laut.de-Kritik
Anästhesie in surrealistischen Bilderwelten.
Review von Dominik Lippe"Welcome to the temple of Gaddafi Gals." Die Begrüßung erfolgt erst kurz vor Schluss. Ausgestattet mit jeder Menge Feuilleton-Fame eröffnen die Gaddafi Gals drei Jahre nach ihrer Gründung die Tore zu ihrem musikalischen "Temple", dessen mystisch-meditativer Ansatz jeden Besucher weich auffängt. Oder, wie Slimgirl Fat es akkurat beschreibt: "Bei dem Titel 'Temple' habe ich das Bild im Kopf, alleine in einem Raum aus Marmor zu stehen und einen Laut von mir zu geben, der dann von überall her hallt. So ein Gefühl habe ich, wenn wir das Album performen und wenn ich es höre."
"Smoked Out Loced Out" begrüßt einleitend mit ebendiesen Halleffekten. Ähnlich wie letztes Jahr Cypress Hill auf "Elephants On Acid" simuliert das Trio eine transzendete Erfahrung. Während die sonst als Ebow bekannte Blaqtea ihre englischen Verse heimlich, still und leise vor sich hin rappt, nimmt Slimgirl Fats Gesang die Form ritueller Schreie an, die ekstatisch das Instrumental durchdringen. Dagegen lenkt sie ihre Vocals in "Temple Of Love" in nachvollziehbarere R'n'B-Bahnen. Dazu warten die Gals mit einem Trap-Beat auf, der im Background synthetische Blüten treibt.
Zu den Stärken der Gaddafi Gals zählt wie sie mit ihren sphärischen Produktionen assoziative Bilder aufrufen. In "Emerge (Intro)" wähnt sich der Hörer etwa im Nahen Osten. Umgeben von schier unendlichen Wüstenlandschaften errichtet Produzent Walter p99 arke$tra eine lebensbejahende Oase. Erholsamkeit trifft auf Bedrohlichkeit. "206 Coupé" liefert das passende Fundament für surrealistische Bilderwelten. Zum entrückten "Lotus" treibt der Rezipient in Richtung fernöstlicher Kulturen.
"Skimask" legt einen depressiven Schleier über ein trappiges Gerüst, womit es für die Gruppe fast konventionell ausfällt. Den von vielen Seiten zugeschriebenen politischen Ansatz löst jedoch auch dieser Song nicht ein. Wenn sie im dazugehörigen Video weitgehend regungslos auf dem Boden liegend aus der Vogelperspektive betrachtet werden, rückt jedes Aufbegehren weit weg. Einzig der Cloud-Rap von "Mitsubishi" lässt sich als Botschaft an Rapper wie Eno lesen, die mit Werken wie "Mercedes" und "Ferrari" Goldene Platten einheimsen: "You wanna ride around in my Mitsubishi."
Als Stellungnahme geht auch die visuelle Umsetzung zu "Hit On Me" durch. Trotz der allgemein spürbaren Sinkflugtendenz üben die Vereinigten Staaten insbesondere im Hip Hop-Kontext noch immer eine überlebensgroße Anziehungskraft aus. Im Rahmen ihres Auftritts beim South by Southwest Festival nutzten Blaqtea, Slimgirl Fat und Walter p99 arke$tra ihren Aufenthalt in der texanischen Metropole, um dem Song ein Musikvideo zu spendieren. Im Ergebnis setzt das Trio einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf und fährt mit E-Rollern über austauschbare Parkplätze.
Der konstant unbeteiligte Eindruck der Gaddafi Gals spiegelt sich auch stark in der musikalischen Ausgestaltung wider. Insbesondere die rein instrumentalen Unterbrechungen anästhesieren den ohnehin auf Wolken schwebenden Konsumenten. Während "Mystical Maze (Interlude)" bereits gemächlich dahin schlurft, versumpft "Swaamp (Interlude)" vollends. Zum Abschluss schleppt sich "Wont You (Slowed N Throwed)", womit das Münchener Trio natürlich Chopped & Screwed meint, nur noch schwerfällig über die Zielline des Albums.
Die totale Verweigerungshaltung mag unter Umständen als Statement durchgehen, doch wenn sich dem Hörer nicht gelegentlich meditative Soundwelten böten, könnte er sich gleich der zur Schau gestellten Gleichgültigkeit der Gaddafi Gals anschließen. Gerade bei einer Band, die den früheren libyschen Diktator Muammar al-Gaddafi im Namen trägt, irritiert das. Statt der charakteristischen Exzentrik und Unerbittlichkeit des Namenspaten bleibt am Ende nur die niedertourige Forderung: "Leave your damned ego behind."
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