laut.de-Kritik
Der Liedermacher hat keinen Bock mehr.
Review von Franz MauererAls großer Fan deutschsprachiger (lies: v.a. österreichischer und bayerischer) Liedermacher konnte mich Funny Van Dannen nie so recht in seinen Bann ziehen. Tatsächlich kann ich mich, obwohl klar zu seiner Zielgruppe gehörend, gar nicht mehr daran erinnern, wann und welchen seiner Songs ich zuletzt gehört habe. Leise im Hinterkopf sagt mir ein Stimme: Den hast du mal unter 'weniger witzig als er selbst denkt' abgespeichert.
Den Stimmen in meinem Kopf ist grundsätzlich zu misstrauen - Grund genug, die Qualität seines Abschiedsalbums, "Songs To Go" ist ein Livealbum, zu evaluieren. Van Dannen hat keinen Bock mehr, ist frisch im Rentenalter angekommen und braucht die Kohle scheinbar nicht: Denn auftreten will er auch nicht mehr, und diese Verweigerungshaltung ist schon mal herzallerliebst.
"Geheimdienst" ist ein netter Opener. Der Gag ist, dass der Bürger Angst vor eben jenem habe, deshalb brav bleibe und drum "die Rüstungsindustrie und die Finanzwelt und die Geheimdienste schalten und walten" können, wie sie wollten. Die Gitarrenmusik dazu ist mindestens stimmungsvoll, wenn auch jeglicher Schärfe beraubt, eine reine kunstvolle Untermalung. Harmlos bleibt auch die dazugehörige Poesie, die, wenn sie denn wie oben zitiert ausschlägt, so kindlich abstrakt und überbordend gerät, dass sie übers Ziel hinausschießt: Sie zückt den Degen unkontrolliert, wo das Florett viel mehr Schaden anrichten könnte.
Anders gefragt: Warum sollte ich "Geheimdienst" hören, wenn Danzer dazu mit "Die Freiheit" schon alles gesagt hat und das weit stimmungsvoller? Warum sollte ich die supersimple Message von "Die Fahne" hören wollen, wenn Ambros mit "A Mensch Möcht I Bleibn" schon so viel tiefer erforscht hat, warum Individualismus essenziell im Kampf gegen Chauvinismus ist? Angesichts dieser Liedermacher-Konkurrenz kann Van Dannen zunächst nicht bestehen.
Das liegt zuvorderst am inhaltlichen System des Tüdderners: Funny zieht seine Funnyness daraus, dass er Dinge sagt, die vermeintlich politisch nicht korrekt oder gewollt sind, und gleichzeitig versichert, dass ihm die von ihm gesagten Dinge gar nicht so wichtig erscheinen - etwa bei "Nie Indianer", dessen schräg-sympathische Grundidee nicht von der Stelle kommt. Oder er äußert eine Meinung, vor der er aber so viel Angst hat, dass er sie direkt konterkariert und diesen Widerspruch einzig mit dem Verweis auf die eigene Schwäche abtut. "Gas" ist hier ein Beispiel: Das non-interventionistische "Was haben wir in Mali verloren?" wird fast unvermittelt zurückgenommen durch eine Verächtlichmachung des mangelnden deutschen Engagements für die gebeutelten Uiguren in China.
Derlei ist eben kein vermeintliches Spannungsverhältnis, das der Sänger aufbaut, sondern eine eher wirre Aneinanderreihung von Gefühlen, die er schlicht nicht in gebotener Tiefe thematisiert. Zumal, wenn dann wie in "Gas" mit "die Affinität zu Gas" ein ganz ungelenker Gag im Raum steht, für den der Sänger sich selbst zu schämen scheint. Konzertbesucher:innen berichten zudem von zahlreichen, teils sehr kurzen Zugaben, von Hits, die van Dannen einstreut: Davon ist hier nichts zu hören, auch der Lesungsteil auf seinen Konzerten fehlt.
Die Songs der Scheibe sind alle neu, die Ausnahme bildet "Der Fatalist", bereits 1999 auf "Uruguay" erschienen. Der Track beginnt mit einer markanten Gitarrenfigur, die sehr stimmungsvoll, fast schon virtuos Western-Feeling beschwört. Der Song über einen Revolverhelden strotzt dann leider vor Allgemeinplätzen.
Die Kombination aus guter Musik ("Nie Indianer", "So Lustig") und faden Texten ("Pentagon" berührt null, das doofe "Broilerbar") ist für Liedermacher hochgradig ungewöhnlich, "Wenn Du Schnell Genug Läufst" reproduziert dies aber ähnlich wie "Der Fatalist". Die Nummer reißt geradezu mit, die Message erschöpft sich aber im Titel, die Bilder des Sängers wirken immer ein wenig piefig und antiquiert, man bleibt einfach nicht hängen. Der Krieg als Zäsur bei "So Lustig" wirkt beispielsweise aufgesetzt, dazwischen ist vieles richtig gut, aber der Aufhänger hängt schief.
Erst auf "Sirenen" kauft man dem Liedermacher ab, dass er wirklich gerne singt. Inhaltlich geht es zwar nicht um viel, aber der schöne, melancholische Text und die Musik ergeben eine Einheit, die sonst zu oft fehlt. Fühlt sich viel länger an als zweieinhalb Minuten - und das auf eine sehr schöne Art und Weise. Die Mundharmonika ist ein zweischneidiges Instrument, das vor allem im Folk auch mal als Lückenfüller herhalten muss. Funny van Dannen setzt das Instrument auf "Sirenen" aber genau richtig ein und demonstriert den wohldosierten Einsatz auf "Tiefstehende Sonne" gleich noch einmal.
Der Track ist eine traurige, aber etwas erzürnte Nummer, in der man sich schnell verlieren kann, die einen schon nach wenigen Sekunden vorträgt. Die Anklage an das Gegenüber ("Du bist so hart / Ich kann dich nicht verstehen") ist unmittelbar nachvollziehbar. Gar nicht funny, aber dermaßen gut, dass schnell klar wird, warum dieser Herr seit gut 30 Jahren im Musikbusiness überlebt.
Er darf nur nicht auf witzig (Tiefpunkt: das superwirre "Der Nil") oder soziologisch machen. "Wenn Der Krieg Vorbei Ist" macht genau das, aus unerfindlichen Gründen. "Warum habe ich dieses Lied geschrieben? / Gewohnheit, was weiß ich". Der schale Gag: Der Krieg ändert nichts, und die Menschen lernen nicht dazu, denn "die Toten sind immer noch so tot". Ja, stimmt natürlich alles irgendwie und Wat nu?, würde Werner fragen.
"Wir Haben Zeit" ist jedenfalls eine dreiste Lüge – und eine etwas zu genölte Abschiedshymne mit erneut starker und schön akzentuierter Gitarre. Streng genommen ist die Zeit für Fans von Funny van Dannen nun vorbei bzw. es bleibt nur noch der Blick zurück. Darauf macht dieses letzte Album durchaus Lust. Und arbeitslos wird Funny ja nicht, bleibt er doch Romancier und Maler.
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