laut.de-Kritik
Pop-Rap-Egotrip auf den Spuren von Atmosphere.
Review von David MaurerAllein gelassen in der Kälte, umringt von rot glühenden Augen hungriger Wölfe - genau wie Liam Neeson in "The Grey" sieht sich Rhymesayer Grieves enormen Gefahren ausgesetzt. Diesen Eindruck vermitteln zumindest Cover und Titel seines vierten Studio-Albums "Winter & The Wolves". Bei genauerem Hinsehen, respektive Hinhören, entpuppt sich sein Überlebenskampf aber als weitaus weniger dramatisch als jener im visuellen Vorbild.
Statt mit aggressiven Rudeltieren hat es der MC aus Seattle mit eher alltäglichen Hindernissen zu tun. Verlust, Liebe und dem Leben an sich begegnet Grieves auch auf seinem neuen, abermals sehr poppigen Werk mal rappend, mal singend. Die größte Gefahr erschafft er dabei selbst: Auf dem schmalen, schneebedeckten Pfad zwischen gelungener Biografie und selbstherrlicher Gefühlsduselei rutscht er immer wieder aus.
Technisch und lyrisch erzeugt der Protagonist unverkennbare Parallelen zu Atmospheres Slug oder Geological von den ebenfalls aus Seattle stammenden Blue Scholars. Allerdings integriert besonders Letzterer auf dem audiovisuellen Kunstwerk "Cinémetropolis" die eigenen kleinen Geschichten anschaulich und raffiniert in einen gesellschaftlichen Kontext, was Grieves vermeidet.
Die Welt des Ryhmesayers dreht sich ausschließlich um ihn selbst. Seine Mitmenschen bleiben lediglich Randerscheinungen, was auf Dauer nicht nur wenig einfühlsam, sondern sogar etwas unsympathisch wirkt. Immer steht Grieves mit seinen Leiden, Ängsten und Erinnerungen allein im Mittelpunkt. Die sehr persönlichen Lyrics lassen weitgehend kalt.
"Dark cloud constantly hovering over me / I've been a bad seed ever since the ovaries", stellt er in "Whoa Is Me" zunächst fest. Zum Scheitern verurteilt, düstere Zukunftsaussichten. Der Song dreht sich jedoch im Kreis, nur um mit veränderter Symbolik immer wieder zum gleichen Schluss zu kommen: "Been a hot mess ever since I was just a pup." Die Story hinter seinen Selbstzweifeln bleibt dem Hörer jedoch verborgen. Darüber kann auch der ausgezeichnete Refrain nicht hinwegtäuschen.
"You're not the astronaut you used to be / Ain't it shame that you couldn't keep the starlight in your eyes?", fragt Grieves in "Astronaut". Die Hook vermittelt auf bildliche Weise nahezu perfekt die verfehlten Ziele des Rappers. Die großen Träume aus der Kindheit sind geplatzt, als Erwachsener muss er sich nun mit den ebenso simplen wie zermürbenden Problemen des Alltags herumschlagen. Ansonsten verlieren sich seine Zeilen aber auch hier wieder in allgemeinen Metaphern: "We used to play connect the dots with the stars / Now we try to make a connection in bars, it's getting hard."
Bei einem Künstler, der offensichtlich großen Wert auf den Inhalt seiner Texte legt, stören die vielen Oberflächlichkeiten, die sich auch in den anderen Stücken finden, zusehends. Zudem widersprechen sich Vortrag und Lyrik immer wieder. Der oft erheiternde Sound will nicht so recht zum Emo-Pop-Rap des 30-Jährigen passen, der jegliche Selbstironie vermissen lässt. Lediglich wenige Ausnahmen wie "Breath Of Air" und "Autumn" erzeugen eine düstere Grundstimmung, die den Zeilen wesentlich besser zu Gesicht steht.
Dass er durchaus mitreißende Geschichten erzählen könnte, zeigt Grieves in "Serpents", in dem er einen Selbstmordversuch thematisiert. Auch "Over You" geht ins Detail und schildert den Hass, den er für seine Ex-Freundin empfindet: "I look at you and can't figure out what attracted me to such an ugly, terrible person." Wie eine Krankheit setzt sich die Verflossene jedoch in Körper und Geist fest, wie Gastsänger B. Lewis in der wahnsinnig eingängigen Hook beklagt: "You're a toxin, and infectious /And it rots me to the bone / And I don't know just how to get over you."
Jener B. Lewis zeichnet gemeinsam mit Grieves auch für die Produktion von "Winter & The Wolves" verantwortlich. Die entpuppt sich als die große Stärke der Platte. Untermalt von zahlreichen Instrumenten entwickeln die 14 Tracks einen wunderbar melodischen Sound. Auf offensichtliche Samples verzichten die beiden weitgehend. Stattdessen herrschen erfrischend eingespielte Klänge von Gitarre, Klavier, Violine und Tamburin vor, zu denen immer wieder surrende Synthies stoßen.
Außerdem überzeugt der in Chicago geborene Rapper in seinen Parts. Achtet man nicht allzu genau auf Themen und Zusammenhang, macht es Spaß, den technisch nicht außergewöhnlichen, aber versiert vorgetragenen Versen zu lauschen. Seine angenehme Stimme stellt Grieves zudem in zahlreichen Gesangspassagen in den Mittelpunkt und macht dabei stets eine gute Figur. Gepaart mit den Hooks, die sich bereits nach dem ersten Hören im Kopf festsetzen, funktioniert der Conscious-Pop-Rap bestens.
Mit seinem melodischen Sound und dem unverkennbaren Ohrwurm-Charakter unterhält "Winter & The Wolves" durchaus und entpuppt sich über seine komplette Länge als kurzweiliges Erlebnis. Die Tiefe, die Grieves mit seinen symbol-getränkten und teils hochtrabenden Zeilen erzeugen wollte, erreicht sein viertes Studio-Album aber nicht. Die äußerst selbstfixierten Songs dürften bei Außenstehenden selten für Spannung, geschweige denn für Gänsehaut sorgen.
3 Kommentare
Ich halte nix von dem Typen, die Tracks plätschern so dahin und als Rapper ist der schon sehr austauschbar. Dann doch lieber das Original, das hier ist Schwiegersohnrap.
Together/Apart war richtig gut, bin gespannt auf die Platte.
Tipp: Lieber zu Intuition & Equalibrum greifen. Platte ist seit heute draußen. http://www.youtube.com/watch?v=7F762DHNM7Q