laut.de-Kritik

Der Weg ins Paradies führt über Dark Trap und Black Metal.

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"Ich such' mein Leben lang schon nach dem Paradies." Dass sich hinter den Fassaden von Horrorcore-Rappern und Metal-Bands häufig Romantiker mit einem Hang zum Kitsch verbergen, beweist Grafi gleich mit der ersten Zeile seines dritten Albums. Seit drei Jahren vermischt der Berliner Dark Trap mit skandinavisch geprägtem Black Metal, womit er sich in gleich zwei düsteren Szenen bewegt. Mit dem Titel "Ektoplasma" bezieht er sich dem entsprechend nicht auf das Reich der Biologie, sondern auf das wohl am ehesten aus "Ghostbusters" bekannte parapsychologische Phänomen.

Im eröffnenden Titelsong begrüßen zirpende Grillen den Hörer. Die Atmosphäre mag etwas unheimlich wirken, doch im Großen und Ganzen bildet Grafi musikalisch eine friedliche Nacht mit dem Maisfeld in Sichtweite ab. "In meinem Kopf tobt seit Jahren schon ein Krieg", erzählt er im ruhigen Ton von der ihn umgebenden Dunkelheit. Trotz vereinzelt martialischer Bilder wirkt er bei der Ausleuchtung des eigenen Seelenlebens mitunter so, als habe er insgeheim schon seinen Frieden mit den belastenden Unwägbarkeiten des Lebens geschlossen.

"Hab' mich verloren in den Tiefen der Meere. Auf der Suche nach mir selbst zwischen Glück und Misere", gerät er in den metaphorischen "Mahlstrom" seiner Psyche, der ihn mit Erkenntnissen überfordert: "Ich krieg' keine Luft mehr." Leider vermeidet Grafi eine eingehende Selbstreflexion, die echte Empathie evoziert. Stattdessen vermittelt er den Eindruck einer Nabelschau ohne tieferen Erkenntnisgewinn. Im gleichermaßen mit dem Wasser-Motiv spielenden "Neptun" reiht er etwa abgegriffene Sprachbilder wahllos aneinander: "Dunkle Festung, blaues Blut, schwarzer Sand."

Ganze Arbeit leistet dafür KCVS, der den anfänglichen Trap-Schwerpunkt von "Neptun" in ein lautstarkes Gewitter überführt, zu dem sich vortrefflich shouten lässt. Verzerrte Gitarren begleiten die blubbernden Bässe des musikalisch ebenso gelungen "Dolch Saga". Deutlich meditativer fällt das gänzlich von Rap befreite "Dämmerung" aus, und die wohl verpflichtende Spieluhr unterlegt in "Insomnia" Grafis Klage über ausbleibenden Schlaf, womit er dasselbe Klischee bedient, das Entetainment zuletzt auf "Zwischen Präteritum Und Futur" überstrapazierte.

Mit "Nevada" gelingt dem Berliner kurz vor Schluss der sicherlich glaubwürdigste und persönlichste Song des Albums. Nach eigener Aussage reiste er in einer depressiven Phase aufgrund einer gescheiterten Beziehung zu einem Freund nach Las Vegas, wo er ohne jedes Urlaubsfeeling am Pool seinen Liebeskummer zu Papier brachte: "Fühle die Sehnsucht in meiner Brust." Frei von Kalkulation münden die aufgestauten Verlustängste im qualvollen Refrain von "Nevada": "Bitte, lass mich nicht allein!" KCVS' Instrumental lässt Grafi zudem jede Menge Raum zur stimmlichen Entfaltung.

Zwar fehlt es ihm ein wenig an der Durchschlagskraft der artverwandten Zombiez um Tamas und Basstard, doch zweifellos zeigt Grafi auf "Ektoplasma" die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten seines Organs zwischen Rap, Gesang und Geschrei. "Palmen" steigt noch einmal lärmend ein, bevor es zusehends ins Träumerische abdriftet. Wenn sich schließlich vor der Kulisse der untergehenden Sonne die Palmen sanft im Wind wiegen und nur noch friedvolles Meeresrauschen zu vernehmen ist, scheint Grafi den eingangs ersehnten Weg ins Paradies gefunden zu haben.

Trackliste

  1. 1. Ektoplasma
  2. 2. Dolch Saga
  3. 3. Neptun
  4. 4. Mahlstrom
  5. 5. Insomnia
  6. 6. Dämmerung
  7. 7. Nevada
  8. 8. Palmen

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