laut.de-Kritik
Die Rückkehr des deutschen Chansons.
Review von Artur SchulzEin Debütalbum im Alter von 45 Jahren. Frank wer? Bei diesem Frank handelt es sich um den Texter der Songs von z. B. Roger Cicero, Ina Müller, Barbara Schöneberger und Annett Louisan. Wohl jedem ist zumindest ein Ramond-Titel geläufig, ob nun "Das Spiel", "Fraun Regier'n Die Welt", "Jetzt Singt Sie Auch Noch" oder "Bye Bye Arschgeweih".
Ramond und seine Musiker beleben Terrain des deutschsprachigen Chansons neu. Hinzu kommen lateinamerikanische Elemente und so manch gegen den Strich gebürsteter Rhythmus. Das alles klingt blitzsauber und ist mit Blick auf Transparenz produziert und eingespielt. Fürs Ohr gibt es eine Menge zu entdecken. Trotz aller Eingängigkeit tauchen so gut wie keine abgegriffenen Popmusik-Klischees auf. Mehr noch: so französisch klang seit Becauds, Aznavours und Dassins deutschsprachigen Ausflügen kein Album mehr.
Ramonds Ziel: fort mit all den oft gehörten Belanglosigkeiten gemeinen Liedguts, her mit einer Geschichte. In einen pointierten Text verpackt, präsentieren sich Song und Thema originell dem Zuhörer. Das gelingt schon mit der ersten Nummer "Ich Zähl Bis Drei", die die oft zur Schau gestellte Rücksichts- und Rückgratlosigkeit gewisser Mitmenschen punktgenau mit bissiger Ironie demaskiert. Neben der Textarbeit gefällt der Song "Treppenwitz" besonders aufgrund seiner intensiven Montparnasse-Sound-Koloratur.
Ein guter Text - ob Buch, Reportage oder Platte - soll die Sinne ansprechen; er soll duften und schmecken. Das gelingt bestens mit "Sie Liebt A La Carte", einem höchst orginell gestalteten Titel über den Umgang mit Liebesdingen am Beispiel einer nicht mehr ganz jungen Lady: "Sie probiert nie mehr an Küssen / die sie hat runterstürzen müssen / nascht nur an Bissen, die ihr munden / die ganz gewissen, süßen Stunden / die Trüffel und Rosinen / nicht den Kohlduft der Kantinen". Die Nummer "Ein Windiger Typ" erinnert mitunter an hierzulande längst vergangene Kabarett- und Varieté-Klasse.
Der "Grüßomat" bringt amüsant das plötzliche Auftauchen von Personen, mit denen wir eigentlich nichts mehr zu tun haben wollen, auf den Punkt. Glaubwürdig und hautnah wie selten gelingt die Umsetzung des Themas Älterwerden in "Das War Doch Gerade Neulich". Hier offenbart sich eine stille, aber umso effektvoller arrangierte und packende Beobachtung des Flusses der Lebenszeit: "Ich dachte, ich ließ mir Zeit / doch in Wahrheit / lief sie mir davon". Ramond war auch mal jung, und er brauchte das Geld: "Ich war bereit zu jedem Scheiß / und schrieb im Keller ein paar Schnulzen / die eine traf den Nerv der Zeit". Auch ein Frank Ramond hat mal für Roger Whittaker gearbeitet.
Erfreulicherweise versucht Ramond nicht, den Berufsjugendlichen zu mimen. Der Album-Titel "Große Jungs" versteht sich mehr als Spielerei. Ramonds Stimme spielt sicher nicht in der ersten Liga, doch sein rauchig-sanftes Organ erzeugt jede Menge Atmosphäre.
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