laut.de-Kritik
Amtliche Battle-Ansagen vom Superschwiizer.
Review von Dani FrommManchmal frage ich mich schon, was die Eidgenossen eigentlich im Trinkwasser haben. Kaltes, klares Wasser aus Gebirgsbächen kann für den unglaublichen Output, den die Hip Hop-Szene der Schweiz derzeit produziert, unmöglich alleine verantwortlich sein. In Chur scheint jedenfalls die reine Rapsuppe aus den Hähnen zu tropfen, und Gimma hat sie zweifelsohne mit dem Löffel gefressen.
Dazu stand wohl auch eine ordentliche Portion Irrwitz auf dem Speiseplan: "I han es Rad ab und es isch mr gliich" - und ja, ich find' es sexy, Baby. Ein Album mit einer als "Outro" deklarierten Country-Einlage anzufangen, zwischendurch einen völlig durchgeknallten Gitarrero zum "King Of The Loose Boobs" zu krönen und abschließend die versöhnliche Message "Machend Khai Kriag" in eine Antikriegslied-Parodie zu albernstem Elektrobeat zu gewanden, die vom Whisper- über den Ketchup-Song bis hin zu David Hasselhoffs "I've Been Looking For Freedom" alles durch die heiße Toblerone zieht: Das muss sich erst einmal einer trauen.
Mit "Uh Schallala" kredenzt Gimma zudem einen Hip Hop-Song, den Leute geil finden, die Hip Hop nicht geil finden, und der klanglich jedwede Assoziation, die der Titel wachruft, prompt bedient. Selten bin ich über dem Genuss einer Platte häufiger in schallendes Gelächter ausgebrochen.
Wer jetzt den Eindruck erhalten hat, man bekäme es bei Gimmas "Panzer" mit harmlosem Spaß-Rap zu tun, darf sich zu einem gediegenen Spaziergang auf dem Holzweg beglückwünschen. Die Comedy-Elemente liefern nur eine der Zutaten des Graubündner Hip Hop-Eintopfes. Amtliche Battle-Ansagen finden sich in "Badboybauer": Den Hintergrund beherrschen Kuhglocken und Zwischenrufe, die glatt von Crunk-König Lil Jon ausgeborgt sein könnten.
In "Hol Dr An Politiker" erntet die SVP die zu recht stinksaure Retourkutsche auf eine ihrer jüngsten Werbestrategien: Auf provokante Wahlkampagnen folgt ebenfalls Provokation, der (laut.de berichtete) mit gerichtlicher Hilfe das Maul verboten werden soll. Ohne Weiteres lässt sich das allerdings nicht stopfen, denn Gimma gibt nicht nur den "König Vo Da Luusbuaba" (dem Yvan eine theatralische, treibende Hymne auf den Leib schrieb), sondern bekleidet darüber hinaus das Amt eines "Chef Vo Schwiiz", unter dessen Regentschaft sich zwar nicht die Liechtensteiner, aber doch immerhin die Zürcher der Gleichstellung mit Vertretern anderer Nationen erfreuen dürfen.
Deren Schar erweist sich als so multikulti wie das Instrumental: Die orientalischen Pfeifen, nach denen Gimma das ganze Land tanzen lässt, entsprangen dem musikalischen Genie von Kuchikäschtli-Produzent Claud, der zudem für den Beat zu "Dr Summer Davor" zu huldigen ist: Unter Streichern und Gitarren braut sich eine Story zusammen, die, ebenso wie der mit Leib und Seele vorgetragene Opener "Stohn Uf!" eine Gänsehaut er anderen nachjagt: "Lohn si nur koh, i will etz ufruhma." Die angemessen dramatischen Streicher schickt Shuko aus Mainz.
Gimma beherrscht leise, nachdenkliche Töne ("Dr Summer Davor", "Angels" oder "... Khuma Nüma Zrugg") und gestattet in "Weni Gross Bin" Einblicke in eine traurige Kinderseele. Im nächsten Moment stapft der Superschwiizer, "Links, Rechts", unaufhaltsam wie ein Elefant durch sämtliche Porzellanläden des Landes, macht dabei weder Kompromisse noch Gefangene sondern zeichnet seine eigene Version der Apokalypse. Die Anklage lautet auf Aufruf zum Politikermord und pietätlose Anstiftung zum Suizid. "Fühlsch Mi?!" Aber hallo!
Jede Sprache ist rap-bar. Stress und Cigi statuieren galoppierende Exempel in französischer und italienischer Ausführung. Mein Faible für flowendes Schweizerdeutsch dürfte mittlerweile ohnehin hinreichend bekannt sein. "Every day is a hustle" - wieder einmal ist es Claud, der diese Behauptung in "Jeda Tag" in druckvolle Claps und überdrehte Streicher verpackt.
Da kann Sido Fuffies werfen, so lange er will: Gimma fährt mit dem "Panzer Im Club", nachdem vorher die Bässe eines ebenfalls mit morgenländischen Elementen spielenden Shuko-Beats Granaten gleich die nötigen Schneisen geschlagen haben. Unterstützung holt er sich hier von Baze und Double Pact-MC Nega, der den französischen Part übernimmt.
"Gimma wird empfohlen ab 18 Jahren", rät der Sticker auf dem Cover, der vor expliziten Inhalten warnt. Ich schließe mich an: "Gimma wird empfohlen."
25 Kommentare
25 Tracks uf dere CD? Pfff, willsch aber ned säge, dass das Album nur guets Züüg druffe hed. Das nimmi dier nämlech ned ab.
Guet ich lose au kei Hip Hop aber ich könne doch es paar Lieder vo ihm.
was ne degenerierte sprache -.-
hesch ächt dfräss?
@ topic:
Gimma ist ein Depp, kann mir nicht vorstellen, dass die Scheibe wirklich die 4 Laut-Punkte verdient (in Spendierlaune, freddy? )... eher so:
@Die Sonntagszeitung (« 25 Tracks sind eindeutig zuviel, die 5 guten dafür klasse. Der Churer Gimma ist der einzige Mundart-Gangsta der es mit Stress aufnehmen kann. Leider auch in Punkto Texte: Er labert denselben Hirnmatsch! »):
@HalloErika (« man hätte das 1.Album vom Herrn Gimma *revieweren* sollen. Das war um einiges besser als der Nachgänger.
p.s.: revieweren: Gibt es dieses Wort? »):
ne, reviewen eher
Dieser Kommentar wurde vor 8 Jahren durch den Autor entfernt.
Legendäres Schweizer HipHop Album dass mich damals zum Hip Hop brachte. Gimma versteht es Harte Texte zu paaren mit Witz und Charme und einer doch recht ehrlichen Message. War lange mein Lieblings-Album und wir auch ewig einer meiner Evergreens bleiben, ganz klar 5/5.