17. Januar 2018
"Wir sind halt keine Hippies"
Interview geführt von Christian KollaschMit "Sturm Und Dreck" veröffentlichen Feine Sahne Fischfilet ihr bisher reifstes Album. Wir sprachen mit Jan "Monchi" Gorkow und Christoph Sell über neue Erfahrungen bei den Aufnahmen, persönliches Songwriting und die neue Dokumentation über die Punker aus Mecklenburg-Vorpommern.
"Wenn wir sehen, dass ihr kotzt, geht es uns gut", heißt es auf dem neuen Album von Feine Sahne Fischfilet an alle Rechtsradikalen gerichtet. Die könnten seit dem Release von "Sturm Und Dreck" tatsächlich einige Probleme mit aufsteigender Magensäure haben, denn das Sextett haut mit seiner fünften LP ein Punk-Highlight des noch jungen Jahres heraus. Die Band aus der ostdeutschen Provinz hat es mittlerweile längst auf die großen Bühnen des Landes geschafft und kann diesen Werdegang selbst manchmal kaum fassen. Wir trafen uns in Hamburg mit dem Sänger Jan "Monchi" Gorkow und dem Gitarristen Christoph Sell, um über diesen Höhenflug zu sprechen.
Euer neues Album "Sturm Und Dreck" ist am 12. Januar erschienen. Wie zufrieden seid ihr mit der neuen Platte?
Monchi: Für mich ist es das erste Album, das nah an das herankommt, was wir live sind. Wir sind eine geile Liveband, und das hat bei den anderen Alben gefühlt immer noch ein bisschen gehinkt. Dieses Mal hat das Album richtig geil Druck.
Christoph: Es sind nun auch über anderthalb Jahre Arbeit rein geflossen. Als man das so reflektiert hat, hat man auch selbst gemerkt, dass wir noch eine vergleichsweise junge Band sind, die noch viele große Schritte macht. Wenn ich das damit vergleiche, wie wir an andere Alben herangegangen sind, auch in Sachen Produktion und im Studio, lernen wir immer noch viel dazu. Das hat sich vom Sound her jetzt auch ausgezahlt.
Mir ist auch aufgefallen, dass "Sturm Und Dreck" sehr druckvoll rüberkommt. Wie hat sich das in der Produktion und im Studio bemerkbar gemacht?
Christoph: Eigentlich haben wir gar nicht so viel anders gemacht, außer, dass wir besser geworden sind und viel live aufgenommen haben. Wir haben mit einem guten Produzenten zusammengearbeitet, Tobias Kuhn. Der hat auch die neue Clueso und Milky Chance gemacht, also eigentlich eine ganz andere Richtung im Pop-Bereich, aber der hatte Lust, etwas zu machen, was so ein bisschen mehr "auf-die-Fresse" ist, wohl damit er nicht komplett in einer einzigen Genre-Schiene drin ist. Das hat gut harmoniert und viel ausgemacht. Er wusste ganz genau, wie er uns einfangen soll. Wir haben einfach das gemacht, was wir im Proberaum auch gemacht haben. Ab in Studio, aufgenommen, fertig. Da ist dann auch viel eigener Geist mit rein geflossen.
Monchi: Er hat am Ende dann die I-Tüpfelchen gesetzt. Wir haben ihn nach Vorpommern in unseren Proberaum eingeladen und da haben wir ihm unsere Lieder vorgespielt. Da hat man dann nochmal an den Feinheiten gearbeitet. Im Studio war das jetzt nicht so ein Riesenunterschied, der lag in der Vorarbeit, denn wir haben seit zehn Jahren das erste Mal einen eigenen Proberaum gehabt. Ich hätte nie gedacht, dass das so geil sein kann. Das ist ein großer Unterschied, ob du einen Proberaum hast, wo du zwei bis drei Stunden rein kannst und dann kommt die nächste Band, oder einen eigenen. Das war für uns ein echt großer Luxus, sich die Zeit nehmen zu können und zu sagen: "Okay, das leisten wir uns jetzt hier in Vorpommern." Ob du da morgens, tagsüber oder abends reingehst, das ist dir selbst überlassen.
Christoph: Es war unglaublich unkompliziert. Man hat schon vor zwei Jahren angefangen, an Sachen zu schreiben und gut vorgearbeitet. Natürlich auch dadurch, dass man sich auch immer weiter verbessert, wusste man, dass man aus alten Fehlern lernen kann, indem ich noch mehr vorbereite. Dann haben wir daran geprobt und Tobi kam ein paar Mal und hat gesagt: "Ja, läuft doch, klingt geil."
Monchi: Ich hätte nie gedacht, dass das dann so schnell geht. Das war auch genau richtig so, das alles nicht noch weiter zu zerdenken, es stand ja.
Die Texte auf dem Album fallen zum Teil sehr persönlich aus. Auf dem Track "Niemand Wie Ihr" singst du zum Beispiel über den Rückhalt, den dir deine Eltern immer gegeben haben. Haben sie das schon gehört?
Monchi: Eigentlich wollte ich ihnen das zu Weihnachten schenken. Wir waren über die Feiertage aber nur zwei Tage zu Hause, weil uns die Toten Hosen eingeladen haben, mit denen zu spielen. Und Weihnachten ist mit meiner großen Familie dann doch eher stressig. Also saß ich vorher mit meiner Familie und meinen Geschwistern zusammen und hab denen das Lied vorgespielt. Das war schon sehr besonders. Ich hatte nicht immer so einen krassen Bezug zur Musik, weswegen ich sehr dankbar bin, dass ich das mal so sagen kann. Mit so einem Lied als Dankeschön kann ich mal ein bisschen was zurückgeben. Zeilen wie: "Mit 19 krieg' ich zwei Jahre auf Bewährung / Nicht die Freunde, sondern ihr Zahlt die Rechnung", ist für einen selber jetzt nicht die coolste Zeile. Oder dass ich meine Schwester beklaut habe. Aber so ist es halt. Es waren nicht irgendwelche Freunde, die sich da gerade gemacht haben, sondern meine Familie. Und dann so einen Text zu schreiben und den auf ein Album zu packen, das ist schon sehr besonders. Das durchzieht aber das ganze Album "Sturm Und Dreck". Das sind eigentlich alles persönliche Geschichten, auch die politischen. Was für den einen politisch wirkt, ist für einen selber höchstpersönlich, so wie "Angst Frisst Seele Auf" oder "Suruç". Das ist aber auch das, was es ausmacht. Es ist jetzt nicht so ein Phrasen-Bums, sondern Geschichten, die wir so erleben.
Euer Privatleben und die Musik sind nur schwer voneinander zu trennen, auch durch eure politische Einstellung. In der Vergangenheit musstet ihr immer wieder mit Angriffen und Hetzen von Rechtsradikalen fertig werden. Habt ihr damit immer noch Probleme?
Christoph: Ja, selbstverständlich. Damit werden wir uns wohl auch immer beschäftigen müssen, solange wir so sind, wie wir sind, Probleme aufzeigen und uns offen gegen Nazis stellen. Gerade in Vorpommern fällt man auch schnell auf. Vor ein paar Monaten wurde unser neuer Proberaum dann auch angegriffen. Da hatten wir noch ein bisschen Glück im Unglück, aber sowas kann immer wieder vorkommen. Das ist ein Thema, an das wir uns über die Jahre gewöhnt haben. Viele Leute sagen dann: "Ach, krass", aber für uns gehört das dazu. Das heißt nicht, dass das cool ist, wir hatten damit auch unsere Probleme, aber wir haben einen Umgang damit gefunden.
Wie sieht dieser Umgang aus?
Monchi: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man erstmal zu sechst darauf klarkommt. Wir sind da schon eine sehr eingespielte Truppe. Wenn dann unser Bassist uns nachts schreibt, dass in unserem Proberaum die Scheibe eingeschmissen wurde, dort Buttersäure und Grillanzünder reingeschmissen wurden, dann würden andere Leute wohl total rotieren. Man selber denkt so: "Grillanzünder ging nicht an. Na gut, alles halb so schlimm." Hört sich total absurd an. Und ich meine das jetzt nicht so, dass wir voll die harten Jungs sind und auf alles scheißen. Der Punkt ist, dass wir nicht die einzigen in Mecklenburg-Vorpommern sind. Da gibt es so viele geile Leute und Initiativen, die gar nicht dieses Privileg wie wir haben, aber auch immer wieder angegriffen werden. Für die interessiert sich dann kein Schwein. Ich schreibe dann einen Text, hau ein Bild mit raus und da gibt es wenigstens ein Feedback. Bei vielen erreicht das nicht mal den Stadtanzeiger, weil sie nicht das Privileg dieser Öffentlichkeit haben. Wir sind halt auch keine Hippies. Ich glaube nicht daran, dass es was bringt, den Nazis Rosen auf den Weg zu streuen. Man muss damit offensiv umgehen, auch mit seiner Angst. Auch auf dem Album kommt man da auf ganz viele Antworten, wie bei "Angst Frisst Seele Auf". Man findet damit seinen Umgang und wir gehen nach vorne und versuchen, damit irgendetwas Geiles zu machen.
"Wir machen einfach das, was wir geil finden"
Der Titel "Angst Frisst Seele Auf" ist angelehnt an den Film von Rainer Werner Fassbinder, der Rassismus in der gutbürgerlichen Mitte thematisiert. Wie geht man als antifaschistische Band damit um, wenn sich rechtes Gedankengut nicht nur in radikalen Glatzen manifestiert?
Monchi: Ich glaube, viel lockerer, als irgendwelche Leute, die sich nicht damit auseinandergesetzt haben. Vielleicht ist das eher schockierend für andere, aber bei uns in Mecklenburg-Vorpommern saß die NPD die letzten zwei Legislaturperioden im Landtag. Man hat diesen Scheiß sozusagen immer gehabt. Das es so krass ist und sich parlamentarisch so zusammensetzt, hätte man nie gehofft. Das ist aber nichts, was jetzt auf einmal so aus dem luftleeren Raum kommt. Das ist auch das Gefühl dieses Albums. Bands haben schon genug diese apokalyptischen Sachen aufgemacht. Dieses Album soll Kraft geben und nach vorne gehen. Klar ist vieles scheiße, aber Kopf hoch, Brust raus.
Glaubt ihr, dass ihr als politische Band jetzt mehr Verantwortung habt?
Christoph: So gehen wir da nicht ran. Wir sind das, was wir sind und wir machen das, weil es dazugehört. Es ist jetzt nicht dieses Gefühl, dass wir jetzt eine größere Verantwortung haben und jetzt die Antwort auf diese Zeit geben müssen. Wir geben sie, aber nicht mit dem Punkt, dass wir das jetzt liefern müssen. Wenn ich mir das Album anhöre, trifft es, wie unser Cover mit dem ausgeschlagenen Zahn schon zeigt, den Zahn der Zeit. Das sind aber Sachen, die wir sowieso machen und als richtig empfinden.
Es findet eben in eurem Leben statt.
Monchi: Das ist vielleicht das Besondere. Es ist kein Alleinstellungsmerkmal, weil es viele andere coole Bands gibt, bei denen das auch so ist. Es gibt aber Bands, da wirkt das ein wenig so wie eine Studienarbeit, wenn die politische Texte schreiben. Dann sollten sie lieber einen Text über Liebeskummer schreiben, weil sie das wirklich betrifft. Wenn ich was kapiert habe, dann, dass Musik etwas persönliches sein muss. Jetzt einen Text über Nazis oder Björn Höcke zu schreiben, ist dann auch irgendwann ausgelutscht. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass wir da jetzt mehr machen müssen. Wir machen einfach das, was wir geil finden. Und Aktionen wie "Noch nicht komplett im Arsch" sprechen einfach Bände.
Mit "Noch nicht komplett im Arsch" habt ihr 2016 in der Provinz Mecklenburg-Vorpommerns vor den Landtagswahlen Konzerte gegen Rechts gegeben. Welche Erfahrungen habt ihr mit dieser Tour gemacht?
Christoph: Monchi hatte da so viele zündende Ideen und hat mit Arthur von Audiolith ganz viel nach vorne gebracht. Dann standen die ganzen Sachen und es hat sich wie eine Welle immer weiter vergrößert und hatte seinen Höhepunkt mit dem ganzen Marteria-Campino-Ding auf dem Wasted-In-Jarmen Festival. Vieles war natürlich geplant, aber man hat gemerkt, dass wir uns zusammen mit den Leuten vom Dorf gegenseitig viel Kraft geben konnten. Durch "Noch nicht komplett im Arsch" haben wir eine umfangreiche Krafttankstelle geschaffen, auch um diese Wahlen zu ertragen. Das war unsere Antwort, damit umzugehen, unabhängig von Parteien, sondern auf menschlicher und sozialer Ebene.
Monchi: Es ist eigentlich dieses Wir-haben-immer-noch-uns-Gefühl. Wenn irgendwelche Leute in so ein Ost-Bashing verfallen, kann ich das vielleicht kurz von der Emotion her verstehen, aber wenn man jetzt darauf backen bleibt und sagt: "Hier kann man nicht mehr hin", ist das halt totaler Müll. Das ist politisch und menschlich die falsche Entscheidung. Es gibt da einfach geile Leute. Und die würde es nicht geben, wenn da alle Leute 'nen Fuck drauf geben würden. Es ging nicht darum, die Wahlen irgendwie zu beeinflussen. Es war klar, dass die AfD 15 bis 20 Prozent kriegen wird, da ist niemand von uns schockiert gewesen. Aber ich war überrascht, dass zu dieser Aktion dann doch so viele Leute kamen. Die sagen dann, dass wir ihnen Kraft geben, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. Für uns als Band war das der Hammer.
"Das ist wie ein guter Drogenrausch"
Der Schauspieler und Regisseur Charly Hübner hat euch bei der ganzen Aktion begleitet und den Dokumentarfilm "Wildes Herz" über die Band, aber auch speziell über dich, Monchi, gedreht. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Monchi: Ich hab den mal in Rostock kennengelernt. Da habe ich mit ihm für die ARD eine viertelstündige Doku über Mecklenburg Vorpommern gedreht, wo ich mit drin war. Da hat er uns angesprochen, ob wir Bock hätten, dass er uns so ein paar Jahre begleitet. Wir haben in der Band lange drüber gequatscht und dann dachten wir am Ende, ok, einfach machen. Hätten wir nicht so ein Grundvertrauen zu ihm schon gehabt, hätten wir das nicht gemacht, aber das war eigentlich die ganze Story. Jetzt ist daraus ein sehr persönlicher, sehr intimer Kinofilm über uns, speziell aber über mich entstanden, der genau diese Zeit ziemlich gut trifft. Für einen selber ist das manchmal sehr intim, aber ich glaube, dass der Film wirklich sehr geil geworden ist.
Der Film behandelt auch deine Kindheit und deine Zeit bei den Ultras in Rostock. Wie hat sich das angefühlt, sein Leben so auf der Leinwand zu sehen?
Monchi: Völlig verrückt. Ein völlig komisches Gefühl, auch die Arbeiten an einem Album mal zu sehen, die Familie, Eltern und Freunde sprechen zu hören. Das ist schon sehr intim und sehr besonders. Ein unvergleichliches Gefühl. Im positiven wie im negativen Sinne. Da lässt man schon sehr die Hose runter. Das Schöne ist aber, dass niemand aus meinem engsten Umfeld schockiert ist, sondern es ist wie es ist. Der Film zeigt gute und schwierige Momente, was vielleicht Leute schockiert, die mich noch nie kennengelernt haben.
Christoph: Mich hat der Film dahingehend beeindruckt, dass er die grundlegende Menschlichkeit zeigt, die so viel verbindet. Also Scheitern, Fehler machen und daraus lernen, aber auch etwas tolles schaffen. Das kann man bei Monchi ziemlich gut darstellen. Er ist jemand, der so viel tolles voranbringt, sich dann aber manchmal doch selber im Weg steht, weil er so ein Heißsporn ist (lacht). Das wird auf eine ziemlich coole Art und Weise rübergebracht. Der Film hat ja auch vier Preise auf dem Dokumentarfilmfestival in Leipzig gewonnen, was total der Wahnsinn ist. Da kann man sich auf der Internetseite Begründungen von den Preisverleihern durchlesen. Das Goethe-Institut schreibt da zum Beispiel drei krasse Sätze, finde ich.
Monchi: Ich hab' das nicht gelesen. Was schreiben die denn?
Christoph: Die schreiben, dass der Film den perfekten Spagat schafft zwischen einer Person und einer Band, die viel Herzensgutes voranbringen. Dass aber der Film trotzdem die Band und den Menschen nicht idealisiert, sondern zeigt, dass er auch ein Mensch ist mit tollen Sachen und Fehlern. Das ist eine Sache, die berührt.
Monchi: Das ist bei so vielen Sachen so. Das Lied "Alles Auf Rausch" beschreibt das halt. Das ist echt wie ein Rausch, wo du gar nicht checkst, was da alles passiert. Dann ist das wie so ein guter Drogenrausch. Du knallst dir irgendwas rein und es läuft geil ...
Christoph: ... und danach weißt du nichts mehr (lacht).
Monchi: Ne, also im besten Fall weißt du es noch (lacht). Da tropfen dann auch irgendwann Sachen an dir ab. Proberaumscheibe eingeschmissen, irgendein Verfahren, irgendein Konzert von dir wird verboten. Das ist dann wie ein Rausch. So ist das auch mit dem Film. Da sind einfach so viele Sachen, die man dann selber manchmal absurd findet, wie ein Kinofilm über uns als Band und mich.
Noch eine Frage zum Abschluss: Wäre eine Aktion wie "Noch nicht komplett im Arsch" nicht auch etwas für andere Bundesländer?
Christoph: Klar! Das ist ja das, was Monchi eben meinte, dass sich Leute immer so auf den Osten versteifen. Sowas hast du aber in fast allen Bundesländern auf dem Dorf. Und da sagen die Leute dann: "Ne, bei uns in Nordrhein-Westfalen, da ist alles gut." Aber da auf dem Dorf läuft die Scheiße. Wir werden uns immer auf unser Bundesland konzentrieren, aber natürlich Leute unterstützen, wenn die etwas machen wollen.
Monchi: Das machen ja auch schon welche, wir haben damit ja nicht das Rad neu erfunden. Aber wir würden das, wenn es zeitlich irgendwie geht, dann gerne supporten.
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