laut.de-Kritik
Eine Dekade ironischer Texte und tiefer Bässe.
Review von Eberhard DoblerPersiflierend-ironische Texte und funky-tiefe Bässe: Fettes Brot verbreiten seit zehn Jahren ihre Definition von Hip Hop. Mit 16 Singles kämpfen Schiffmeister, Doktor Renz und König Boris gegen das Vergessen werden. Ob die temporäre Umbenennung in Björn Beton, Speedy Konsalik und Kay Bee Baby dazu beiträgt? Schöne Erinnerungen verspricht eher die der Special Edition beiliegende DVD, die sämtliche Videos plus zwei Stunden zusätzliches Fimmaterial enthält.
Bezüglich des Audio-Outputs lassen die Brote mit "Definition Von Fett" und "Männer" die erste Hälfte der Hip Hop-Neunziger jenseits aller Gangsta-Verweise aufleben. Wie man die schlappen Beats von Klamauk-Stück "Nordisch Bei Nature", des ersten Brote-Chartbreakers, ernsthaft mit dem Label "clubtauglich" versehen konnte, bleibt ein Rätsel. "Bock auf Schweinereien" machte 1996 vielmehr "Jein" - textlich und beatmäßig ein Meisterstück in Sachen deutscher Mittelstand-Hip Hop. "Mal Sehen" groovte ebenfalls um einige Level besser.
Die Hooks des Reggae-infizierten Tunes "Silberfische" schleichen sich noch immer ins Ohr. Aber spätestens nach dem 96er-Album "Außen Top Hits, Innen Geschmack" hatte die Rap-Kommune mit den Party-affinen Hamburgern ein Problem: "künstlerische Stagnation" oder "fragwürdige Kredibilität" waren die Stichworte. "Sekt Oder Selters" bot trotzdem angenehmen Lounge-Hop. Relaxter Fusionsport gelang mit James Last ("Ruf Mich An"). "Lieblingslied" lockte 1998 im Refrain mehr denn je mit charmantem Pop-Appeal. "Viele Wege Führen Nach Rom" unterstrich diese Tendenz.
Die Hinwendung zu neuen Sounds nannte das Label Yo Mama Elektro-Power-Pop. Mancher Head fand das zum Kotzen. Zu Unrecht. "Da Draussen" funkte mit massiven Bässen aus den Boxen, während "Schwule Mädchen" musikalisch mit Hip Hop-untypisch schnellem Tempo überraschte. Elektronisch abgehackt und melodiös kommt auch die neue Single "Welthit" daher. Der Mantel des Schweigens darf dagegen über die Steve Miller-Adaption "The Grosser" gelegt werden. Dennoch: Fettes Brot nahmen sich nie so ernst und kannten folglich kaum Berührungsängste. Ihrem Sound hört man das bis heute an - zum Glück.
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