laut.de-Kritik

Neue Slimes braucht das Land.

Review von

1017 Records ist für die Trapmusik ein königlicher Stall. Seit 2007 spürte Gucci Manes Eistruhe ein paar der einflussreichsten und exzentrischsten Rapper Atlantas auf. Heißt nicht, dass gegenüber den Waka Flocka Flames, OJ Da Juicemans, Young Thugs und Rich Homie Quans über die Jahre nicht auch Nieten auf dem Raster unter Vertrag standen. Nun hat Guwop sich neu aufgestellt und über satte 24 Tracks gibt es neue Namen aus Atlanta und Houston zu hören: Foogiano, Pooh Shiesty, Big Scarr und die So Icey Girls konkret bekommen nun die Chance, zu zeigen, warum sie mehr als ihre albernen Rappernamen sind. "So Icy Summer" zeigt, wie gut hungrige Newcomer einem lethargischen Label tun können.

24 Tracks sind kein schlichter Brocken Rapmusik. Vor allem mit Gucci Mane als Protagonisten, der seit seinen legendären Mixtape-Marathons einer der berüchtigsten Hit-oder-Miss MCs der Welt ist. Die erste Hälfte kippt auf und ab: Die drei Young Thug-Kollabos bringen die "1017 Thug"-Ära aus dem Atlanta-Alien heraus. Die einen wird es freuen, so unpolierten, unkommerziellen Sound von Thugger und Guwop zu hören, auf der anderen Seite dauern Songs wie "Freakiest In The World" etwas zu lang, um nur auf Nostalgie zu laufen. Irgendwann ermüdet der Sound.

Ähnlich gehen andere, theoretisch vielversprechende Kombos in der Routine unter. Nicht, dass Future auf "Step Out" oder Nudy auf "Nasty" schlechte Features abliefern, es fehlt einfach der gewisse Faktor, der die Songs aus der Masse hervorhebt. Ein bisschen fühlt man sich im Laufe von "So Icy Summer", als würde man sich quer durch mittelvirale Worldstar-HipHop-Musikvideos klicken. Richtig missfallen tut nichts, aber mit jedem neuen Clip von einem Dutzend schwerer Jungs vor schnellen Autos klingen die 808s etwas gleichförmiger.

Doch gerade, als "So Icy Summer" um die Hälfte in die Langeweile zu kippen droht, übernehmen die Schüler die Fackel des Mentors, und statt Gucci im zweiten Gang bekommen wir Rapper mit brutal dämlichen Namen, von denen keiner je etwas gehört hat, die richtig viel zu erzählen haben. Bitte, man möge einmal darüber grinsen, dass der Mann wirklich den Rappernamen Pooh Shiesty (ja, sprich "Scheißti") trägt, aber hört man dessen Parts, gibt es gar nicht mehr so viel zu lachen.

Der Kerl stammt wie Crewkollege Big Scarr aus Memphis und bringt eine überraschend ernste Seite auf die Platte. "Who Is Him" und "Still Remember" ringen Gucci seine stärksten Parts des Projekts ab, und trotzdem glänzt Pooh beide Male ein bisschen heller. Über Rapper, die wie schwarze Air Force-Schuhe klingen, wurde viel gewitzelt, aber dieser Kerl verdient das Meme fürwahr. Wenn gegen Ende der Platte Soundcloud-Songs der Newcomer in Reihe geschaltet werden, legt er mit "7.62 God" noch mal eine Meisterkür drauf. Sein Flow klingt gleichzeitig erschöpft und taub gegenüber der Gewalt, die er beschreibt, und doch so zähnefletschend grimmig, dass man selbst am Desktop mit Kopfhörern vorsichtshalber die Straßenseite wechseln möchte.

Ähnlich vielversprechend klingt Atlanta-Newcomer Foogiano, dessen Stimme ein bisschen wie die Fusion aus Pewee Longway, Bankroll Fresh und Sada Baby klingt. Der hat Südstaaten-Realness im Blut und zeigt auf den Nummern "Molly (Baby Mama)" und auf seinem "Breasto"-Part, wie smooth er seine quakenden Flows kicken kann. "The Plan" nimmt eins zu eins den Plot von Lil Waynes "Mona Lisa" und erzählt die Geschichte durch eine etwas ungeschliffenere Linse nach.

Insgesamt fühlt sich "So Icy Summer" wie das Sommer-Lookbook eines Labels an, das ein paar neue Designer und neue Models an Bord geholt hat und jetzt hofft, dass die Prestige des Stalls schon auf die neuen Köpfe überspringen wird. Auch, wenn die fast eineinhalb Stunden Laufzeit erschlagen, gibt es viel zu bewundern: Gucci Mane und seine alteingesessenen Gäste halten solide, aber altbekannte Form, und die neuen Gesichter bringen den Hunger, den die Platte dringend braucht. Auch abseits von "So Icy Summer" kann es gut sein, dass von Foogiano, Pooh Shiesty und den So Icy Girls in absehbarer Zeit noch mehr zu hören ist.

Trackliste

  1. 1. Step Out (feat. Future & Foogiano)
  2. 2. Rain Shower (feat. Young Thug)
  3. 3. Both Sides (feat. Lil Baby)
  4. 4. Nasty (feat. 21 Savage & Young Nudy)
  5. 5. Breasto (feat. Foogiano)
  6. 6. Left On Read (feat. So Icy Girls)
  7. 7. Who Is Him (feat. Pooh Shiesty)
  8. 8. Iran (feat. K Shiday)
  9. 9. Gucci Land (feat. Young Thug)
  10. 10. Freakiest In The World (feat. Young Thug)
  11. 11. Lifers (feat. Key Glock, Foogiano & Ola Runt)
  12. 12. Still Remember (feat. Pooh Shiesty)
  13. 13. So Icy (feat. K Shiday)
  14. 14. Main Slime Remix (feat. Moneybagg Yo & Tay Keith)
  15. 15. Molly (Baby Mama)
  16. 16. Trapper (feat. Lil Baby)
  17. 17. Ballin On A Bitch (feat. Gucci Mane)
  18. 18. 62 God
  19. 19. Monday To Sunday (feat. Lil Baby & BIG30)
  20. 20. ABCGE (feat. BIG30)
  21. 21. The Plan
  22. 22. Lesson (feat. Pooh Shiesty)
  23. 23. Make A Play
  24. 24. SolcyBoyz (feat. Pooh Shiesty & Foogiano)

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