laut.de-Kritik

Das ungeborene Kind von Led Zeppelin und King Crimson.

Review von

Weiß der Teufel, warum man die schwedischen Retrorock-Puristen Graveyard immer wieder in die Okkult-Rock Ecke stecken möchte. Die Jungs haben mit Ghost oder The Devils Blood wenig gemeinsam. Nach der Kontraktunterzeichnung beim Metalriesen Nuclear Blast und dem Media Control Charts-geadelten Zweitwerk "Hisingen Blues" kennt man das Quartett aus Göteborg auch bei uns ganz gut. Dass solche Nostalgietruppen zur Zeit ohnehin schwer angesagt sind ist natürlich kein Nachteil, aber Graveyard haben sich ihren derzeitigen Stand in der Szene selbst erarbeitet.

Da es bis zum nächsten Album sicher noch etwas dauern wird und die Europatour im Frühjahr fast durchgehend ausverkauft war, wird die Kuh natürlich so gut als möglich gemolken. Den derzeitigen Graveyard-Hype nutzen Nuclear Blast geschäftstüchtig aus und legen das kaum bekannte Debütalbum neu in die Läden. Das ergibt in diesem Fall sogar Sinn, denn erstens ist die Originalfassung von Transubstans und TeePee Records ein gesuchtes Sammlerstück, zweitens wurde zum Glück nicht am erdigen Sound herumgepfuscht und drittens spiegelt das neue und schlicht gehaltene Cover-Artwork die Musik Graveyards wesentlich besser wider, als die Urversion.

Musikalisch waren Graveyard vor drei Jahren wesentlich zügelloser, unpolierter und ruppiger unterwegs als beim "Hisingen Blues". Bereits der Opener "Evil Ways" schlägt in diese Kerbe und verbindet den für sie typischen Frühsiebziger Doom der Marke Black Sabbath mit sandigen Stoner Rock, den man sofort in den trockenen Wüsten Nevadas verorten würde. Das folgende "Thin Line" ist vielleicht schon das große Highlight des Albums. Kongenial und ohrwurmträchtig erschaffen die Schweden hier ungemein mitreißende Klangkaskaden, die den Hörer durch ihre psychedelische Grundausstattung mitten in die 68er zurückbefördert.

Überhaupt ist der große Abwechslungsreichtum die besondere Stärke der Schnauzbartfetischisten. "As The Years Pass By, The Hours Bend" klingt wie das ungeborene Kind von Led Zeppelin und King Crimson, das angenehm unaufgeregte "Satan's Finest" hat einen hörbaren Pentagram-Vibe und "Lost In Confusion" könnte direkt aus der Feder von Mando Diao stammen, würden diese beim Songschreiben öfter stoned sein. Als zweiten Bombensong packt das Quartett zur Albummitte auch noch den bleischweren Blues Rocker "Blue Souls" aus, der sich stark auf den sumpfigen New Orleans Sound der 50er Jahre beruft und mit einer anständigen Prise Doom Rock verstärkt wird.

"Graveyard" war der perfekte Wegbereiter für das technisch bessere, aber auch kommerzieller ausgerichtete Nachfolgealbum "Hisingen Blues". Wem die Schweden zuletzt vielleicht etwas zu glatt oder vorhersehbar vorgegangen sind, dem werden diese neun Songs runtergehen wie Öl. Eine schöne Reise zurück zu den Anfängen Graveyards, wo man noch wenig Erfolgsdruck verspürte und die Songs wohl - von Rotwein und diversen Rauchmitteln unterstützt - sehr entspannt geschrieben hat. Diese Lässigkeit und Freiheit merkt man "Graveyard" auch zu jeder Sekunde an, und gerade deswegen ist dieses Album zwar nicht professioneller als "Hisingen Blues", aber wesentlich ehrlicher, sympathischer und geradliniger. Feines Teil.

Trackliste

  1. 1. Evil Ways
  2. 2. Thin Line
  3. 3. Lost In Confusion
  4. 4. Don't Take Us For Fools
  5. 5. Blue Souls
  6. 6. Submarine Blues
  7. 7. As The Years Pass By, The Hours Bend
  8. 8. Right Is Wrong
  9. 9. Satan's Finest

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