29. August 2006
"Ich finde sogar Blumentopf gut!"
Interview geführt von Philipp GässleinWenn das größte Nachwuchstalent des Deutschraps gerade nicht die Schulbank drückt, tourt er wie besessen durch den heißen Festivalsommer, um seine zweite Platte vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit bekamen wir einen sichtlich ausgepowerten F.R. zwischen Gig und Heimfahrt vors Mikrofon.Tübingen, RACT-Festival. Der Samstag versprach von Anfang an, unter einem günstigen Hip Hop-Stern zu stehen. Als Abschluss dieser sportlichen Herausforderung auf dem so schönen wie beschaulichen Festivalgelände im Herzen der schwäbichen Studentenstadt brachten die Konzerte von Mike Crush, Youngster F.R. und Stuggys Finest Franky Kubrick das Hip Hop-Herz zum Bouncen. Zwischen solchen Namen auf einem prall gefüllten Umsonst & Draußen zu rappen und dabei noch eine verdammt gute Figur zu machen - für einen vitalen Sechzehnjährigen am schulfreien Wochenende kein Problem. Oder doch?
Während die Beats von der Bühne aus die Luft schwängern, spricht der Brauenschweiger mit laut.de backstage über Vergangenheit, Zukunft und elterlichen Support - nachdem sich die laut.de-Redakteure durch eine autogrammheischende Mädchentraube gekämpft haben.
Glückwunsch zunächst! Ich finde es erstaunlich, wie du in deinem Alter eine solche Masse von Menschen derart begeistern kannst, wie du eine solche Atmosphäre aufbaust. Seit wann gibst du Livekonzerte vor vergleichbar großem Publikum, und wann kam diese Selbstsicherheit?
Meinen ersten Auftritt hatte ich Ende 2003, mit 13. Der war damals eher ungewollt, ich wurde auf die Bühne gerissen. Es war eine kleine Jam damals, und ich habe nur gefreestylt, aber es war trotzdem eine harte Probe für mich. Danach kamen mehrere Auftritte auf ebenso kleinen Jams. Richtig Erfahrung sammeln konnte ich dann bei der Mundwerk-Tour, da sind wir überall aufgetreten, knapp 30 Konzerte. Manche in kleinen Jugenzentren, und dann als Höhepunkt natürlich das Splash! 2005. Aber bis die Selbstsicherheit kam, dauerte es eine lange Weile.
Gerade auf dem Splash standest du das erste Mal vor einem riesigen Publikum. Warst du da nicht wahnsinnig nervös?
Das war eigentlich witzig. Bevor ich auftrat, waren eigentlich gar nicht soo viele Leute vor der MZEE-Bühne. Samy trat kurze Zeit später auf der Hauptbühne auf, und ich dachte, mein Auftritt interessiert eh keinen. Also saß ich hinter der Bühne, habe total die Paras geschoben und war dann sehr geflasht, als ich raustrat und es standen doch eine Menge Leute da. Aber auch da war es wie bei jedem Auftritt: Sobald der Beat reinkommt, ist die Nervosität plötzlich weg.
Du fährst für ein Wochenende mit deinen Freunden nach Tübingen, um eine Show zu geben, und weißt nicht, wo du schlafen wirst, wie und wann du nach Hause kommst. Wie kommen deine Eltern damit klar? Du erwähnst ja auch in einem Track, dass sie sich Sorgen machen ...
Naja, ich würde sagen, sie haben sich daran gewöhnt. Ich mache das ja nun schon, seit ich 14 bin. Es stimmt, ich erwähne es in einem Track, aber eigentlich sind sie in dieser Hinsicht total tolerant. Sie wissen ja auch, dass ich immer vertraute Personen um mich herum habe, die zum Teil schon um einiges älter sind. Die sorgen schon dafür, dass ich nicht zu krass abgehe und nicht auf falsche Bahnen gerate (lacht). Meine Eltern kennen meine Freunde, und insofern ist das meistens alles chillig.
Haben deine Eltern dich supportet?
Na ja, was heißt supportet? Also in der Hinsicht auf jeden Fall, dass sie gesagt haben: "Mach dein Ding, wir setzen dir keine Grenzen." Ich kann insofern machen, was ich will, kann auf Auftritte fahren, also supporten sie mich schon in gewisser Weise. Aber ich habe ihnen noch nie einen Track von mir gezeigt oder so.
Du hast deinen Eltern noch nie einen Track gezeigt? Denkst du, sie würden wegen der rap-üblichen teils expliziten Lyrics an die Decke gehen?
(Grinst:) Nein, auf keinen Fall. Ich nehme an, die hören die Hälfte eh durch meine Wand, weil ich die Tracks ja bei mir im Zimmer aufnehme. Ich glaube, sie finden das schon alles okay.
"Eminem flasht mich!"
Ich fand es sympathisch von dir, dass du nach deinem Auftritt auch Applaus für die anderen Acts des Abends gefordert hast, Punk- und Rockbands. Welche Musik außer Hip Hop beeinflusst dich?Ich sage dir ganz offen, ich höre hauptsächlich Hip Hop. Nebenbei kann ich dir jetzt keinen bestimmten Act nennen, den ich speziell höre. Ich mag viele gesanglich interessante Gruppen wie zum Beispiel Xavier Naidoo. Ich bin nicht versteift auf Rap, aber ich kann im Gegensatz zu vielen anderen Rappern auch zugeben, dass ich hauptsächlich Rap höre. Die meinen ja immer, sie fänden alles außer ihrem Zeug scheiße und wollen sich nicht beeinflussen lassen. Ich halte es da mit Curse, der in "Zehn Rap-Gesetze" fordert: "Du musst Hip Hop lieben, als wärst du immer Fan geblieben." So ist es bei mir auch, ich checke jede Rapplatte.
Welche Acts aus den letzten Jahren, gerade aus dem deutschen Hip Hop, sind dir besonders ans Herz gewachsen?
Das ist eine gute Frage ... Klar, die großen Namen sowieso, die bleiben wohl bei jedem hängen. Curse, Samy, Savas. Aus der Undergroundecke auf jeden Fall Damian. Damian Davis aus Berlin, der ja auch auf meinem Album mit drauf ist. Das ist auch das einzige Feature, bei dem ich vorher überhaupt keinen Kontakt hatte und ganz gezielt versucht habe, ihn zu erreichen, weil ich von seinem Album "Kehrseite der Medaille" so geflasht war. Das ist meiner Meinung nach bis heute eines der besten Deutschrapalben überhaupt. Er hat mich als Künstler in den letzten Jahren am meisten beeindruckt, und deshalb bin ich froh, dass wir jetzt so viel zusammen machen.
Der nahmhafteste Featuregast auf deinem zweiten Album ist der Stuttgarter Franky Kubrick, gerade eben standest du mit ihm gemeinsam auf der Bühne. Wie kam es zum Kontakt mit ihm?
Franky habe ich mal in Paderborn bei einer Rec. On-Jam kennen gelernt. Wir hatten gerade unsere Alben rausgebracht, fanden den Stuff des anderen jeweils sehr cool, haben gelabert und uns gut verstanden. Wir haben uns dann von Brisk Fingaz Beats geholt, uns auf einen geeinigt und dann eben diesen Featuretrack aufgenommen.
Wie findest du sein Mixtape, das ja im gleichen Monat wie deine zweite Platte erschienen ist?
"Mein Moneyfest" find ich cool, auf jeden Fall! Ich muss sagen, sein Album ist schon was anderes, weil es mehr Inhalte transportiert und besser ausproduziert ist. Insofern gibt mir "Rücken Zur Wand" auf lange Zeit sicher mehr, aber das Mixtape hat definitiv krasses Niveau. Aber ich schätze Franky am meisten, wenn er Tracks mit Aussagen bringt, die sind auf dem Mixtape zwar vertreten, aber auf dem Album im stärkeren Maße.
Gutes Thema! Auch dein Album ist ja wieder vollgepackt mit Reflektionen, Gedankenspielchen zu fiktiven Situationen und ähnlich tiefgründigen Texten - und dann kommt ein Track wie "Sport" (die erste Single, Anm. d. Red.), ein hammerharter Battletrack. Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?
Sagen wir, ich bin einfach ein Allround-MC. Das war auf jeden Fall schon immer mein Anspruch. Ich will alles ausprobieren und Tracks produzieren, die mir Spaß machen, und ich habe halt an jeder Sparte Spaß. Wenn es mir scheiße geht, schreibe ich eher einen persönlichen, melancholischen Track, und wenn ich Lust habe, auf die Kacke zu hauen schreibe ich halt so was wie "Sport". Ich setze mir da keine Grenzen, ich überlege mir auch nicht vor einem Album, wie viele Tracks es von welchen Sparten beinhalten soll. Ich will immer das machen, worauf ich Lust habe, insofern entwickelt sich das von alleine. Ich will kein reiner Consciousness- oder Battle-MC sein, sondern alles machen.
Gibt es einen MC, der dich in dieser Hinsicht geprägt hat?
Ich bin auf jeden Fall ein großer Fan von den Eminem-Alben bis einschließlich der "Eminem Show". Die haben mich sicher geprägt; die Platten habe ich damals gehört, als ich noch keinen großen Plan hatte, und ich höre sie auch heute noch oft. Er ist der absolute Allround-MC meiner Meinung nach, weißt du? Er vereint einfach alles. Er geht krass erfolgreich ab, aber gibt sich superviel Mühe bei seinen Tracks, hat derbe Reime ... naja, flasht mich halt auf allen Bereichen, wie gesagt.
Du hast zunächst Fanta 4-Sachen gehört. Wenn du jetzt, aus Sicht eines gefragten MCs der deutschen Rapszene, diese Gruppe bewerten solltest - sind das wichtige Urväter des deutschen Sprechgesangs oder doch nur Popclowns, wie ihnen immer wieder vorgeworfen wird?
Oh. Naja, ich habe die Platten schon ewig nicht mehr gehört, muss ich zugeben. Viele denken, ich hätte wegen den Fantas begonnen zu rappen, aber das stimmt nicht. Sie waren für mich halt der allererste Kontakt mit Hip Hop. Damals habe ich mir die Alben von denen gekauft und fand die Musikrichtung halt cool. So richtig mit Rap befasst habe ich mich aber erst später, als der Internetzugang kam, weil ich da so viele Künstler kennengelernt habe, die heute nicht in den Medien stehen. Insofern kann ich nicht viel dazu sagen, ich habe zum Beispiel ihr neuestes Album auch noch gar nicht gehört. Ist sicher schade, dass ich mir den Kram seit der Grundschule kaum noch reingezogen habe, weil es sicher interessant wäre, wie er heute auf mich wirkt.
"Die Schule abbrechen? Niemals!"
Kleines Gedankenexperiment: Du bist 17, 18 Jahre alt, bringst dein drittes Album raus, die erste Single explodiert förmlich und setzt die totale Promomaschinerie in Gang, vergleichbar mit Sidos "Mein Block" oder ähnlichem. Hast du dir schon Gedanken gemacht, wie du mit so etwas umgehen würdest?
Klar habe ich viel darüber nachgedacht, auch auf dieses Album bezogen schon. Was wäre, wenn ich jetzt bei einem Majorlabel wäre, wenn ein Track dick charten würde ... Gerade beim Auftritt vorhin hast du ja die kreischenden Mädchen in der ersten Reihe schon gesehen. Aber ich will auf jeden Fall nie ein MC werden, zu dessen Konzerten nur noch Leute kommen, die als Fans nicht so wirklich ernst zu nehmen sind. Deshalb bin ich über meinen Status gerade sehr froh. Ich hab ja sowieso schon ein Image, das ich selbst überhaupt nicht kreiert habe, weißt du? Die Leute sehen in mir den jungen Rapper, das ist okay. Aber mir ist es wichtig, da nicht selbst noch zusätzlich drauf rumzureiten und es marketingtechnisch auszuschlachten. Das wäre auf jeden Fall ein großer Fehler, ich finde, die Leute sollen sich selbst eine Meinung bilden. Auf die Zukunft bezogen denke ich natürlich auch darüber nach, was für ein Format ich rausbringen werde. Ich will auf keinen Fall wieder zwei Jahre Pause machen bis zu meiner nächsten Veröffentlichung. Aber in welche Richtung das gehen soll, weiß ich noch nicht. Also in den Medien stehen ... will ich schon, eigentlich, natürlich will ich mit dem dritten Album einen Schritt weitergehen als mit dem letzten und keinen Stillstand haben. Von "Mundwerk" zu "Mitelweg" war es nicht nur musikalisch sondern auch geschäftlich eine krasse Steigerung, und das will ich auf jeden Fall auch so weiterführen.
Du bist noch in der Schule und hast vor, dein Abitur zu machen. Wäre es, rein hypothetisch, eine Option, bei ausreichendem kommerziellen Erfolg die Schule abzubrechen und dich ganz auf das Rapding zu konzentrieren?
Nein, gar nicht, also wirklich überhaupt nicht. Die Schule abzubrechen, wäre das Letzte, was ich tun würde. Ich bin so ein Typ, der sich auch für die geschäftlichen Sachen interessiert, für die ganze Musikindustrie. Und man sieht viele, die alles auf eine Karte setzen. Die wiederholen dann auch immer in ihren Tracks, dass das nun ihre letzte Chance ist, dass das Geld her muss und so. So will ich auf keinen Fall enden, ich will auf jeden Fall immer etwas Sicheres in der Hand haben, auch wenn es mit dem Rap nicht klappt. Deswegen stehen Schule und Abitur im Vordergrund, vielleicht später auch noch studieren, das weiß ich noch nicht. Aber auf keinen Fall eingleisig fahren - halt auf jeden Fall den "Mittelweg" finden (grinst). Ich will halt das machen, was mit Spaß macht, aber auch das, was mich in der Zukunft absichert, deshalb würde ich die Schule auf keinen Fall abbrechen, egal was kommen mag, auch dann nicht wenn Universal mir die Möglichkeit gibt, ein Album mit drei Singles zu droppen.
Hast du diesbezüglich ein Vorbild in der deutschen Rapszene? Jemand, von dem du sagst: Der hat es richtig gemacht, so würde ich das auch angehen?
Es ist schwer, denn das hat ja auch viel mit dem Alter zu tun. Ich kenne keinen, der mit 18 sein drittes Album draußen hatte und vor der Wahl stand. Daher habe ich da kein konkretes Beispiel ... Aber karrieremäßig finde ich sogar Blumentopf ganz vorbildlich. Die schaffen es regelmäßig, auf ihren Touren Hallen zu füllen, aber ich glaube, das sind trotzdem Typen die in ganz Deutschland rumlaufen können und keine Sau erkennt sie. Im Gegensatz zu Savas oder so, und das finde ich geil. Ich merke halt an mir, dass es nicht wirklich mein Ding ist, von allen erkannt zu werden und Autogramme zu schreiben und so eine Scheiße. Ich will meine Musik machen, natürlich auch viele Käufer haben und so weiter, aber so wie bei Blumentopf wäre es glaube ich für mich optimal - auch wenn es sehr schwer umsetzbar ist.
Du hattest die Möglichkeit, dein Album auf einem Majorlabel zu veröffentlichen, oder ...?
Naja, sagen wir so: Wir wollten abchecken, wie wir die Scheibe vertreiben, und standen da auch im Kontakt mit manchen Majors. Aber wir haben schnell gemerkt, dass das nicht vereinbar ist mit der Strategie, die wir fahren wollen. Das kann man ihnen auch nicht übel nehmen, die wollen halt ordentlich Kohle reinpumpen in Promotion und so, um dann auch wieder Kohle rauszubekommen. Und diese Art der Vermarktung wollten wir halt nicht. Deshalb haben wir das nicht gemacht.
Danke für dieses Gespräch und gute Heimfahrt.
Ich danke für das Gespräch!
Noch keine Kommentare