laut.de-Kritik
Gil singt jetzt deutsch und zeigt Ecken und Kanten wie ein Kreis.
Review von Stefan MertlikLängst sind die Zeiten vorbei, in denen Gil Ofarim als Teenie-Schwarm mit kitschigen Popstücken die Charts eroberte. Stramm geht er auf die 40 zu. Heute schleicht er sich ins Bewusstsein der Deutschen hauptsächlich mit Engagements bei "Schlag den Star" und "Das große Promibacken". Nach Projekten mit seinen Bands Acht. und Zoo Army steht ein weiteres Soloalbum an, das an frühere Hochzeiten anknüpfen soll.
"Alles Auf Hoffnung" passt zur aktuellen Marschrichtung der deutschen Musik-Branche. Wie zuletzt Orange Blue und Itchy entschied sich Gil erstmals für die Muttersprache. Der 37-Jährige kommt damit zwar spät zur Party, auf die Qualität sollte sich das jedoch nicht auswirken. Und Qualität kann der Münchner. Gitarre und Stimme hat er im Griff. Wie ein guter Popsong funktioniert, weiß er sowieso.
Nach der fünften Power-Ballade ist die Luft allerdings raus. Die rührseligen Texte übersättigen, nichts bleibt im Gedächtnis: "Immer bist du wie ein Licht / Für die ganzen schweren Stunden / Und die Mauern, die mich bremsen / Hast du längst schon überwunden." Durch die deutsche Sprache und den Fokus auf Herzschmerz schlittern Stücke wie "Ein Teil Von Mir" nur haarscharf am Schlager vorbei.
Dabei hätte Gil nach über 20 Jahren im Showgeschäft interessante Geschichten zu erzählen. Abgesehen von "Nach Dir Der Regen", das dem verstorbenen Vater gewidmet ist, bleibt jedoch wenig hängen. Von Herzen kommende Inhalte gehen in einer Verkettung von Allgemeinplätzen und Plattitüden unter. Gil hat Lieder geschrieben, die ihren ganzen Inhalt bereits im Titel verraten: "Du schaffst es!"
Obwohl viele Songs nach Baukasten klingen, blitzt Gils Liebe für die Musik immer wieder durch. In "Freiheit In Mir" und "Das Längste Lied" tauscht er die Akustik- gegen die E-Gitarre. Aufgesetzt wirkt das nicht. "Pierrot" überrascht dann sogar textlich. Darin schlüpft er in die Haut einer Bühnenfigur, die der Pantomime Jean-Gaspard Deburau erschuf: "Mein Name ist Pierrot / Ich kann grad nicht / Und ich mach's dann sowieso / Ist meine Pflicht." Der Wink auf seine Zeit als Teenie-Star ist vermutlich gewollt.
Als Bonus enthält "Alles Auf Hoffnung" Akustikversionen von vier Albumstücken. Diese drücken dank Streichern und Cassandra Steen noch stärker auf die Tränendrüse. Schöne Dreingabe – gebraucht hätte es die Zugaben aber nicht. "Alles Auf Hoffnung" funktioniert als solide Pop-Platte, die von ihrem charismatischen Protagonisten lebt. Ecken und Kanten gibt es hier allerdings so viele wie bei einem Kreis.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Ihr könnt sagen Was ihr wollt aber bei der Werbung zu diesem Album muss ich immer an eine Parfumwerbung denken. Your fragrance, your rules.
Zeigt Ecken und Kanten wie ein Kreis...made my day...
Schön, dass du dich an einfachen Dingen erfreuen kannst
Immerhin hat der Gil die Haare schön.
Das dachte ich mir auch sofort. Einige Frauen werden dahinschmelzen. Und dieser Weitblick bei Gegenwind, diese Spuren der Rrrrrreife ... einfach toll.
Le kotz