laut.de-Kritik
Politischer Rap zum nicht so Wohlfühlen.
Review von Yannik GölzPolitischer Rap hat einen schweren Stand. Wer sich Musik als Plattform für soziale Diskussion aussucht, muss nicht nur verdammt viel im Kopf haben, sondern auch genug musikalisches Gefühl mitbringen, all das in den richtigen Dosen in die Songs fließen zu lassen. Ghais Guevara könnte aber der neue leuchtende Stern dieses Subgenres sein: Der Rapper-Producer lässt auf "BlackBolshevik" ein Album folgen, das so klug wie emotional zugänglich ist. Mit einem Sound zwischen dem jungen Joey Bada$$ und JPEGMafia überzeugt er mit seinem Graswurzel-Bezug zu realen politischen Fragen.
So geht zum Beispiel kaum ein Song so direkt und konsequent mit einem handfesten Thema ins Gericht wie "Patrisse Cullors Stole My Lunch Money". Darin geht es um ebendiese Aktivistin, die formierend an der Black Lives Matter-Bewegung mitgewirkt hat, aber letztes Jahr in die Kritik damit geraten ist, anscheinend Geld der Bewegung für mehrere Wohnungen veruntreut zu haben. Für Amis, deren politischer Kompass aus rechts und sehr rechts besteht, könnte es schockieren, mal einen richtig hartgesottenen Linken am Mic zu hören – vor allem dann, wenn der mit scharfer Prioritätensetzung gegen akademischen Jargon und Twitter-Aktivismus schießt und sich stattdessen für Nachbarschafts-Infrastruktur und Umverteilung ausspricht.
Das führt dazu, dass im Laufe des Albums immer wieder Zeilen durch den Raum schießen, die wirklich ungemütlich klingen. "White folks talking bout the city like it's just gay pride and fun" sagt er zum Beispiel. Eine von mehreren Lines, die Verteidigungsreflexe auslösen könnte, aber man kann sie eben auch so verstehen, dass die aktuelle liberale Bubble die Siegesfeier genießt, sich aber kaum die Hände schmutzen machen möchte. Und das ist natürlich auch hier kein totes Argument. So schön und wichtig Pride-Paraden sind, sollte linker Diskurs doch weiter reichen als zu Events, die inzwischen von Männern der CDU und FDP eröffnet werden können.
Generell: Lines wie "These niggas riskin they life for / These crackas like Pocahontas auf dem wundervoll benanntem "I Personally Wouldn't Have Released John McCain" stellt schwere Fragen darüber, wer wen zu respektieren hat. Wer schuldet wem eine ruhige Antwort oder eine höfliche Erklärung? Man könnte das jetzt als spaltend bezeichnen, aber es tut so gut, inhaltlich konkrete politische Raps zu hören, die weder esoterisch noch liberal klingen. Es sind Statements, an denen man sich reiben kann und über die es sich zu sprechen lohnt, dazu sind sie künstlerisch auch ein valider Ausdruck von Wut über einen gleichzeitig brodelnden wie stillstehenden linken Kulturkampf, der in den Vierteln kaum ankommt, die ihn wirklich nötig hätten.
So viel politische Tiefe, klingt preachy oder trocken? Überhaupt nicht. Als Produzent zieht Guevera auf "There Will Be No Super-Slave" ein Ass nach dem anderen. Hauptsächlich auf Sampling als Handwerk fixiert flippt der Mann alles von arabischen Volksliedern bis hin zu klassischem R'n'B, experimentiert offen mit Tempi und Drum-Pattern und schießt alles mit Beatswitches und Interludes zu. Vielleicht ist es ein müder Vergleich, jedes Rapalbum mit schräger Sample-Architektur mit "Madvillainy" zu vergleichen, aber man muss hier Probs geben, dass Guevara seinen ganz eigenen Grooves und seine ganz eigenen Songstrukturen gefunden hat.
Und die ranken sich um eines: Darüber, dass er sich zwischen all dem Köpfchen und all der Kreativität einfach wieder und wieder den Arsch abrappt. Sein Flow auf dem intensiven "#freeemir", seine süße, nahbare Date-Erzählung auf "Raymon Legends" oder das klassische Hip Hop-Spitten auf "Face / Off": Ja, die politische Intelligenz, der genuine Bezug zum graswurzelbewegten Aktivismus, die verdiente Wut, das sind alles Eckpfeiler, aber im Kern dieses Albums steckt verdammt viel musikalisches Talent. "There Will Be No Super-Slave" ist ein emotionales Manifest eines wütenden, klugen Kopfes, der mehr zu sagen hat als ein Joey Bada$$, aber auch genuiner und ernster auftritt als ein JPEGMafia. Die Fraktion, die sich den Inhalt im Rap zurückwünscht, sollte das hier auf keinen Fall verpassen.
1 Kommentar
Klingt erst einmal interessant, wird auf jeden Fall angehört. Dem Review nach scheint es politisch in die Richtung von Soul Glo zu gehen, was natürlich gut wäre.