laut.de-Kritik

Anlasslose Schmähungen treffen auf anregende Sounds von DJ Ilan.

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"Irgendwann ist irgendwann doch niemals." So richtig platzen will der Knoten bei Fäbson nicht. Obwohl er bereits auf fünf Alben mit namhafter Unterstützung zurückblicken kann und auf "Visionär" erneut "große Ziele" ausruft, versäumten es I Luv Money Records bislang stets, den enthusiastischen Düsseldorfer ins rechte Rampenlicht zu rücken. Für böse Worte ist der Rapper freilich viel zu loyal, schließlich führe er "keine Rosenkriege". Doch wirklich verlassen kann er sich einzig auf DJ Ilan, der sein Patentrezept aus der Frühphase von Fler, Hengzt und Bushido in die Trap-Ära überführt.

Versonnen steigt der sträflich unausgelastete Produzent mit dem "Intro" ein, bevor er mit einem Neonlicht-Instrumental in die nächtliche Seitengassen von "Visionär" entführt. "Moonrocks" klingt, als schweife der bedauernde Blick über zerstörte Landschaften. "Plus" fängt die retrofuturistische Aura früherer Dystopien ein. Und auch "Grauzone" stimmt ein Klagelied an. Dagegen lässt es DJ Ilan im "Sternbild" Orion flirren, während er mit Akustikgitarre in "Mis En Place" zur Reflektion einlädt. Mit Fäbson schreitet er schließlich erhaben durch den Spiegelsaal des "Château Versailles".

Allzu oft verfehlen die anregenden Produktionen leider ihre Wirkung auf den Hauptdarsteller. DJ Ilan taucht "Architekt" in eine mystische Atmosphäre, die auch Fäbson wie Prinz Pi in seiner Horror-Show-Phase zu bedienen versucht. "Ich bin der Schöpfer, der Architekt, der Gott der Götter", plustert er sich standesgemäß auf, um auch ungleich größere Namen auf die Plätze zu verweisen: "Kanye West ist overhyped. Ich hab's prophezeit." Zugleich leistet er sich direkt danach selbst einen Ausfall à la Ye: "Deutschrap ist schwul wie Klaus Wowereit." Für eine ähnliche Line schämte sich Sido schon vor 20 Jahren.

Fäbson wählt einen alternativen Weg, der immer wieder sauer aufstößt. "Wenn ich will, bin ich asozial", warnt er in "Undercut" die "Hippie-Schwuchtel-Gang" und "Fotzen", die ihm in die Quere kommen. "Du bist nichts, nur 'ne Schwuchtel in Brautmode", schmäht er seine Gegner in "Grauzone". Wenn es sein muss, ruft er ihnen beherzt "Zigeuner" entgegen. Natürlich sollte sich gerade der Deutschrap nicht darauf versteifen, auf politische Korrektheit zu bestehen, doch die ansatzlosen Herabsetzungen irritieren und wirken für einen selbsterklärten "Visionär" auffällig gestrig.

Fast erscheint es so, als ergebe sich Fäbson einem imaginierten Gruppenzwang seiner Berliner Vorbilder und seines heutigen Rap-Partners King Orgasmus One. "Deutscher Rap steht für Härte und keine Scherze", erklärt er in "Autopsie" seinem französischen Gast Sizlac. Umgehend müsste darauf Marsimoto sein "Grünes Haus" für eine Gegendarstellung verlassen: "Es gibt kein' Gangster, der keine Witze kennt." Doch im Grunde weiß es der Düsseldorfer auch selbst besser, wenn er in "Sternbild" betrübt feststellt, dass es "nur noch um Härte, um viel Geld und weniger um Werte" gehe.

Auf besagte Werte und seine eigenen Themen sollte er sich konzentrieren, statt die Liste vermeintlicher Straßenrap-Regeln abzuhaken. "Ohne Identität, ein Poet, der noch sein Handwerk versteht", fasst er sein eigenes Grundproblem in "Grauzone" treffend zusammen. Wenn Fäbson eine für ihn zufriedenstellende Nische unter dem Dach des Berliner Traditionsunternehmens einnimmt und mit Gelassenheit ausfüllt, entfällt vielleicht die Notwendigkeit, noch immer dem Durchbruch hinterherzurennen: "Ich bin Untergrund seit 2007 und anstatt den Hype such' ich endlich den Frieden."

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Visionär
  3. 3. Architekt
  4. 4. Autopsie (mit Sizlac)
  5. 5. Moonrocks
  6. 6. Grauzone
  7. 7. Mise En Place (mit Jarod)
  8. 8. Plus
  9. 9. Undercut
  10. 10. Alexander III. (mit Silla)
  11. 11. Château Versailles
  12. 12. Krank
  13. 13. Tornado
  14. 14. Sternbild
  15. 15. Mayday
  16. 16. Outro

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