laut.de-Kritik
Ehrlich, persönlich, nie weinerlich: Germany feiert seine Wiedergeburt.
Review von Dani FrommZuweilen geschieht - im Rapgeschäft wie im Leben - genau das Gegenteil von dem, das man eigentlich erwartet hätte. Genau dann wird es erst richtig interessant. Als sich abzeichnete, die ehemals als zwei Drittel des Klans, später als Duo operierenden Kollegen Italo Reno und Germany werden in etwa gleichzeitig Soloplatten auf den Markt werfen, schien die Sache für mich klar: Reno, der sich in der Vergangenheit fast durchgehend als der stärkere der beiden Jungs präsentierte, wird wohl das dickere Brett servieren. Wie man sich doch täuscht.
Während Reno (worüber ich mich an anderer Stelle bereits ausführlich echauffierte) sein unbestreitbar vorhandenes, da in einzelnen Tracks gnadenlos aufblitzendes Talent in bocklangweiligen Dicke-Hose-Representern verschleudert, wählt Germany einen ganz anderen Weg: Er zelebriert einen Seelenstriptease, der in seiner schonungslosen Offenheit geradezu schmerzhaft an die Nieren geht. Jawohl, ich glaube diesem Mann, dass kommerzielle Interessen bei der Entstehung von "Die Stunde Der Wahrheit" keine Rolle spielten. Ich glaube, dass wir es hier mit dem Versuch einer Selbsttherapie zu tun bekommen. Gut möglich, dass das viel strapazierte Etikett "Das ehrlichste Rap-Album des Jahres" diesmal tatsächlich den Kern der Sache trifft. "Will mich einfach nur verwirklichen und 'ne Platte machen, die ehrlich klingt": Mission erfüllt.
Wenn die eigene Befindlichkeit zum zentralen Thema erhoben wird, bedarf es keiner mächtigen Gästeliste. Germany stemmt sein Album weitgehend alleine, lediglich zur Eröffnungsnummer "Welcome To Germany" sowie zu "Mein Herz Teil 2" steuern Greis und Samir die Hooklines bei. Die Beats entstammen ebenfalls dem Alles Real-eigenen Stall. Den Löwenanteil liefert der Kuchikäschtli-erprobte Schweizer Claud, was die Angelegenheit stellenweise ein wenig eintönig macht. Irgendwann habe ich auch den alternativlos wie theatralischst aufgetischten Streicherbombast satt.
Sashliq gelingen die abwechslungsreicheren Instrumentals: Von gepitchten Streichern und drückendem Bass in "Wer Ich Bin" über soulige Samples in "Ich Habe Nichts" bis hin zu der deutlich härteren Gitarre-und-Claps-Kombination von "Macht Platz" oder dem schlanken, auf Piano und Drums basierenden "Showtime" hat er allerhand zu bieten. Für den Rest sorgen Patrick Ahrend ("Es Ist Wie ...") und Mentor Curse persönlich ("Mein Herz Teil 2").
Der Einfluss, den letzterer zweifellos (und sei es schlicht durch Vorbildfunktion) auf seinen Schützling Germany ausübte, lässt sich nicht überhören. Stimmlich und technisch wie inhaltlich geht man in Minden recht ähnlich zur Sache. Gefühle zeigen interpretiert man hier nicht ohne Grund als Zeichen von Stärke. Der Verlauf der fließenden Grenze zum Jammerlappentum scheint Germany (wie auch Curse) bestens vertraut: Nicht ein einziges Mal gestattet er sich einen Ausrutscher in die Gefilde der Heulsusen.
Im Gegenteil: Erfrischend positiv schält Germany selbst aus unerquicklichen Erfahrungen einen Nutzen für sich heraus. Sämtliche Blockaden, alle Gedankenspiralen um ganz alltäglichen wie sehr speziellen Bullshit führen ihn letztlich zu der alles beherrschenden Erkenntnis: "Mein Herz schlägt, weist mir den Weg, es ist mein Weg". Ein Weg, den Germany, der mittlerweile meilenweit über dem Gerede der Restwelt zu stehen scheint, konsequent beschreitet. Dass er dabei (diesmal im Gegensatz zu Altmeister Curse) nicht den beeindruckendsten, wandlungsfähigsten Techniker abgibt, bleibt für den angenehmen Gesamteindruck letztlich zweitrangig.
Germany meldet sich mit einer klaren Ansage an alle, die ihn bereits abgeschrieben haben sollten, zurück ("Welcome To Germany"). Ohne Bitterkeit reflektiert er die eigene Vergangenheit ("Mein Herz Teil 2"), gesteht einerseits der Musik ("Es Ist Wie ..."), andererseits der Oma ("Linda") seine Liebe, um gleich danach den harten Battlebuben zu geben, der trotz alledem auch noch in ihm steckt. Deswegen "Macht Platz": Sashliqs bluesgeschwängerte Spielereien im Kopfnickerrhythmus kontrastieren in "Ist Gut Jetzt" Germanys Ansagen überaus reizvoll.
Durch das Programm, aus dem sich der Hauptdarsteller nach Clauds soultriefendem Outro "Over Now" unprätentiös auf dem Mofa davonmacht, führt in Form immer wieder eingestreuter Skits dessen Stiefvater Bruce: Auch, wenn dieses Stilmittel überdosiert eingesetzt wird, ist zweierlei nicht von der Hand zu weisen: Die persönliche Note des Gesamtwerks unterstreicht dieser Schachzug ungemein. Und die Lebensweisheiten, die hier mit charmantem Akzent doziert werden, entbehren bei aller Banalität nicht einer gewissen Gültigkeit. "Gib nie auf. Wenn du aufgibst, dann lachen die." Ja, stimmt das etwa nicht?
6 Kommentare
Und das Cover sieht aus wie eins von Mark Medlock. Warum sind Rapper in der Hinsicht so unoriginell?
@HerrSchreckend (« Und das Cover sieht aus wie eins von Mark Medlock. Warum sind Rapper in der Hinsicht so unoriginell? »):
weil es ansonsten nicht rapper wären.
@ freddy
sehr gute review trifft genau zu.
dankö.
Gute Review nur eben spät ne?:D
Werd mit dem Album nicht warm, wie mit dem ganzen Curse-Team da.
jaja.
führ mir die 10-tage-woche und den 36-stunden-tag ein, und alles wird besser.
@freddy (« jaja.
führ mir die 10-tage-woche und den 36-stunden-tag ein, und alles wird besser. »):
und hast du ne sera cd bis jetzt, oder soll ich sie doch schicken