22. Februar 2013

"Ich bin ein bodenständiger Schwabe"

Interview geführt von

Wenn ein Künstler urplötzlich per Hype im Rampenlicht auftaucht, so wie Konstantin Gropper aka Get Well Soon 2008, stellt es bekanntlich keine leichte Aufgabe dar, die Begeisterung in die anschließenden Jahre mitzunehmen.Doch spätestens mit seiner dritten, im August vergangenen Jahres veröffentlichten Platte "The Scarlet Beast O'Seven Heads" hat der gebürtige Oberschwabe die Kurve zur erfolgreichen Musikerkarriere gekriegt. Seine kürzliche Begrüßung des Publikums in Dortmund nimmt man dem 30-Jährigen dennoch irgendwie ab: "Wir haben schon einige Male hier gespielt und sind sehr dankbar, dass immer noch Leute kommen." Vor dem Gig im hässlichen Konzertclub FZW treffen wir Konstantin für ein 20-minütiges Gespräch.

Dein Album "The Scarlet Beast O'Seven Heads" ist im August erschienen. Wie verhält es sich zur inzwischen dritten Platte: Brauchst du neue Ideen und Wege für neue Alben oder ist es eher so, dass du dich als Künstler immer mehr deinem Kern näherst?

Ich hoffe, ich nähere mich nicht meinem Kern an. Das würde nicht unbedingt dem entsprechen, was ich langfristig vorhabe. Ich meine, es gibt ja auch Bands, die das machen und sagen: "Das ist jetzt unser Ding". Aber ich bin eher darauf aus, mir neue Anschlüsse zu nehmen. Ich stecke mir vorher ein bisschen ab, in welche Richtung es gehen soll. Das Album beinhaltet viele Einflüsse italienischer Musik und Filmmusik, nicht mehr so viel Orchestrales.

Oftmals ist der Weltuntergang als Thema deiner Lieder aufgefallen. Ein Wort, das 2012 in aller Munde war. Hast du dich davon leiten lassen?

Ein bisschen schon. Es war zwar nie so ein ernstzunehmendes Thema. Aber die Zustände heute gehen in eine Richtung, dass es bald so aussehen könnte. Weltuntergang ist auch kunsthistorisch ein hochinteressantes Thema. Immer wenn sich Katastrophen häufen, zeigt sich das in der Kunst sehr. Zum Beispiel beim Erdbeben von Lissabon. Die Natur hinterlässt einen riesigen Schlag in der Kunst. Das ist immer sehr inspirierend, finde ich.

Textlich bewegt das Album durchaus zum Schmunzeln, musikalisch dagegen kaum. Da fragt man sich manchmal, ob du dir nicht doch ernsthaftere Gedanken darüber gemacht hast.

Ich sag mal, es hat ja einen ernsten Hintergrund. Wenn ich so Songs schreibe, tragen die Texte immer eine pathetische Überhöhung in sich. Die kann dann eben auch ironisch sein. Und wenn man das Thema Wirtschaft behandelt und ästhetisiert, kommt man halt in so eine Ecke.

Trotz der Tatsache, dass es sich um ein globales Thema handelt, würde ich sagen, dass es eine persönliche Platte geworden ist. Darauf läuft es immer hinaus, wenn ich Texte oder Musik schreibe. Bei mir ist es so, dass ich im Keller sitze und mir die Welt erst einmal ausdenken muss, in der das Album spielt.

Das Albumcover fasst deinen Bezug zum Weltuntergang eigentlich gut zusammen. Stammt es von dir?

Ich habe es zwar nicht selber fotografiert, es war aber meine Idee. Ich wollte die Kurve zum Filmbezug kriegen. Es handelt sich um Filmkulissen und hat teilweise Hitchcock-Bezüge. Dazu kam noch diese Vanitas-Sache und die gesättigten Farben.

Im Zuge deines unerwartet erfolgreichen Debüts hast du damals gegenüber laut.de gesagt: "Der Rummel ist beängstigend". Wie sieht es in der Hinsicht heute aus?

Ich bin da relativ ausgeglichen. Dieser Rummel war zu dem Zeitpunkt einfach sehr neu für mich. Heute bin ich einfach sehr dankbar dafür, dass immer noch Interesse da ist. Ich habe die Angst, dass es irgendwann keinen mehr interessiert, was ich mache.

Es gibt ja genügend Belege, wo es so gelaufen ist. Am Anfang der große Knall und dann ist's schon bald vorbei.

Das geht schnell. Ich bin auch froh, dass man mir immer wieder tolle Projekte anbietet, die in andere Richtungen gehen.

Apropos interessante Angebote, ich saß neulich im Kino und habe deinen Song im Abspann gehört.

"Oh Boy"!

Ja, genau. Hat mir sehr gut gefallen, wie kam es denn dazu?

Jan Ole Gerster, der Regisseur, ist ein guter Freund von mir. Er hat auch die zwei Musikvideos zur ersten Platte gemacht und ich kenne ihn seitdem sehr gut.

Wie hat dir der Film gefallen?

Ich bin natürlich befangen, aber ich finde den Film sehr gut. Es ist ja wenn man so will eine Komödie und davon gibt es in Deutschland nicht allzu viel gelungene. Es freut mich auch, dass er so erfolgreich ist. Und Tom Schilling spielt überragend.

"Ich mach' auch nicht jeden Scheiß mit"

Wo siehst du denn das Zentrum deines Schaffens? Hören wir in der Öffentlichkeit bald hauptsächlich von Konstantin Gropper, dem Produzenten, dem Filmmusiker?

Nee. Also im Moment finde ich es noch super, dass ich viele verschiedene Angebote bekomme. Das gibt natürlich Zeitprobleme, wenn es so weitergeht. Ich habe gemerkt, dass ich ein wenig langsamer machen muss (lacht) Aber ich finde alles gut! Ich mache gerne meine Alben, ich mache gerne Filmmusik. Ich habe jetzt gerade an Theatermusik gearbeitet, das war auch interessant. Ist doch super.

Also darf es ruhig so weitergehen.

Ja, ich muss mal gucken wie lange noch. Also ich bin ja noch nicht so alt, aber mal schauen wie lange das alles noch seine Relevanz hat und sowas. Ich bin da aber auch irgendwie ein bodenständiger Schwabe und sehe es als das, was es ist. Es ist ja alles ein bisschen mein Beruf.

Bei dir sollte man ja meinen, dass einen generell nicht mehr viel überrascht. Und doch fand ich es interessant, deinen Namen als Produzent des neuen Chimperator-Acts Muso zu lesen. Was führte dich zum Deutschrap?

Eigentlich auch nur eine Freundschaft. Ich kenne ihn schon ewig und wir haben vor fünf, sechs Jahren mal was zusammen gemacht. Dann bin ich nach Berlin gezogen, jetzt bin ich wieder da [in Mannheim, Anm. d. Red.] und hab gesagt: Jetzt machen wir endlich mal ein Album.

Ich weiß auch nicht, ich sehe das dann eher so: Ich mach lieber etwas, was überhaupt nicht nahe liegt. Denn ich denke, da kommt vielleicht etwas Spannenderes bei raus, als wenn ich eine melancholische Singer/Songwriter-Band produziere. Das fände ich nicht so interessant. Aber eigentlich war es schon lustig. Ich bin dazu, wenn man es so nennen will, wie die Jungfrau zum Kinde gekommen.

Und das habt ihr dann mit Sizarr-Produzent Markus Ganter zu dritt durchgezogen?

Genau.

Nach dem Sizarr-Album?

Das lief währenddessen, und hat sich ja ewig hingezogen. Ich war vor einigen Monaten bei ihm. Dann hatte ich erst mal wieder viel zu tun und der Markus hat eben noch Sizarr gemacht.

Und jetzt macht ihr Casper.

Ja, genau, auch zu zweit.

Ich habe das Gefühl, dass man sich dir mit jeglicher Idee nähern könnte, damit du ihr deine Handschrift verleihst. Gibt es etwas, worauf du noch wartest? Was du dir wünschst, noch machen zu dürfen?

Ich weiß es nicht, keine Ahnung. Aber vor ein paar Jahren hätte ich auch nicht gedacht, dass ich Hip Hop produziere oder so 'ne Art Musical mache. Ich find's interessant und bin grundsätzlich für alles offen, solange ich etwas damit anfangen kann. Also ich mach' jetzt auch nicht jeden Scheiß mit, so ist es auch nicht. Ich weiß nicht, ob es so wirkt, aber es ist eher eine seriöse Auswahl.

In welcher Zeit hast du denn die nötigen Bekanntschaften gesammelt? Wohl nicht in Biberach. Kam es dazu während des Studiums an der Popakademie?

Nein, eher während der Zeit in Berlin. Da habe ich schon viele Beziehungen aufgebaut. Wobei es eigentlich tatsächlich immer so war, dass ich interessante Angebote bekommen habe. Da hatte ich viel Glück. Aber ob ich jetzt die Wahnsinns-Connections hab', weiß ich auch nicht. Ich kenne zwar schon ein paar Leute aus der deutschen Filmbranche, aber mal sehen.

Im angesprochenen laut.de-Interview hast du über deine Kindheit auf dem Land gesprochen und erzählt, dass sich in Sachen Jugendkultur eigentlich nur eine Frage stellt: Blasmusik oder Fußball. Hat sich die Lage der Dinge aus deiner Sicht in den letzten Jahren verbessert?

Klar, durch das Internet kriegt man mittlerweile immerhin mit, was in der Welt so läuft. Aber es ist schon immer noch so, dass man irgendwie weg muss, wenn man was anderes machen will. Das soll überhaupt nicht abschätzig klingen, das ist ja auch okay.

Ich habe übrigens immer noch viel mit Leuten von dort zu tun, auch wenn die alle nicht mehr da sind. Ich stelle generell fest, dass ich fast nur mit Leuten zu tun habe, die aus der Provinz stammen. Das gilt auch für die Band, das sind irgendwie auch alles Landeier.

"Die Get Well Soon-Hörer kaufen noch Tonträger"

Wir würden noch gerne auf das Thema Streamingdienste zu sprechen kommen. Deine Alben sind auf Spotify zu hören - redest du da mit, oder entscheidet das dein Label? Oder stellt sich die Frage, ob man seine Musik dort zur Verfügung stellt, überhaupt?

Ich glaube, langfristig stellt sich diese Frage nicht. Denn man muss ja irgendwo stattfinden. Ich sehe das auch bei all meinen Freunden, die früher Platten gekauft haben. Die nutzen das alle. Ich find's auch cool, das muss ich sagen. Man hat einfach immer Zugriff auf alles. Erst gestern saßen wir bis nachts um halb vier im Bus und haben uns gegenseitig Songs vorgespielt.

Wirtschaftlich ist das langfristig zwar schon ein Problem für die Musiker. Aber es ist im Moment eben das Ding - und wahrscheinlich auch die Zukunft. Ich glaube auch nicht, dass es was bringt, das zu boykottieren. Da schadet man sich dann eher selber.

Aber fair findest du es nicht, oder?

Nee. Aber ich habe das Gefühl, diese Mentalität, dass man dafür auch Geld zahlen könnte, ist ja irgendwie komplett aus den Köpfen verschwunden. Ich finde es schon sehr bedenklich, dass die Leute der Meinung sind, dass es immer umsonst zur Verfügung stehen muss. Das ist ja selbst bei meiner Generation schon so. Und es gibt eben noch jüngere Leute, die 'Digital Natives', für die das total absurd ist, dass man in den Laden geht und physische Tonträger kauft. Na ja.

Wie erlebt man den Streamingdienst als Künstler? Bist du da eines Tages drauf gestoßen und hast gesehen, dass es dich da auch zu hören gibt? Oder gehen die schon direkt auf den Künstler zu?

Die gehen auf jeden Fall auf die Plattenfirma zu. Wir haben das dann auch besprochen. Und schnell war klar, dass es ein krasses Problem ist. Die Leute kaufen keine Platten mehr, aber von Spotify kriegt man auch nur extrem wenig. Da muss man sich halt überlegen, ob man es lieber boykottiert oder wenigstens noch irgendwo stattfindet.

Wobei ich mit Get Well Soon glücklicherweise auch noch eine Hörerschaft habe, die tatsächlich noch CDs oder Platten kauft. Oft sind die Fans auch schon ein bisschen älter, da geht es noch. Daher haben die Künstler mit jüngerem Publikum schätzungsweise größere Probleme.

Aber ich hab' über die Sache ehrlich gesagt noch nie so groß nachgedacht. Wir reden da zwar schon drüber, aber es ist eigentlich ein logischer Schritt, dass man die Musik streamt. Weil es irgendwo absurd ist, einen Download zu kaufen.

Finde ich auch, denn MP3s sind ja etwas sehr Vergängliches.

Eben. Und dann gehört es ja irgendwie gar nicht so richtig dir. Da gab es gerade einen Fall mit Bruce Willis. Der wollte seinen Kindern seine iTunes-Library vererben. Der hatte eben eine abartig riesige Sammlung und wollte das in sein Testament schreiben. Aber das geht rechtlich nicht, weil sie ihm irgendwie doch nicht wirklich gehört. Er kann es nicht vererben.

Es gibt viele Ansichten, wie die Zukunft aussieht. Einige sagen auch, es sei scheißegal, wie und wo die Leute die Musik hören - hauptsache sie kommen auf die Konzerte. Mir ist es aber schon wichtig, Platten aufzunehmen, mir ein Artwork und ein Konzept auszudenken. Ich bin eben so aufgewachsen.

Viele Konsumenten sind ja sogar froh, dass gerade kleine Bands heutzutage so viele Konzerte geben müssen.

Ich habe gerade gelesen, dass einige Bands mittlerweile wahnsinnig viel Wert drauf legen, dass sie auf ihren Alben so Hymnen haben. Damit die Leute dann zuhause sitzen und denken: Wow, das muss ich live sehen und mitsingen. (lacht) Die Platten sollen dann so klingen, dass der Konsument es unbedingt live hören will.

Das ist natürlich überhaupt nicht mein Ansatz. Wenn ich meine Platten aufnehme, denke ich noch überhaupt nicht darüber nach, wie ich das live umsetze. Sondern ich will eine gute Platte machen und geh' dafür keine Kompromisse ein. Die Frage nach der Live-Besetzung stelle ich mir erst danach.

Zum Schluss noch eine recht abgedroschene Frage. Aber da du ja in der Hinsicht Junkie sein musst - was ist dein Lieblingsfilm?

Puh, eine Auswahl aus fünf Filmen würde mir, glaube ich, irgendwie leichter fallen. "Barry Lyndon", "Vertigo", "Magnolia". (schweift ab) "Good Fellas". Und "Les Choses De La Vie" mit Romy Schneider und Michel Piccoli. Ach ja, und eigentlich auch "Ludwig II." von Visconti mit Helmut Berger. Jetzt haben wir sechs.

Mit Konstantin Gropper sprachen Michael Schröder und Simon Langemann.

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LAUT.DE-PORTRÄT Get Well Soon

Konstantin Gropper ist auf der Flucht vor seiner Vergangenheit. Insbesondere sein Herkunftsort Biberach scheint dem 82er-Jahrgang ungenehm bis peinlich.

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