laut.de-Kritik
Ein Singer/Songwriter nach dem "Mad World"-Hype.
Review von Rainer Henze"I find it kind of funny / I find it kind of sad / The dreams in which I'm dying / Are the best I've ever had." Eine zerbrechliche, an Michael Stipe gemahnende Stimme, spärlich begleitet von Piano und Cello, offenbart die unendlich tiefe Traurigkeit des Tears For Fears-Klassikers "Mad World". Mit dieser erhabenen Coverversion erklimmt Gary Jules an Weihnachten 2003 die Spitze der UK-Hitparade und sichert sich damit den prestigeträchtigsten Charts-Platz des Jahres. Nicht schlecht für eine 100-Dollar-Produktion.
Komplett in Eigenregie hat der kalifornische Singer/Songwriter Gary Jules dieses Album aufgenommen und auf seiner Internet-Homepage zum Kauf feilgeboten. Das war 2001. Zur etwa gleichen Zeit produziert Jules' Jugendkumpel Michael Andrews die Filmmusik zum Independent-Movie "Donnie Darko". Neben dem instrumentellen Score soll auch ein 'richtiger' Song auf den Soundtrack. Die Wahl fällt auf "Mad World". Andrews ruft seinen Freund an, der kommt mal schnell rüber, und die beiden spielen das Stück in eineinhalb Stunden ein.
Mehr als zwei Jahre später hat sich "Donnie Darko" zu einer Art Kultfilm entwickelt, und auch "Mad World" avanciert zum Geheimtipp, erfreut sich zunehmender Popularität in Internet-Tauschbörsen. Dann der UK-Hype ... Nun reicht Gary Jules "Trading Snakeoil For Wolftickets" noch einmal mit 'richtiger' Plattenfirma im Rücken nach. "Mad World", auf der ursprünglichen Version nicht vertreten, ist natürlich auch dabei. Doch es unterscheidet sich deutlich vom übrigen Album.
Im Gegensatz zum eher düsteren "Mad World" atmen Jules' Eigenkompositionen den Geist des traditionellen Singer-/Songwritertums der 60er/70er. Gary Jules singt Simon & Garfunkel, mit viel Gespür für folkig-schöne Melodien und eigenwillige Lyrics.
Hat man die erste Verblüffung überwunden und sich von der Redneck-Optik des Cover-Artworks erholt, kann die Platte eine lange Fahrt auf einsamer Landstraße nachhaltig bereichern. Auch wenn die durchgehend countryesque, klassisch-sparsame Instrumentierung der Begeisterung Grenzen setzt. Erst im herausragenden Hidden Track setzen leichte elektronische Beats ein - ein Ausblick auf die Möglichkeiten, die in Jules' Songs noch schlummern.
Sicher gibt es für einen anspruchsvollen Singer/Songwriter glücklichere Karrierestarts, als ausgerechnet mit einer Coverversion. Doch beschweren wird sich Jules wohl kaum. Das Potenzial, nicht als One-Hit-Wonder zu enden, hat er allemal.
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