15. Juni 2009

"Rick Rubin riecht super"

Interview geführt von

Vom gut behüteten Szene-Darling zur Kultband in drei Jahren: Gossip machens vor. Nicht zuletzt dank Beth Dittos werbeträchtigem Aufmischen der Modewelt. "Music For Men", das erste Album beim Major Sony, soll die Aufmerksamkeit nun wieder auf die Musik lenken. Wir trafen die Band für zehn schlanke Minuten in Berlin.Zunächst mal: Beth Ditto ist keineswegs so korpulent wie erwartet. Vielleicht macht schwarz ja wirklich schlank, aber die fröhliche junge Dame, die mir zusammen mit ihrer Band gegenüber sitzt, hat auf den ersten Blick gar nicht so viel gemein mit der Medienfigur Beth Ditto, dem Gesicht, dass man schon ewig zu kennen scheint und dessen Omnipräsenz nicht nur auf laut.de in den letzten Wochen fast närrische Ausmaße angenommen hat.

Erstaunt nehme ich zur Kenntnis, dass es sich bei Gossip eben doch nicht um eine One-Woman-Show handelt, sondern ganz im Gegenteil: Hier tritt eine Band als Einheit auf. Keine Allüren, auch nach heute allein 17 Interviews plus drei Wochen Europa immer noch hoch motiviert und ständig am Kichern. Allein Beth Dittos ansteckende Lache lässt die alte Lagerhalle, die sich der neue Live Club Astra schimpft, erzittern.

Also, wie war es denn so mit Rick Rubin?

Brace: Das war eines der aufregendsten Erlebnisse aller Zeiten. Es war toll!

Wie riecht er denn?

Beth: Oh, er riecht super.

Er sieht ja ein bisschen so aus, als ob er miefen könnte.

Hannah: Nein nein, er hat zwar immer das gleiche Outfit an, aber er wäscht seinen Bart jeden Tag.

Und ist er wirklich im Studio? Ich habe gehört, dass das alles seine Assistenten machen und er nur ein Mal pro Tag eine Runde dreht, um alle gleichzeitig stattfindenden Produktionen zu überwachen.

Brace: Naja, das liegt daran, dass die Bands mit denen er sonst arbeitet, keine große Hilfe benötigen. Also bei uns war er immer da.

Hat er viel verändert an euren Songs?

Beth: Er eigentlich nicht, aber wir haben viel verändert. Also er hat uns nie zu etwas gedrängt oder so. Er hat eher ein paar Sachen vorgeschlagen. Der Gesang ist zum Beispiel fast identisch mit unseren Demos.

Könnt ihr eigentlich gut spielen?

Hannah: Öh, nein. Aber das ist eben unsere Art von Charme, haha.

"Happy Birthday, Morrissey!"

Das beste Stück auf "Music For Men" ist meiner Meinung nach "Long Love Distance".

Alle: Vielen Dank!

Es hat so eine Art Eurodance, early 90s Flavour, hört sich an wie Ace Of Base.

Brace: Yeah! (Alle quieken vor Freude und singen durcheinander) Wir haben viele alte House-12"es gehört und ja: Ace Of Base sind sowieso unsere Lieblinge. Gott, endlich erkennt das mal jemand.

Ein bisschen Roisin Murphy könnte man auch raushören. Ich weiß immer noch nicht, wie man ihren Vornamen eigentlich ausspricht.

Beth: Roischin, Roischeeeeen. Aber wir nennen sie nur The Raven.

Und euer Cover-Artwork sieht sehr nach Morrissey aus.

Hannah: Yeah!

Und der hat heute auch Geburtstag!

Beth: Oh, Happy Birthday Morrissey!

Wird 50., der Gute!

Brace: Das müssen wir unbedingt feiern. Wir sollten Morrissey heute als Intro-Song spielen!

(Anm. d. Red.: Machen sie auch: "Suedehead" kommt!)

Beth: Und wir brauchen dann noch Blumen, hier gegenüber habe ich einen Laden gesehen!

"Fever Ray war die beste Show ever!"

Wie schreibt ihr denn eure Musik?

Beth: Ich sollte jetzt sagen, dass ich alles schreibe, aber das ist Blödsinn. Nein, wir schreiben alles als Band. Wir gehen zwar jedes Stück anders an, aber immer gemeinsam.

Und deine Stimme kommt zum Schluss?

Beth: Nein nein, ich jaule die ganze Zeit immer mit rum, immer mittendrin.

Gibt es irgendeinen aktuellen Künstler, den ihr zur Zeit favorisiert?

Beth: Darüber habe ich heute erst nachgedacht, wahrscheinlich Fever Ray, wir haben die gestern in Graz gesehen, und das war wohl die beste Show ever!

Ihr seid wirklich nett zueinander, eine Art Unit, das hätte ich irgendwie nicht erwartet.

(großes Gekicher)

Ich hatte vorhin kurz meinem Vorgänger zugehört, als es um den ganzen Gossip-Gossip ging, und ob der eure Band, die Musik überschattet. Ihr habt darauf in etwa geantwortet, solange die Musik gut genug ist, machen wir uns darüber keine Sorgen. Wollen wir das Thema noch weiter vertiefen?

Brace: Oh nein, muss wirklich nicht sein.

Beth: Die Coca Cola-Werbung haben wir übrigens abgelehnt, haha!

Gut, was ist der größte Unterschied zwischen Europa und Amerika?

Hannah/Beth: Kunst, Kultur, Mode, Design, Schönheit, Radikalität, Politik, Liebe.

Beth: Für uns Amerikaner ist es schwer vorstellbar, dass hier auf gleichem Raum so viele unterschiedliche Kulturen existieren, einfach weil die USA ein so großes Land sind. Bei uns ist alles gleich, alles ist gleichgeschaltet, im Radio läuft in New York der gleiche Scheiß wie in Seattle, einfach lächerlich.

Gibt es irgendeinen Song oder Künstler, der euren Heimatstaat Arkansas beschreibt?

Beth: Johnny Cash ist aus Arkansas. Und Scott Joplin.

(alle fangen an zu singen ...)

Beth, wer ist dein Lieblingsdesigner?

Beth: Mein Lieblingsdesigner? Oh, das ist schwer. Jeremy Scott?

Jeremy? Echt? Kennst du die Kollektion, die er mit Adidas gemacht hat?

Beth: Ja klar, ich habe die Schuhe mit der riesigen Lasche vorne dran. Ich mag an Jeremy, dass er das ganze Ding nicht so bierernst nimmt. Außerdem ist er aus Missouri, das liegt gleich bei uns um die Ecke.

Wie riecht eigentlich Karl Lagerfeld?

Beth: Oh, der riecht echt gut. Sehr intensiv.

Brace: Er hat immer diese vier Italiener in Lederjacken um sich herum, von denen zwei glaube ich Polen sind. Die begleiten ihn ständig und passen auf ihn auf wie auf ein Baby.

Es gibt so ein neues Buch über einen früheren Assistenten von ihm, der ihn ganz schön bitcht.

Beth: Oh, das Schwein. Wie heißt das Buch denn?

"Karl Lagerfeld und Ich: 15 Jahre an der Seite des Modezaren" von Arnaud Maillard.

Beth: "Ich und Karl", soso, alles klar. Vielen Dank.

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