laut.de-Kritik

Rückkehr mit kaltem Hirsch und warmen Indie-Songs.

Review von

Wenn mir einer 2004 im Zelt des spanischen Benicássim Festivals erzählt hätte, dass die gerade höllisch abgefeierten Girls In Hawaii noch mal vier Jahre brauchen werden, um ihrem rundum gelungenen Debüt "From Here To There" einen Nachfolger anzuhängen, hätte ich vermutlich sehr laut gelacht.

Und in meinem schon damals nicht mehr juvenilen Übermut geantwortet: "Pass lieber auf, die kommen spätestens 2006 ganz groß raus. Tschüss Mando Diao und so." Und jetzt? Notiz an mich: Tschüss, A&R-Job.

Es ist 2008, Mando Diao sind leider irgendwie immer noch da und das einstige belgische Indie Rock-Wunder hat Patina angesetzt. Allerdings nur auf dem Papier. In echt ist es schwer vorstellbar, dass es einen Indie-Liebhaber gibt, der an "Plan Your Escape" irgend etwas großartig auszusetzen hat.

Nach anfäglicher Skepsis ob des zurück genommenen Druckfaktors, den die Band auf der Bühne nach meiner Erinnerung nicht so zimperlich einsetzt, erliegt man sowohl den durchweg harmonieseligen Songs als auch der Stimme Antoine Wielemans'. Die klingt immer noch so, als habe er gerade eine derbe Grippe überstanden.

Hervorzuheben sind sicherlich die Beach Boys-Bewerbung "Sun Of The Sons", eine Sunshine-Nummer, die jede 'normale' Band als Opener verwendet hätte. Dazu der einzig beherzte Rocker "Grasshopper" sowie "Bored", das die heuer fast vergessene Stärke der Band zum Vorschein bringt: Alarmierend rotierende Gitarrenriffs in höchst affirmative Popsongs zu integrieren.

Auch der im Vaudeville-Stil vorgetragene Kinderreim "Couples On TV" samt Mandoline und Glockenspiel steht dem Sextett ausgezeichnet. Die Aufmerksamkeitsspanne lässt gegen Ende aber leider etwas nach. "Birthday Call" gerät zum Klimax des Albums, anschließend laufen die Girls noch ein paar wohl verdiente Ehrenrunden.

Unter der Ägide des Noir Desir-Produzentenfuchses Jean Lamoot entstand ausgerechnet im einsamen Waldgebirge der Ardennen ein Album, das trotz Regensamples und eingearbeiteten Knistergeräuschen eine angenehme Wärmedosis mitliefert.

Ob wir auch deshalb so lange auf neue Girls In Hawaii-Songs warten mussten, weil die Indie-Jungs für ihr Cover noch eigenhändig einen Hirsch fangen mussten, bleibt hingegen Spekulation. Tot ist er jedenfalls, so viel verriet Wielemans im Interview. Die kalte Schönheit der Fotografie habe den Ausschlag fürs Cover gegeben. Form und Inhalt - ausnahmsweise herrscht hier kein harmonischer Einklang.

Trackliste

  1. 1. This Farm Will End Up In Fire
  2. 2. Sun Of The Sons
  3. 3. Bored
  4. 4. 5.20.22 Shades Of Time
  5. 5. Fields Of Gold
  6. 6. Couples On TV
  7. 7. Grasshopper
  8. 8. Colors
  9. 9. Birthday Call
  10. 10. Road To Luna
  11. 11. Coral
  12. 12. Summer Storm
  13. 13. Plan Your Escape

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