laut.de-Kritik

Musikalisch top, Package Schrott.

Review von

Gibt es tatsächlich noch Leute, die sich eine Guns N' Roses-DVD kaufen? Anscheinend. Sonst würde Dr. Axl ja nicht gleich 3D-Equipment auffahren, um seinen 2012er Vegas-Einstand im Hard Rock Casino zu beschließen. Drei Stunden meint der Herr, dass seine Stimme durchhalten wird. Und wider Erwarten tut sie das sogar bis auf wenige Aussetzer.

Wie sich dabei Axls Astralkörper dreidimensional durch den heimischen Fernseher schiebt kann ich zwar leider nicht beurteilen. Hoffentlich aber deutlich schärfer als auf der DVD-Version. Deren teilweise grisselige Bildqualität lässt nämlich doch zu wünschen übrig. Obwohl mir solche Details eigentlich eher sonstwo vorbei gehen – diesmal fällts auf. Dazu kommt, dass Ton und Bild geringfügig asynchron ablaufen.

Genug gemeckert. Denn die gebotene Show reißt die mittlerweile achtköpfige Band ziemlich solide runter. Ansagen gibts zwar keine, aber die will ja eh niemand hören. Wäre mir persönlich allerdings lieber gewesen als musikalische Vergewaltigungen à la "Better", auf die man bei einem dreistündigen Set wohl gut hätte verzichten können. Seis drum, wenn Axl die Songs gern spielt, soll er.

Ansonsten steht – zwangsläufig – Hit an Hit. Wäre es nicht so, könnte man es sich wohl kaum leisten "Welcome To The Jungle" schon als zweiten Tagesordnungspunkt zu verbraten. "Very sexy girls" treten in Sin City natürlich nicht nur in Axls Vocallines, sondern auch auf der Bühne auf. Weiter geht es mit "It's So Easy" und "Mr. Brownstone". Die Versionen sind mit Aufnahmen der Slash-Ära zwar nicht zu vergleichen, doch das war abzusehen. Nicht abzusehen war, wie gut die heutigen, viel gescholtenen Guns N' Roses die Dinger trotzdem rocken.

Zampano Rose präsentiert sich zu Anfang noch in Lauflaune, beschränkt sich aber bald lieber auf seine Hüftwackler. Das Gerenne übernimmt DJ Ashba ohnehin zur Genüge. Gemeinsam mit dem DTP-Shirt tragenden Troy Sanders-Klon Bumblefoot und Richard Fortus nudelt er munter auf den Saiten und der Bühne umher. Jeder der drei bekommt selbstverständlich seinen Soloslot. Allesamt kann man aber guten Gewissens skippen – besonders in Fortus' Fall. Außer langweiligen bis nervenden Frickeleien passiert bei ihm nämlich nichts. Als Ausgleich stolziert zu "Rocket Queen" eine frische Ladung Tänzerinnen auf die Bühne. Alles streng FSK 12 versteht sich.

Bumblefoot und Bassist Tommy Stinson geben jeweils noch eine ihrer Eigenkompositionen zum Besten. Das stört zwar irgendwie den Fluss, ist aber eine nette Geste. Während Stinson ein ordentliches Punkbrett fährt ("Motivation"), darf sich der Gitarrist allerdings demnächst noch einige Unterrichtsstunden Songschreibertum aneignen ("Objectify"). Obwohl er rein spielerisch wahrscheinlich der beste der drei aktuellen Klampfer ist. Mit vereinten Kräften übertönen diese übrigens Dizzy Reeds Pianointermezzo gnadenlos.

Ausgerechnet bei "Sweet Child O' Mine" hat dann der sonst sehr souveräne Axl Rose einen stimmlichen Totalausfall. Das klingt doch eher nach piepsender Micky Maus denn Rockderwisch. Zu allem Überfluss befindet sich die Instrumentalfraktion bis zu Bumblefoots Solo im Coverbandprobenmodus. Sorry, aber das ist nix. Schon gar nicht beim vielleicht besten Song der Gunners-Geschichte.

Nach einem kurzen "Another Brick In The Wall (Part 2)"-Cover schwingt sich Axl mitsamt Flügel in die Luft und schmettert "November Rain". Die Stimme ist wieder da, die Stangen weg, dafür turnt eine Maid im Badeanzug an einem Tuch durch die Halle. Dann: "Don't Cry", "Civil War", ein viertelstündiges "Knockin' On Heaven's Door" – der Best-Of-Best-Of-Teil hat begonnen. Dazu noch ein schönes Akustikzwischenspiel vor "Patience", ein Soloduett von Fortus und Bumblefoot, ein kurzer Las Vegas-Einspieler, "Paradise City", Grande Finale.

Das Bonusmaterial hätte man sich getrost sparen können. Vier Interviews, keines davon mit Axl, drei bis fünf Minuten lang. Hinzu kommt, dass außer DJ Ashba niemand etwas außer dem üblichen "Was-sind-deine-Einflüsse-Wie-lange-machst-du-schon-Musik-Wie-toll-ist-Axl-Wie-bist-du-in-die-Band-gekommen?"-Blabla erzählt. Bilderslideshows sind sowieso der unnötigste Ballast, den eine DVD haben kann.

Verzeiht mir die Phrasendrescherei, aber lange Rede, kurzer Sinn: Musik/Konzert top, Aufmachung Schrott. Ende.

Trackliste

DVD

  1. 1. Chinese Democracy
  2. 2. Welcome To The Jungle
  3. 3. It's So Easy
  4. 4. Mr. Brownstone
  5. 5. Estranged
  6. 6. Rocket Queen
  7. 7. Live And Let Die
  8. 8. This Is Love
  9. 9. Better
  10. 10. Motivation
  11. 11. Catcher In The Rye
  12. 12. Street Of Dreams
  13. 13. You Could Be Mine
  14. 14. Sweet Child O' Mine
  15. 15. Another Brick In The Wall (Part 2)
  16. 16. November Rain
  17. 17. Objectify
  18. 18. Don't Cry
  19. 19. Civil War
  20. 20. The Seeker
  21. 21. Knockin' On Heavens Door
  22. 22. Nighttrain
  23. 23. Used To Love Her
  24. 24. Patience
  25. 25. Paradise City

CD

  1. 1. Chinese Democracy
  2. 2. Welcome To The Jungle
  3. 3. It's So Easy
  4. 4. Mr. Brownstone
  5. 5. Estranged
  6. 6. Rocket Queen
  7. 7. Live And Let Die
  8. 8. This Is Love
  9. 9. Better
  10. 10. Motivation
  11. 11. Catcher In The Rye
  12. 12. Street Of Dreams
  13. 13. You Could Be Mine

CD II

  1. 1. Sweet Child O' Mine
  2. 2. Another Brick In The Wall (Part 2)
  3. 3. November Rain
  4. 4. Objectify
  5. 5. Don't Cry
  6. 6. Civil War
  7. 7. The Seeker
  8. 8. Knockin' On Heavens Door
  9. 9. Nighttrain
  10. 10. Used To Love Her
  11. 11. Patience
  12. 12. Paradise City

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