laut.de-Kritik

Post-rockige Übersetzung emotionaler Befindlichkeiten.

Review von

Zwei Gitarren, Verzerrpedale, Bass, Schlagzeug, ein Piano und der gänzliche Verzicht auf Gesang umschreiben das musikalische Schaffen dieses texanischen Quartetts. "All Of A Sudden I Miss Everyone" nennt sich das aktuelle Werk, das Explosions In The Sky in Reichweite ähnlich post-rockiger Combos wie Mogwai und Godspeed You Black Emperor! rückt.

Mit sechs Songs zwischen fünf und dreizehn Minuten Laufzeit kreieren sie eine cineastisch anmutende Klanglandschaft, die sich als Gesamtkunstwerk versteht. Jedes Stück entwickelt dabei einen individuellen und dynamischen Spannungsaufbau und sorgt für ein intensives Hörerlebnis, das unterschiedlichste Assoziationen evoziert. Explosions In The Sky spielen mit Kontrasten - laut/leise, langsam/schnell, bedrückend/hoffnungsvoll - was sich schon in Titeln wie "The Birth And Death Of The Day" oder "Catastrophe And The Cure" mitteilt. Höhen und Tiefen des Lebens und der emotionalen Befindlichkeit werden ausgelotet und beeindruckend in großflächige Instrumentalarrangements übersetzt.

Verzerrte Gitarren leiten den Opener "The Birth And Death Of The Day" ein und künden dämmernd den Tag an, der dann flockig von gezupften Gitarren begleitet wird, die sich steigern und schließlich mit dem Schlagzeugspiel eruptiv entladen, ehe wieder schleichend Ruhe einkehrt. "Welcome, Ghosts" tastet sich mit einer leichten, nebulösen Melodie voran, die als immer wiederkehrendes Motiv unterschiedlich instrumentiert ist und in einem furiosen Finale endet. Das dreizehnminütige "It's Natural To Be Afraid" startet klaustrophobisch dissonant, eine düstere Wand aus dumpfen Klaviertönen und Gitarren baut sich auf, Undurchdringbarkeit, die sich aber plötzlich lichtet und Platz macht für Trost spendendes, lichtdurchflutetes Gitarrenspiel. ´

Großartig, wie sich diese Szenerie donnernd zuspitzt und allmählich wieder zu sich selbst kommt. "What Do You Go Home To?" beginnt beengend mit hämmernden Klavierschlägen, gleitet dann mit sanften Gitarrenakkorden und einem wunderbaren Pianolauf über in eine wärmende Harmonie. Alles wird gut. Wie der Titel erahnen lässt, beginnt "Catastrophe And The Cure" mit geballter Schlagzeugwucht und verzerrten Gitarren. Aber die Heilung folgt in Form zwei sich harmonisch ergänzender Gitarren und einer überschwänglichen Inszenierung. Mit "So Long, Lonesome" endet das Album ungemein versöhnlich und irgendwie ist in den knapp 44 Minuten mein Leben an mir vorbeigezogen; wenn auch äußerst kompakt, so doch in allen Facetten.

Mit "All Of The Sudden I Miss Everyone" haben Explosions In The Sky" ein unglaublich eindringliches Album eingespielt, dessen Arrangements gleichermaßen handfest wie emotional sind und sich nie in einer wilden Kakophonie verlieren. Der melancholischen Grundstimmung steht die Schönheit des Klanges und die Hoffnung gegenüber, dass alles gut enden und der Bootsmann den Hafen doch sicher erreichen möge.

Das Werk wird jedem Hörer etwas anderes bedeuten, was damit zu tun hat, dass es ohne Gesang auskommt. Den braucht es auch nicht, weil es als instrumentales Monument seinen Sinn in sich selbst trägt und den Hörer verführt, seiner eigenen Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen. Und das ist allemal eine Erfahrung wert.

Trackliste

  1. 1. The Birth And Death Of The Day
  2. 2. Welcome, Ghosts
  3. 3. It's Natural To Be Afraid
  4. 4. What Do You Go Home To?
  5. 5. Catastrophe And The Cure
  6. 6. So Long, Lonesome

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17 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    @Falco: Ich will jetzt hier nicht jedes Album miteinander vergleichen, aber besser als das letzte ist es allemal. Der Rest ist erlaubt. ;)

    edit: Dieser Grammatik-Fehler fällt hier keihem auf? :eek:

    Das Opus...danke...

  • Vor 16 Jahren

    Wirklich großes Album, einer meiner Geheimtips. Alle sechs Songs sind wunderbar arrangiert, ich sehe sie eher als "Kunstwerke" an denn als Lieder, nicht zuletzt auch ob ihrer Länge. Und als ich das erste mal "What do you go home to?" anhörte musste ich ohne Scheiss beinah heulen (wohlgemerkt ohne persönlichen emotionalen Hintergrund); schlicht weil es so verdammt wunderschön ist. Bin wie gebannt dagelegen und war ganz benommen. Dieses Album geht unter die Haut...

    Da hätte man imo auch mal fünf springen lassen können... ok die Geschmäcker sind verschieden.

    €: Achja gehe demnächst auf deren Konzert in München :)

  • Vor 16 Jahren

    mein großer favorit ist ja "the birth and death of the day" (was ein titel).