laut.de-Kritik

Mit dem Swagger eines sächselnden Markus Söder.

Review von

Nicht, dass da arg viel auf dem Spiel gestanden hätte, aber jep, Finch hat seinen Verstand verloren. Sein Eurodance-Schlager-Rap-Ding hätte einfach nur eine süße, erfolgreiche Nische im Deutschrap sein können, aber unterschätzt niemals, von was für bescheuerten Positionen deutsche Rapper es fertig kriegen, einen Gottkomplex zu entwickeln. In einem der bizarrsten Intro-Statements der Deutschrapgeschichte schwingt Finch sich auf, im Namen der Bauarbeiter Sexismus vor rappenden Frauen zu beschützen oder so. Dann liefert er das beschissenste Schlager-Mixtape seiner Karriere nach, garniert mit der ultimativen deutschen Nightmare Blunt Rotation als Feature-Liste. Aber warum soll sich nicht jemand mit Matthias Reim, Silbermond, Saltatio Mortis und Mehnersmoos für die Rettung deutschen Raps halten?

Ja, dieses Intro hat mich gebrochen. Wenn ein Album mit den Worten "Der Vorzeige-Cis-Mann ist ein Macho und nicht androgyn" anfängt, was soll denn danach noch groß kommen? Mehr als die Frage, was ein Vorzeige-Cis-Mann bitte genau ist, hätte ich die Frage an ihn, warum diese Platte voll Malle-Trash unbedingt mit einem Song anfangen muss, der wie ein schlechter "JBG 2"-Albumtrack klingt? "Ich bin deutscher Rap, weil man mich durch Rap am Mittwoch kennt", konstatiert er in seinem Versuch, sich selbst als das Gegenmittel zu neuem, androgynen Rap auf Instagram und TikTok zu inszenieren (als wäre er da selbst nicht sehr aktiv). Es ist ein richtiger "ich mache Rap wieder hart"-Song, komplett mit Tritten gegen die ach-so-gemeinen Rapmedien und mehrfach geäußerten Sorgen darüber, ob Frauen im Deutschrap ihre Texte selber schreiben.

Nichts könnte die Albernheit dieses hilflosen und völlig transparenten Geposes besser entlarven als die Tatsache, dass sofort darauf der Song "Eismann" folgt, der einen winzigen, beschissenen Finch-Part hinter einer Eurodance-Hook versteckt, die niemand über 13 lustig finden kann und die offensichtlich händeringend nach TikTok-Hype buhlt. "Lecker selbstgemachte Sahne, wenn der Eismann kommt", heißt es da. Wisst ihr? Hihi, Sex, Penis. Das muss ein Rekord sein für wie schnell ein Rapper sich mit den eigenen Ansagen auf einem Album selbst gedisst hat, von wegen "eure Musik hypen nur Kinder" und Musik gegen TikTok. Wer und wo, denkt Finch, hört seinen beschissenen Schranz-Eismann-Penis-Song? Arnold Schwarzenegger auf Vinyl?

Generell: Natürlich ist dieses Album sexistisch wie blöd und aggressiv geschmacklos. Das ist keine Kritik daran, es ist einfach nur die nüchterne Feststellung, was es zu sein versucht. Dann soll es das sein. Könnte es nicht wenigstens unterhaltsam sexistisch sein, statt nur der bieratmende Soundtrack zur sexuellen Belästigung?

Aber Finch braucht die forcierte Provokation, um davon abzulenken, wie langweilig und leer dieses Album ist. Besonders fällt auf, wie oft seine Parts regelrecht hinten in den Songs versteckt werden. Die zwei größten Tracks "Eismann" und "Tattoo" heben sich ihren einzigen Finch-Part bis nach der Hälfte auf, er ist gefühlt nur auf einem Drittel überhaupt präsent. Als wüsste er, wie viel seiner Fans zur "ich höre ja eigentlich kein Rap, aber"-Crowd gehören, denen er mit zu vielen Bars nicht auf den Zeiger gehen will. Aber es ist ja auch nicht so, als hätten seine Parts je wesentlich zu seinen Stücken beigetragen.

Die Hauptarbeit auf diesem Album machen Gasthooks, Samples und dumme Gimmicks aus, die zwischen einigermaßen catchy ("Tattoo") und der belastendsten Scheiße der Deutschrap-Geschichte schwanken: Dass "Die Einzigste" mit Mehnersmoos nicht der alleinige schlechteste Song seiner Diskographie ist, ist angsteinflößend. Jede Stefan Raab-Show hat mehr humoristische Nuance als diese sturzbesoffene 2009-YouTube-Kacke. Diese drei Idioten konkurrieren drei nie enden wollende Minuten darum, wer den selben Witz übers Fremdgehen am unlustigsten formulieren kann. Alle verlieren, vor allem die Hörer.

Dass "Wendekind" mit Marteria und Silbermond nicht der alleinige schlechteste Song seiner Diskographie ist, ist ebenso angsteinflößend. Es gibt ja für die anderen Finch-Songs immer noch das Argument, dass man sie eh nur so besoffen hören soll, wenn man eh alles und jeden witzig finden würde. Aber wer hat bitte nach Finch-Balladen gefragt, in denen mit holprigem Storytelling und einer abgrundtief schnulzigen Hook lokalpatriotische Gefühle erzeugt werden sollen? Dazu taucht hier auch wieder dieser komische Opfer-Komplex auf, der dieses ganze Album durchzieht. Dass dann jemand, der ein ganzes Album lang jeden nüchternen Gedanken nichts anderem widmet, als so sexistisch und konservativ wie menschenmöglich zu sein, sich noch erdreistet, sich "gegen das System" zu nennen, ist komplett hysterisch. Bruder, du machst keinen Klassenkampf, du laberst Scheiße mit dem Swagger eines jungen, sächselnden Markus Söders. Aber vielleicht moderiert der ja das dritte "Dorfdisko", DJ Khaled-Style. Vor jedem Eurodance-Drop ein "Mir send die beschde", "O'zapft is" und "Mir send die Vorzeige-Cis-Männer Musik!"-Adlib.

Dass "Keine Regeln" mit Saltatio Mortis nicht der alleinige schlechteste Song seiner Diskographie ist ... nein, doch, das ist der alleinige schlechteste Song seiner Diskographie. Das wäre der alleinige schlechteste Song jeder Diskographie. Finch x Mittelalterrock ist das Pandämonium der deutschen Suff-Musik. Man kann doch nicht glauben, dass es stimmig und wirtschaftlich sinnvoll ist, mit Saltatio Mortis zu arbeiten und sich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnen? Aber das ist, wo Finch ist: Er wird auftauchen, wo Leute jenseits jedes kritischen Vermögens besoffen sind und Bars über Rummelbums und Dudelsack spitten. Darf ich fragen, ob deutscher Rap inzwischen gerettet ist?

Wir könnten das ganze Album so durchbesprechen. Verdammt, der Matthias Reim-Song war noch nicht mal dabei! Es ist eine Sammlung aller katastrophalen Geschmacklosigkeit, die die letzten zwanzig Jahre deutsche Musikindustrie verbrochen haben. Es wirkt so, als würde er Jahr um Jahr die Liste unserer 1/5-Reviews nach potentiellen Features abgrasen. Die besten Songs sind ein Country-Stück übers LKW-Fahren und eine Audio-Bier-Werbung. "Besten" kommt hier extrem relativ, denn "Vollgas" ließ mit dem entspannteren Sound nur kurz Hoffnung züngeln, dass das schon das Outro sein könnte und "Fürstenbach" klang wie eine Werbepause. Ich hätte die Werbepause genommen. Eine vierzig-minütige Check 24-Werbung wäre ein Upgrade für dieses Album gewesen.

Vorher konnte man für Finch irgendwie das Argument machen, dass er unerwartete Inspiration auf ihre Tauglichkeit für Rap-Crossover untersucht hat und dadurch eigentlich ganz coole musikalische Brücken gebaut hat. Das hier ist ein schlampig zusammengeschmissenes Ballermann-Mixtape ohne starke Hooks, mit komplett generischen Beats, das davon lebt, erwarten zu können, dass es eh niemand unter drei Promille hören will.

Finch ist nicht mehr nur schlecht, er ist aggressiv schlecht und trägt seine Wackness als Plakette der Konterkultur. Aber alle Bauarbeiter und Laster-Fahrer, denen er dieses Album gewidmet hat, sollten sich beleidigt fühlen, für dermaßen dumm gehalten zu werden. Wer weiß. Anscheinend ist Deutschrap jetzt ja gerettet. Oder spätestens dann, wenn er das unvermeidliche Frei.Wild-Feature an Land zieht, auf das seine Karriere gerade rabiat zusteuert.

Trackliste

  1. 1. Dorfisko Zwei
  2. 2. Eismann
  3. 3. Infinity
  4. 4. Tattoo (feat. HbZ & 2 Engel + Charlie)
  5. 5. Die Einzigste (feat. Mehnersmoos)
  6. 6. Leere Augen
  7. 7. Password
  8. 8. Vollgas
  9. 9. Keine Regeln (feat. Saltatio Mortis)
  10. 10. Fürstenbach
  11. 11. Wendekind (feat. Marteria & Silbermond)
  12. 12. Memories
  13. 13. Pech & Schwefel (feat. Matthias Reim)

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19 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor einem Jahr

    Noch lustigster wird seine Kritik an Frauen und Writern ja eigentlich wenn man sich die credits anschaut. Auf 6 oder / Songs von den 14 Stück hat Karo Schrader mitgeschrieben, welche auch unteranderem "Jetzt rufst du an" von Loredana und an "Blue Jeans" von Céline mitgeschrieben hat.

  • Vor einem Jahr

    Finch versteht sich m.M. nach als Ballermannrapper zwischen MC Bomber und Scooter, der eine neue Nische füllt, nach der niemand gefragt hat, die aber ziemlich gut funktioniert.
    Solange Finch selbst den besungenen Sexismus nicht als Selbstzweck nutzt, sondern sich selbst auf die Flinte nimmt kann das bisweilen ja sogar lustig sein.

    Dorfdisko Zwei zeigt aber, dass Nils Wehowsky so langsam aber sicher Probleme bekommt, die so wohl nur Ballermann-Künstler kennen. Er selbst ist einfach kein guter Musiker, Künstler oder Rapper, er braucht bekannte Features, egal wie schlecht er selbst dabei aussieht. Seine Zielgruppe ist nicht treu und gut betucht, sondern jung und (noch) dumm und wechselt lieblingskünstler wie andere Leute Sneaker. Dazu macht Streaming nicht viel Geld, Auftritte vergehe und eine abgeschlossene Ausbildung hat hat Wehowsky auch nicht.
    Figuren wie Finch müssen dauerhaft aktuell bleiben und stetigen Output pumpen bis sie irgendann irrelevant werden. Davor müssen sie eben so reich werden, dass sie in der Irrelevanz kein Geld mehr erwirtschaften müssen. Dafür tut Nils wohl alles, wofür Dorfdisko Zwei hörbarer Beweis ist.

    Der besagte Intro Track verwundert mich dabei nur ein bisschen, denn bereits 2018 berappte (der alte) Finch Asozial bereits Sexismus: "Also laber uns nicht voll mit deinem Mädelskram / Eine Frau bleibt auf Ewigkeit ein Gegenstand". Bomber als Feature tat sein Übriges. Dorfdisko Zwei (der Track) ist ein gewollter "Ausrutscher" um die alte Fanbase zu befriedigen und mal außerhalb vom Ballermann-Playlists zu landen. Ich kann mir sogar vorstellen dass es ein alter Text ist, der nur zu diesem Zweck wieder rausgekramt wurde.

    Nehme ich Nils Wehowsky ab dass er Finch ist? Weniger. Ich denke er hat, wie so viele, gemerkt wie einfach Musik machen ist und man sich nur trauen muss. Ich hab über die Jahre hunderter Künslter getroffen, die in ihren WG Zimmern ähnliche Beats und Texte gebaut haben wie Finch und seine Leute. Die fanden das Ergebnis nur zu schlecht um es zu releasen. Wehowsky nicht - nun muss er mit dem Ergebnis leben. Manchmal (in Interviews) habe ich, eben wie bei vielen Ballermann-"Stars", dass Gefühl er macht das nicht so gerne und spielt selbst "privat" (eben in lockeren Interviews) eine Rolle, die er erfüllen muss um relevant zu bleiben.

    Mitleid habe ich nicht, Business ist halt Business. SOl ler machen so langer er kann. Er sollte sich halt nach diesem Schei*-Album überlegen ob er das wirklich für die nächsten 10 Jahre durchhalten kann und wie er die nun folgende Generation von Kids an seinen Ballermannsound bindet.