laut.de-Kritik
Auch als Soulpopper inszeniert er sich unterhaltsam.
Review von Martin LeuteSeine Wandlungsfähigkeit hat der Multiinstrumentalist, Sänger und Produzent Gonzales bereits zur Genüge unter Beweis gestellt. Kein Genre ist ihm fremd, mal gibt er den Elektroniker, dann überrascht er mit einem Rapalbum, um anschließend mit einer Soloklavier-Scheibe in die Jazz-Schublade gesteckt zu werden.
Dass sich der Wahlberliner mit "Soft Power" nun dem Soulpop und dem Disco-Sound mit starker Tendenz zu den Spätsiebzigern zuwendet, kann da kaum mehr überraschen. Im Booklet gibt er mit der Auflistung der Grammy-Gewinner aus dem Jahr 1978 die Richtung vor und seine Inspirationsquellen an: Earth, Wind, Barry Manilow, Billy Joel, Al Jarreau oder die Bee Gees.
"Die Musik ist sanft", äußert er sich zum Inhalt der Platte. "Ich verwende viele Merkmale des 70er-Softrock". Das watteweiche Soundkostüm konterkariert er dabei mit bissigen Texten. Ziemlich selbstgefällig, wie er den Opener "Working Together" mit "Gonzales!" und folgendem Applaus einführt. Es folgt ein in die Beine gehender Discokracher mit sonnigem Pianolauf und flotten, rhythmisierenden Handclaps.
Ähnlich tanzbar sind das an ELO erinnernde "Unrequited Love" und das mit Streichern unterlegte "Let's Ride" aufgemacht, dessen weiblicher Backgroundchor Anologien zu Barry Whites einstiger Damen-Kombo Love Unlimited offenbart. Süßlicher als in "Slow Down" kann Soulpop kaum klingen. Glockenspiel, Piano und Bass umrahmen Gonzales' schmachtenden Gesang. Wer Gerry Raffertys "Baker Street" kennt, kann sich ausmalen, wie das nostalgisch anmutende Saxophonsolo tönt.
Schön, dass Gonzales auch ganz entspannten Stücken Raum lässt. Neben der Pianoballade "Map Of The World" präsentiert er mit dem Instrumental "Modalisa" lässigen Barjazz, das zurückgelehnte "C Major" gefällt mit dezenten Gospelanleihen und mehreren summenden männlichen Stimmen, das großartige "Apology" lässt sich melodisch und instrumental in die Nähe einiger Balladen von Ben Folds rücken.
Das Album schließt er ganz reduziert instrumentiert mit den Textzeilen "Singing something/ now I'm quite perplexed/ by which note should come next/ yes, I'm self-conscious/ I should be singing something/ 'cause I like the echo in this room" ab. Ein schöner Kunstgriff dieses postmodernen Pop-Konstrukteurs, der sich die Popwelt ironisch erfolgreich aneignet und sich als Narziss inszeniert. Die Fragen nach der Authentizität stellen andere.
Ach, nicht zu vergessen, da tönt nach vielen Minuten noch ein hübsch-absonderliches Hip Hop-Stück als Hidden Track aus den Boxen, der Gonzales' schrägen Blick auf die Welt in einer Nummer präsentiert. Gonzales ist ein Schelm und begnadeter Entertainer zugleich, der sich einmal mehr mit recht hohem Unterhaltungswert neu erfunden hat. Wer auf Disco und smarten Pop steht, dem wird das abwechslungsreiche "Soft Power" viel Vergnügen bereiten.
Noch keine Kommentare