laut.de-Kritik
Die Plüsch-Version von Dillon, Lykke Li oder Emiliana Torrini.
Review von Andrea TopinkaViel hat Helen Croome alias Gossling bisher richtig gemacht. Einige Songs ihrer eigenproduzierten EPs landeten in prominenten TV-Serien, der hippe Radiosender Triple J, der seit Jahrzehnten über Top oder Flop entscheidet und zuletzt Künstler wie Flume oder Tame Impala pushte, nahm sie in die Rotation auf, und dank ihrer Zusammenarbeit mit dem Rapper 360 schnupperte Gossling Luft in den Top drei der australischen Charts.
Das schürte natürlich hohe Erwartungen an den ersten Langspieler, denen die in Melbourne wohnhafte Dame mit einem Bachelor in Komposition nur schwer gerecht werden kann. Der Wandel vom akustischen Folk-Mädchen hin zu elektronisch geprägtem Folkpop, den sie während der Aufnahmen zum Album vollzog, will nur so halb gelingen.
"Harvest Of Gold" besitzt zwar seine verzückenden, berührenden Momente. Zu oft aber scheint eine Plüschversion von Künstlerinnen wie Dillon, Lykke Li oder Emiliana Torrini auf den Plan zu treten. Mit Letzterer verbindet sie vor allem die außergewöhnliche Stimme, angesiedelt zwischen Torrini, Björk und Julia Stone.
Wie immer in solchen Fällen hängt es vom persönlichen Geschmack ab, ob man Gossling nun wegen ihres Organs hassen oder lieben mag. Der Gesang bleibt auf jeden Fall das, was die Songs auszeichnet und ihnen Farbe verleiht, sei es der Titeltrack "Harvest Of Gold", in dem sie zwischen hypnotisierend gehauchten Strophen und einem süßen Singsang-Refrain wechselt, oder die bedrückende Ballade "Vanish", in der die Töne gefühlt jederzeit brechen könnten.
Die musikalische Umsetzung plätschert ansonsten nämlich ohne Überraschungen vor sich hin: Discohafte Indiepop-Nummern ("Challenge"), die ein bisschen an Metrics "Grow Up And Blow Away" erinnern, tränenreiche Balladen ("Pulse"), ein Duett mit Gastsänger Alexander Burnett von Sparkadia: Selbst mit männlicher Unterstützung ist "Songs Of Summer" nur eines unter vielen Liedern, die sich an enttäuschter Liebe abreiben, begleitet von ein paar aufheulenden Streichern.
Insgesamt stößt Croome mit der Liebesthematik schnell an ihre lyrischen Grenzen, vor allem im Schatten von Referenzen wie Lykke Li. Die Schwedin hat gefühlt alles zum Thema "Frau verliert im Laufe ihrer 20er den Glauben an die Liebe" gesagt und dabei ihren allumfassenden Weltschmerz immer noch mit bewundernswerter Anmut präsentiert.
Irgendwo zwischen Gosslings bisweilen holprig getexteten Zeilen ("Heartache will come when sober / Hasn't been home to notice he's older") stecken dieselben Gefühle, leider packen nur wenige ihrer Geschichten. Den Rest kennt man einfach schon: ein kalter Macho hier ("Accolade"), Schmerz, den die große Liebe unweigerlich mit sich bringt, da ("Big Love") oder auch die Entfremdung zweier Liebender ("Songs Of Summer").
"Ich liebe große, epische Songs, die dieses Kino-Feeling versprühen. Das ist das Größte für mich. Auf so etwas stehe ich einfach und deswegen musste mein Album natürlich auch so satt und überdimensional klingen." Was Gossling im Pressetext zu ihrem Debüt "Harvest Of Gold" als Qualität der Platte anpreisen will, scheint eher das Problem darzustellen.
Dick aufgetragener Elektropop voller Orgelklänge, Streicher und Bläser, vorgetragen mit betont jugendlichem Charme und bittersüßen Geschichten vom Scheitern der Liebe: Das mag auf die eine oder andere Art überdimensional und satt wirken. Ein episches Debüt, das in ein paar Monaten in den Jahresbestenlisten vorne mitmischt, gibt "Harvest Of Gold" aber eher nicht her.
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