät gerne in Vergessenheit, dass es sich bei dem Argentinier um alles andere als einen Newcomer handelt.
Seit mehr als fünf Jahren veröffentlicht er auf Top-Labels und wechselt alle paar Jahre gerne mal seinen Wohnsitz. Die Stücke von "El Paraiso De Las Tortugas" sind mitunter nicht mehr ganz taufrisch. Das merkt man ihnen aber zum Glück nicht an. Ferreyra zielt mit den zwölf Tracks direkt auf den Tanzmuskel.
Ein schöner Kontrast zum ansonsten doch recht kopflastigen Minimal-Sound, den Luciano zum Markenzeichen seines Labels erhoben hat und dem der Großteil der Cadenza-Produzenten mehr oder minder einfallslos folgt. Ernesto Ferreyra zeigt da deutlich mehr Charakter.
Das mag daran liegen, dass Ferreyra schon vor seinem ersten Release auf Cadenza internationale Erfolge vorweisen konnte. An der Seite des Kanadiers Guillaume Coutu Dumonts lancierte er das erfolgreiche Projekt Chic Miniature. Sein alter Kumpel hat ihm nun auch bei einigen Tracks für das aktuelle Album mit Hand angelegt.
Das war notwendig, weil die auf "El Paraiso De Las Tortugas" versammelten Tracks über einen sehr langen Zeitraum entstanden sind. Manche bringens auf knapp zehn Jahre und sind Mexiko entstanden, andere einige Jahre später, als er in Montreal gewohnt hat. Die jüngsten Stücke schließlich stammen aus Berlin. Verbindendes Element bei Ernesto Ferreyra ist die Leidenschaft für geschmeidige Grooves mit einem Latin-Tribal-Einschlag. Am schönsten lebt er diese mit dem grazilen "Los Domingos Vuelo A Casa" aus.
Gerade hier merkt man Ferreyra sein auf vielen Parties geschultes Ohr an. Er folgt bei seinen Produktionen vollständig seiner Intuition für die Tanzfläche. Das mag "El Paraiso De Las Tortugas" zwar weniger ambitioniert erscheinen lassen, als so manches andere Album.
Gleichzeitig trägt es aber auch zum offenen und zugänglichen Charakter bei und strahlt südamerikanische Unbeschwertheit aus. Diese Platte fordert nichts von einem. Es genügt ganz einfach, sich dem hypnotischen Drive der zwölf Stücke hinzugeben.
Gleichwohl hört man Ferreyras erstem Album an, dass es ein Experte mit langjähriger Erfahrung im Tonstudio, produziert hat. Das analytisch geprägte Freude an der Suche nach Kniffen und Tricks im Sounddesign steigt aber niemals zum Selbstzweck auf, sondern bleibt nachgeordnet Im Vordergrund wollen die Tracks von Ernesto Ferreyra intuitiv erfasst werden. Schön, dass es so etwas noch gibt.
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