28. August 2019

"Christian Lindner hat ein Phallusproblem"

Interview geführt von

Seitdem sie sich mit ihren Anschlägen auf den guten Geschmack in Lied- und Videoform sowie ekstatischen Konzerten einen Namen gemacht haben, holt sich die deutschsprachige Popjournaille verbrannte Pfoten bei dem Versuch, das Phänomen HGich.T zu fassen zu bekommen. Einige nennen es Kunst, andere ganz schlimm, viele versuchten schon, mit diesen Menschen, ein konsistentes Gespräch zu führen und sind doch gescheitert.

Höchste Zeit, laut.de in dieser Sache eine zweite Chance zu geben: Es ist ein lauer Frühsommerabend in einem Park in Hamburg-Altona, die Luft riecht gut, das Gras ist grün. Dr. Diamond, Jacky Herzblut, Malabee und DJ Hundefriedhof geben bereitwillig Auskunft, der Zwölffingermann beschränkt sich darauf, über die Dauer des gesamten Gesprächs hanseatisch-reserviert aus der Wäsche zu schauen und sich zwischendurch in die Büsche zu verziehen.

Um erst vielleicht einmal das Offensichtliche zu klären

(Genervt aus dem Off:) Der Name ...

Äh, nee, das nicht, aber fast. Wieso sind wir alle nun eine Schmetterlingin und nicht zum Beispiel eine Gürteltierin? Wie kam es zum Namen des Albums?

Tutenchamun: Das ist ja gar nicht so. Jeder kann eine Schmetterlingin sein, das impliziert gar nicht, dass jeder eine ist, ab jetzt.

Herzblut: Erst ab dem Konzert, eigentlich. Du kommst als Raupe, besuchst das Konzert, und verpuppst dich währenddessen. Dann gehst du zum Schluss aus den Toren und bist eine Schmetterlingin. Davor noch nicht.

Dr. Diamond: Nach dem Aufwachen danach.

Tutenchamun (zu Diamond): Ach, du bist auch nicht überfragt. Schön.

Ist das also ein Anspruch, den ihr euch selbst stellt, dass man sich verpuppt, wenn man aufs Konzert kommt?

Herzblut: Ja. Das ist unser Anspruch.

Wann habt ihr euch denn das erste Mal verpuppt im Leben und gemerkt: 'Jetzt bin ich mehr Schmetterling als vorher.'

Hundefriedhof: Bei einem Konzert. Da kann man das merken, dass die Verpuppung stattfindet. Sehr stark.

Kannst du da ein spezielles Konzert nennen, als du dir dachtest: Jo, geil, das ist besser als zu arbeiten?

Das war im Jahre 1997. Da hatten wir im Trockendock ein Konzert, da war das so, da ging das los. Jetzt ist ja schon mittlerweile 2019, aber wenn du mich fragst, wo es losging, würde ich sagen dort, im Trockendock in Hamburg.

So lange seit ihr schon am Machen, seit '97?

(Nachdenkliche Stille)

Malabee: Also ich bin neu dabei, erst seit letztem Jahr, und dieses Jahr auch dann richtig auf der Bühne, und, ja, das war schon irgendwie cool, aber ich bin noch nicht so lange dabei.

Wie viele Leute sind denn in der aktuellen Besetzung? Weiß man das?

Dr. Diamond: Es sind sehr viele, aber es sind nicht immer alle an jedem Ort. Wenn wir irgendwo weit weg hin fahren, dann sind im Auto ...

Herzblut: ... acht ...

Diamond: ... acht Plätze. Aber es sind bestimmt 25, 30 Leute die gelegentlich auch mal ... Einige sind natürlich sehr oft von diesen 30 Leuten, andere sehr selten, aber im Großen und Ganzen sind mit verschiedener Häufigkeit viele dabei. Sehr viele.

(Währenddessen ist Tutenchamun in die Pflege eines Laptops vertieft. Er schraubt ihn an der Unterseite auf und beginnt damit, ihn mit einem elektrischen Handgebläse zu entstauben.)

Stimmt, mir ist nämlich auch aufgefallen ... entstaubst du deinen Computer, oder wie?

Tutenchamun: Ist nicht meiner.

Herzblut: Das ist meiner.

(Übers Gebläse hinweg): Achso, ok. Mir ist aufgefallen, dass der Anna Maria Kaiser [Live-Frontmann] nie in Interviews dabei ist und eigentlich auch sonst nie zu sehen, außer eben, wenn er live rumschreit. Jetzt konnte man ihn im "Aragon"-Video sehen. Wie kam es zu diesem Schritt in die Öffentlichkeit?

Herzblut: Wir haben ihn gezwungen.

Dr. Diamond: Das stimmt glaube ich auch gar nicht.

Herzblut: Meinste?

Dr. Diamond: Nee. Er war schon auch mal im Film zu sehen. Nicht so doll, vielleicht.

In welchem denn?

Dr. Diamond: Musst du mal, äh ... Ja, das ist ja deine ...

Malabee: "Westerwälder Broschen" heißt das, glaube ich.

Dr. Diamond: Da war er viel zu sehen. Oder zum Beispiel in ... Wie heißt das ...

Hundefriedhof: "Sandras Auftrag"

Dr. Diamond: "Sandras Auftrag", oder in ...

Herzblut: Was Neueres?

Dr. Diamond: Ne.

Herzblut: Das ist neu!

Dr. Diamond: Naja, also doch in einigen. Aber eben nur weniger. Aber es wäre ja deine Aufgabe ...

Herzblut: Deine Aufgabe wäre es gewesen ...

Dr. Diamond: ... das vorher nochmal nachzuschauen.

Meine Aufgabe als Journalist, ja, es ist mir halt nur ... Ich muss gestehen, dass ich nicht jedes einzelne Hgich.T-Video gesehen habe. Aber schon relativ viele.

Dr. Diamond: Schlecht vorbereitet ...

Nee, schon relativ viele. Da muss mir dieses Detail wohl entgangen sein. Das neue Album ist ja auch ein bisschen wie das letzte Album ...

Diamond: Das davor auch. Rich-tig dick.

Seht ihr das auch so, oder ist das jetzt eine unverhältnismäßige Unterstellung?

Diamond: Nee, die sind alle richtig dick. Alle gleich dick.

(Aus dem Off): ... Richtig weggeschickt

Man macht das ja auch nicht dünner oder so. Man sagt ja nicht "Hier, dieses Jahr ist mal nicht so, kommt, nehmt mal".

Herzblut: Außerdem leuchtet die Platte. Es ist eine Sonderfarbe. Und außen leuchtet die Platte auch.

Diamond: Zum Beispiel.

Hundefriedhof: Sind aber auch komplett andere Songs drauf. Die klingt auch anders, als die vorherige, würde ich meinen.

Ja schon. Aber die großen Themen, die euch auf eurem künstlerischen Weg begleiten ...

Diamond: Zum Beispiel?

So etwas wie "die Gesangsparts", die ja nicht so wirklich gesungen werden, das wird ja jetzt schon seit zehn Jahren strikt durchgezogen.

Diamond: Das ist ja nur ein Stil, das ist ja kein Inhalt.

(Tutenchamun föhnt wieder.)

Michael Jackson geht ja auch nicht auf die Bühne und sagt, hier ist mein neuer Sänger, guckt euch den bitte an, ich tanze nur noch.

OK. Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen Stil und Inhalt?

Diamond: Naja, weil du ja gesagt hast "Es ist ja nichts Neues". Es ist natürlich jeder Song ein neuer Song ...

Nene, also das habe ich so nicht ...

... aber das sind natürlich trotzdem zum Teil die selben Menschen. Es sind wie gesagt immer die selben 25-30, von denen acht ständig dabei sind. Einige machen natürlich vieles viel. Drei oder vier sind bei Auftritten eigentlich immer dabei, die restlichen dann fast immer, und einige aber ganz selten. Beim Singen ist auch einer immer dabei. Und das macht es.

Wie ist denn die Aufgabenteilung innerhalb der acht, innerhalb des Kerns ... kann man da von einem Kern sprechen?

Diamond: Nein. Es sind acht Leute dabei bei einem Auftritt, aber von denen sind ja nur einige immer dabei. Also der Kern, wenn du das so nennen willst ... Wie viele Leute sind denn immer dabei?

Herzblut: Na, schon sieben immer ...

Diamond: ... sind immer dabei? Aber nicht ganz immer ...

Herzblut: Na, dann sechs.

Diamond: Auch nicht ganz immer.

(Tutenchamun hört auf zu föhnen)

Ganz immer dabei sind, keine Ahnung. Also einer muss singen.

Herzblut: Drei.

Diamond: Und einer drückt auf Play.

Herzblut: Drei sind unersetzlich.

Diamond: Drei sind unersetzlich.

Wer ist denn unersetzlich? Das interessiert den Leser bestimmt.

Herzblut: Die Schöne Maike, DJ Hundefriedhof und Pfiffelberg.

Malabee: Die Schöne Maike ist doch gar nicht immer auf den Konzerten dabei.

Hundefriedhof: Ist aber unersetzlich.

Malabee: Das ist aber jeder, würde ich sagen.

OK. Was macht denn den Unterschied zwischen unersetzlichen und weniger unersetzlichen Parts? Demokratietheoretisch betrachtet jetzt?

Hundefriedhof: Eine Unersetzlichkeit sieht man vielleicht darin, dass die Person besondere Spezialitäten mit sich bringt. Die Schöne Maike ist zum Beispiel sehr schön. Da muss man sozusagen erst einmal rankommen ...

Diamond: Es hört auch gar nicht auf.

Herzblut: Es wird immer besser.

Sie wird also sozusagen immer schöner?

Diamond: Ja.

Auf dem neuen Album ist ein Song über die S-Bahn und den S-Bahn-Kontrolleur. Fahrt ihr viel schwarz?

Hundefriedhof: Ich nicht so.

Malabee: Ist schon lange her.

Herzblut: Ausschließlich.

Diamond: Man weiß ja auch, was da passieren kann.

Genau das wird in besagtem Song ja auch ausgeführt ...

Diamond: Man kann es niemandem empfehlen.

Wird da ein persönliches Trauma verarbeitet, oder wird da einfach diese Kunstfigur des Kontrolleurs aufgebaut?

Diamond: Das hast du mal gut erkannt. Also klar, jeder kennt das mit Schwarzfahren oder nicht, aber in der Regel ist das Drama nicht so groß, dass man sich deswegen gleich vor den Zug packt. Für den Kontrolleur aber ist es natürlich äußerst bedeutsam, was er tut. Er macht das mit Inbrunst, das ist sein Leben in dem Moment. Ich weiß nicht, wie viel so ein Kontrolleur verdient, vielleicht mittel, vielleicht nicht ganz wenig, vor allem aber auch nicht so sehr viel. Aber er hat eine sehr starke Position, wenn er in der Bahn vor dir steht. Der kann dich einfach rausschmeißen, sich den Ausweis zeigen lassen und dich zur Polizei schicken. Nicht alle Leute, die eine so starke Position innehaben, sollten davon unbedingt Gebrauch machen.

Ist das also so ein Machtding, weswegen man S-Bahn-Kontrolleur wird?

Diamond: Ich nehme schon an.

Beziehungsweise, spürt ihr da auch so ein Machtding, wenn ihr auf der Bühne steht und die Leute zum Beispiel eure Bilder kaufen? Macht ihr das noch, beim Konzert Bilder versteigern?

Hundefriedhof: Fleißig, auf jedem Konzert.

Herzblut: Mit Macht hat das ja nun mal nix zu tun.

Sondern?

Tutenchamun: Ich mach das eher, damit ich das schnell hinter mir habe.

Herzblut: Wir wollen beim Konzert gerade nicht Macht über irgendwen haben, sondern mit denen zusammen.

Hundefriedhof: Wir machen die Bilder noch.

(Einwurf aus dem Off): Das war ja nur der erste Teil der Frage.

Herzblut: Die machen wir noch, auf jeden Fall. Die sind auch immer sehr spektakulär, wer so etwas im Wohnzimmer hängen hat, hat was richtig gemacht im Leben.

Für wie viel ist das Letzte weggegangen?

Hundefriedhof: Ich glaube tatsächlich 140. Es gibt da eine Steigerung von Jahr zu Jahr.

Diamond: Die Farben bekommt man wieder raus, sag ich mal, und wenn man jetzt die Pinsel noch spülen würde, wäre das Ganze ein Gewinngeschäft.

Tutenchamun: Und es gibt Ausreißer, aber die sind selten.

Aber das ist doch ...

Tutenchamun: Wie überall: Nach unten, nach oben.

... schon krass, dass ihr euch auf die Bühne stellt und irgendwelche Leute dazu bringt, irgendwas zu tun. Ich entsinne mich da einer Szene auf einem Konzert, auf dem ein Zuschauer in der ersten Reihe – also, ich weiß nicht mehr, wer von euch genau den Strap-On anhatte – aber auf jeden Fall hat der Zuschauer den Strap-On fellationiert, weil einer von euch am Bühnenrand auf die Knie gegangen ist und meinte "Mach mal".

(Allgemeine Heiterkeit)

Also, wie empfindet man das?

Diamond: In so einem Fall kann man ganz klar sagen, er oder sie muss es ja auch nicht machen. Und so einfach ist es eigentlich.

Herzblut: Das ist freier Wille.

Diamond: Die Macht ... Es ist ja zum Beispiel so, häufig ist die Party irgendwann zu Ende. Der natürliche Mechanismus ist, das Licht geht an, und irgendwann geht die Musik aus. Und die, die auf der Bühne stehen, gucken dann manchmal mit den selben bedropsten Augen wie die im Publikum. Das ist ähnlich wie beim Fahrkartenkontrolleur, da steht jemand am Sicherungskasten, der kann einfach ausmachen. Weil die Bar zum Beispiel keinen Gewinn mehr macht ab einer bestimmten Zeit, die Security zu viel kostet und auch nicht mehr so viele Leute da sind. Ähnlich wie der Fahrscheinkontrolleur, der bekommt seine Macht für diese Position, und man gönnt sie ihm dann gerne. Auch bei uns ist es so, DJ Hundefriedhof muss das Bild erst einmal richtig gut malen, damit sich irgendwer frei dafür entscheiden kann, es zu kaufen. Und so ein Gast, wie du ihn eben erwähnt hast, muss wirklich gut überzeugt werden. Damit er dann aus seinen Stücken heraus handelt. Die Macht liegt im machen.

Herzblut: Im Können.

Diamond: Im Können, ja, sehr gut.

Malabee: Dazu würde ich auch gerne etwas sagen. Ich zeichne und male leidenschaftlich gerne und habe über die Hgich.T-Seite auch schon Gemälde verkauft für etwas mehr Geld. Wenn mein Freund dann auf der Bühne Bilder malt, könnte ich mich immer ein bisschen aufregen, denn er kann einfach nicht malen. Für mich ist das nur so dahingerotzt. Die Leute wollen das aber trotzdem haben, weil sie Hgich.T geil finden.

Hundefriedhof: "Hingerotzt" stimmt ja gar nicht, das wird mit einem Pinsel gemacht und ich gebe dann auch alle Möglichkeiten und Skills, die ich mir draufgeschafft habe, zum Besten. Ich male dann das Bild während die Musik läuft, das ist quasi eine Vermischung von dem Konzertgeschehen mit dem, was gemalt wird.

Tutenchamun: Du sagst immer das ist eine Schande, dass die vorletzte Reihe das Bild nicht gesehen hat.

Diamond: Vielleicht ist das Bild auch genau das ...

Tutenchamun: Eher letzte-Reihe-Ware?

Diamond: Das Bild ist vielleicht genau das Bild, das in diesem Moment gemalt werden muss, damit die Leute darauf abgehen. Können heißt ja in dem Fall, zu machen, was Leute bedürfen, nicht nur, was man selbst bedarf. Und wenn sie dieses Bildes bedürfen ...

... dann kriegen sie das?

... dann hat man alles richtig gemacht.

"Der Zwölffingermann kann sehr gut Klavier spielen"

Ähm ...

Alles richtig.

... wird das Bild denn dadurch besser, dass es auf einem Konzert gemalt worden ist, und nicht einfach in deinem Haus?

Hundefriedhof: Ja, das wollte ich ja sagen. Wo das dann entsteht, ist meiner Meinung nach ein besonderer Ort, es färbt alles ab: Wenn du es in Handschellen mit dem Pinsel im Mund malst, ist das etwas anderes, als wenn du nackt auf der Bühne stehst und das Bild malst. Man fühlt sich einfach anders. Ein anderer Ort, würde ich meinen.

Diamond: Der CD-Player und das Mischpult sind danach auch ganz anders, wenn man das Bild direkt daneben malt.

Tutenchamun: Du musst auf jeden Fall zu malenden Hirschkäfern recherchieren.

Malende Hirschkäfer, kannst du das kurz erläutern?

Naja, das ist ein Hirschkäfer, der hat vorne mit den Zangen einen Pinsel in der Hand und latscht über das Papier. Der malt, bäumt sich auf, was die halt so können.

Das ist krass, das wusste ich noch nicht.

Menschen machen das auch, die rasten auch aus vor der Leinwand und machen mit dem Pinsel, was sie eben können.

Das läuft ja alles so ein bisschen auf einen Performancebegriff hinaus ...

Malabee: Performancekunst, ja. Ich habe mal auf Arte eine Doku gesehen über einen Typen, der mit seinem eigenen Blut so Kunst gemacht hat. Das haben die Leute sich dann auch reingezogen. Die haben das live gesehen, das war das besondere daran.

Hab ihr schon einmal etwas mit eurem Blut gemacht? Da habe ich nicht ganz den Überblick.

Malabee: Vor Jahren habe ich mal so ein schwarzmagisches Liebesritual gemacht, da brauchte man sein eigenes Blut für. Damit musste man den Namen von dem Typen, den man geliebt hat, auf ein Blatt Papier schreiben.

Tutenchamun (aus dem Hintergrund): Das hatten wir auch mal auf der Bühne, hat ziemlich viel Spaß gemacht.

Malerin: So eine Art Voodoo-Zauber.

Tutenchamun: Ich fands geil.

Und was ist danach mit dem Typen passiert?

Malabee: Eine Woche nach dem Zauber wollte der tatsächlich ein zweites Mal mit mir zusammen sein. Das hat aber auch nicht lange gehalten. In dem Sinne hat die Performance ihren Sinn trotzdem erfüllt.

(An Dr. Diamond): Du warst doch derjenige, den man live immer wieder ziemlich gut Gitarre spielen sieht.

Diamond: Das ist richtig.

Tutenchamun: Hab ich jetzt nicht richtig mitbekommen: Sein [DJ Hundefriedhofs] Gemale fandest du scheiße, aber Gitarre spielen von ihm allen Ernstes geil?

Nene, das habe ich jetzt gar nicht gewertet.

Tutenchamun: Wer denn dann.

Diamond: Sie.

Malabee: Ich.

Tutenchamun: Was du selber malst?

Malerin: Nee, was er [DJ Hundefriedhof] malt.

Tutenchamun: Achso (lacht herzlich). Hab ich nicht kapiert gehabt.

(Zu Diamond): Also wieso kannst du Gitarre spielen und sonst keiner?

Diamond: Sonst kann ich gar nichts, ne? Ich spiel auch kein Keyboard, ne?

Ne, aber wieso spielt sonst keiner Gitarre?

Diamond: Es ist ja nunmal ... Ich kann auch zum Beispiel nicht gut komponieren. Die Gitarrensoli werden von jemand anderem komponiert. Genau so wie ich ganz gut Keyboard spielen kann, aber jemand anders noch besser. Der Zwölffingermann zum Beispiel kann sehr gut Klavier spielen.

(Der Zwölffingermann ist unterdessen verschwunden)

Der steht aber hinten auf der Bühne. Vorne auf der Bühne kann ich immer nur ein bisschen oder mit einer Hand spielen. Das Keyboard wird zum Beispiel oft vom Sänger einfach genommen.

Herzblut: Aber dafür kannst du halt einfach krass gut Gitarre spielen.

Diamond: Oder das Publikum nimmt das Keyboard. Da muss ich die mit einer Hand abwehren und mit der anderen weitermachen. Oder ich muss mich festhalten, weil das das Publikum das Keyboard von der Bühne zieht und mich gleich mit.

Thema Publikum: Bekommt ihr immer noch Bewerbungsschreiben von Fans, die bei euch mitmachen wollen?

Diamond: In verschiedenen Formen. Es gab die 20-seitige Bewerbung einer Praktikantin, die war aber nur einen Abend dabei. Andere steigen live einfach ein und tun so, als wären sie dabei. Wenn sie das lange und gut genug machen, sind sie das vielleicht irgendwann.

Was ist denn der Unterschied zwischen Hgich.T sein und so tun als ob?

Diamond: So tun kann erstmal jeder, das merkt er dann schon selber. Und wir auch. (Erheitert) Das merkt man schon, früher oder später. Kannst ja gerne mal zum Konzert kommen und es versuchen.

Herzblut: Warst du schon mal bei uns auf einem Konzert?

Viermal.

Herzblut: Echt? In Hamburg oder was?

Einmal in Düsseldorf, dreimal in Leipzig, glaube ich.

Herzblut: Ah, ok.

Aber ich erinner mich nicht genau, wo die mittleren zwei Male waren. Ich erinnere mich an das erste und das letzte mal, dazwischen bin ich mir nicht sicher.

Herzblut: Verstehe.

Stimmt, jetzt fällts mir wieder ein! In dem einen Laden habe ich voll einen umgegrätscht, der hinter der Tür zu den Klos stand, weil ich mich vorher auf ein Wettrennen auf der Treppe davor eingelassen habe und zu schnell durch die Tür bin. Der Typ ist krass auf die Fresse geflogen. War das dann schon "beim Konzert mitmachen"?

Diamon: Naja. Also klar, es geschehen Sachen ...

Herzblut: Jeder macht, was er kann.

Diamond: Jeder macht, was er kann, dann gibt es aber auch die, die wirklich immer wieder auf der Bühne mitmachen oder sogar in Videos zu sehen sind. Ich will nicht sagen, dass die dadurch besondere Vorteile haben, es kommen über die Jahre ja auch Zehntausende zu den Konzerten. Um mitzumachen müsste es jemand schon sehr doll wollen und auch sehr doll könnnen.

Die Frage ist ja auch: Will man das?

Diamond: Wie gesagt: Wollen und Können. Wenn jemand sehr doll will und kann, wollen wir das auch. Aber das Level ist natürlich hoch. Es muss ja richtig ballern, das ist klar.

Wer hat die Beats vom aktuellen Album gemacht?

Hundefriedhof: Verschiedene Leute, viel mache ich selbst.

Sind die denn auch repräsentativ für das, was du privat hörst?

Hundefriedhof: Ja, schon. Ich höre gern so Neunziger-Goa-Sachen, da bin ich ein großer Fan von älteren Geräten, deren Sounds mich an die Sachen erinnern.

Malabee: Ich produziere auch Beats, aber eher digital. Bei "dj18" ist zum Beispiel ein digitales Sample von mir drin.

"dj18" vertont ein Gedicht über einen Jungen, der ein Problem mit seiner Mutter hat, habe ich das richtig interpretiert?

Herzblut: Ok?

Diamond: Er hat kein Problem mit seiner Mutter, er ruft die ja gerade an. Er hat zu ihr eine sehr gute Beziehung, ist gerade ganz woanders, fühlt sich gerade nicht ganz so wohl, dann ruft er sie an. Die ist natürlich besorgt, will ihm helfen und vorbeikommen, aber dann geht es ihm doch schon ein bisschen besser.

Habt ihr eure Mutter schon mal von einem Rave aus angerufen?

Hundefriedhof: Man muss schon sagen, dass nicht alles komplett ausgedacht ist, sondern teilweise auf Erlebnissen basiert. Da gibt es häufiger interessante Sachen, die man erlebt, die viele Leute vielleicht auch schon selbst erlebt haben. Für die ist das dann interessant, weil sie einen Wiedererkennungsmechanismus in sich selbst entdecken und das dann gut finden.

Interessant, viele meinen ja auch, Kunst ist erst einmal da und hat nichts direkt mit der Person zu tun, die sie gemacht hat. Finde ich aber auch ein bisschen Quatsch, man schöpft doch immer aus dem, was man tut.

Diamond: Das ist extrem so. Als Beispiel, unser erster Song, der halbwegs populär geworden ist, war "Tripmeister Eder". Da kannste dann bei Youtube sehen, da gibt es Goa-Nazis, die sagen: "Verpisst euch, das ist scheiße, das dürft ihr nicht machen." Und dann gibt es Leute, die finden das sehr gut, und beide Arten von Leuten, die Goa-Nazis wie die Goa-Hasis, gehen auf Festivals, Goa-Festivals, nehme ich an. Die einen sehen's so, die anderen so: Die Goa-Nazis sehen das Video und denken, wir wollen sagen: "Was ihr auf den Festivals macht, ist kacke." Die Goa-Hasis wissen, wir waren selbst auf solchen Festivals, das sieht man ja, es ist eine Reportage, praktisch. Es ist nur das, was ist, wie bei "dj18", es sind die Dinge, die sind. Man muss ja nicht immer einfach ein Foto machen und Photoshop weglassen, man kann es auch ein bisschen hübscher machen. Und dann ist es so ein Film mit Musik.

Um mit "Dr. Ecstasy" mal einen älteren Song herauszugreifen: Das würde ich einen kritisch-reflektierten Ansatz nennen. Seid ihr kritisch reflektierte Raver?

(Amüsierte Ratlosigkeit)

Tutenchamun: Äh, nee. Ich rave viel zu wenig. Was war das, ob ich kritisch hinterfrage, warum ich rave?

Nenene ...

Herzblut: Nenene.

... nene.

Herzblut: Nenene.

Tutenchamun: Ne, scheiße.

Diamond: Ob du kritisch hinterfragst, wie das so ist.

Ob du dich als kritisch reflektierten Raver bezeichnen würdest.

Diamond: Nicht ob du ravst, sondern das Wie eher.

Tutenchamun: Wie ich das hinkriege? Scheiße, ey, ähh ...

Diamond: Ob du reflektierst, wie das ist.

Herzblut: Hast du dir die Frage ausgedacht?

Die habe ich mir ausgedacht, ja.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wer soll die sich denn sonst ausgedacht haben.

Tutenchamun: Also ich sach: Ja.

Würde ich nämlich auch sagen. Gut, dass du mir das bestätigst. Zum Thema Erlebnisse, von denen man sich kreativ inspirieren lässt: Habt ihr auf einem Rave mal etwas erlebt, das euch schockiert hat?

Hundefriedhof: Wir waren mal auf der Ozora [ungarisches Festival für Psychedelic Trance und Goa], da wurden die Leute mit Maschinengewehren im Anschlag in Handschellen im Straßengraben zur Seite geräumt, direkt auf der Party. War schon ein bisschen doller, als man das sonst so kennt, da war die Stimmung unter den 30.000 Leuten auf einmal auch ganz anders, merklich ganz weit unten. Da hat die Polizei durchgegriffen und auch Leute festgenommen.

Also das waren die Leute mit den Maschinengewehren?

Hundefriedhof: Ja, die sind da mit Maschinengewehren durchgegangen. Weil du nach was krassem gefragt hast, das war merklich krass.

Die sind da mit Schusswaffen durch und haben die Leute ...

Hundefriedhof: ... Die lagen dann im Straßengraben in Handschellen, nicht nur einer.

Das war jetzt auch kein Partymove oder irgend eine Partisaneneinheit, die da Stress gesucht hat?

Hundefriedhof: Ich kann es nicht ganz genau sagen. Die Regierung in Ungarn ist zunehmend konservativer geworden, dann sind sie eben mal auf dieses friedliche Festival drauf. Da war auch offensichtlich eine Menge im Umlauf, so mit Schildern überall, alles da, was man kriegen konnte. Das war dann der Grund für die ungarische Polizei, das zu ändern.

Wie lange ist das her?

Hundefriedhof: Schon etwas, ungefähr sechs Jahre.

Könnt ihr noch etwas dazu sagen?

Tutenchamun: Joa, die Chancen stehen doch ganz gut, dass man das auf der Fusion vielleicht live miterleben kann. Was auch immer die da vor haben, die waren noch nie da, eine ganz neue Gruppe von Ravern sozusagen.

Hattet ihr als Band schon mal Kontakt mit der Polizei?

Diamond: Wir waren mal auf einem Festival in der Türkei. Das lustige war, dass die Securities da aussahen wie hier in Hamburg die Polizisten oder Schaffner mit ihren dunklen Uniformen und den ganzen Waffen am Gürtel. Die Polizei aber trug Shorts und T-Shirt. Das war das Jahr, in dem die Proteste im Gezi-Park stattgefunden haben, und man sah den Polizisten an, dass die doch sehr glücklich waren, auf dem Festival zu sein, und nicht an anderen Orten des Landes. Die haben sich auf ihre Weise sehr klar ausgedrückt, die sind die ganze Zeit die Hauptstraße des Festivals hochgegangen, haben sich umgedreht, und sind wieder zurückgelaufen. Dabei haben die die ganze Zeit wie mit Scheuklappen nur gerade aus geschaut, und das sehr demonstrativ ein paar Tage lang. So war dann jedem auf dem Festival nach einem halben Tag auch klar, an welcher Stelle er was nicht tun soll: Die schauen nicht nach links, die schauen nicht nach rechts, gehen nicht in den Wald, nicht auf die Floors und bleiben auf dem Weg. Das war sehr interessant, dass die Polizei da auf Eigeninitiative Kooperationsbereitschaft gezeigt hat, das ganze friedlich ablaufen zu lassen.

Da scheinen die Kollegen in Meck-Pomm deutlich mehr Bock auf Stress gehabt zu haben. Glaubt ihr, das würde dem Polizeibeamten, der die Wache auf der Fusion gefordert hat, etwas bringen, auch mal zu euch aufs Konzert zu kommen, um ein größeres Verständnis zu gewinnen?

Herzblut: Ja, auf jeden Fall.

Diamond: Da kann er auch einfach gleich auf die Fusion, das wäre das Einfachere.

Herzblut: Der kann dann mal sich und seine Existenz einfach hinterfragen, ob das wirklich alles gut ist oder ob es vielleicht noch interessantere Sachen gibt im Leben.

Gott bewahre, aber hätte das für die Polizisten insofern nicht auch einen pädagogischen Effekt, die über die Fusion laufen zu lassen?

Herzblut: Wenn die alle zusammen da sind, bestimmt nicht. Dann sind alle zu cool, um das gut zu finden. Aber ich weiß auch, dass schon Polizisten in ihrer Freizeit auf unseren Konzerten waren. Wenn sie alleine kommen, oder mit anderen Freunden, funktioniert das auf jeden Fall.

Wenn man sozusagen den Gruppendruck rausnimmt.

Herzblut: Ja, das ist ja überall so. Der Mensch ist allgemein einzeln leichter zu brechen als in der Gruppe.

Hgich.T-Konzerte funktionieren ja aber andererseits gerade dadurch, dass sie Events für die Massen sind, in denen sich die Masse zur gemeinsamen Aktion entschließt, oder nicht?

Hundefriedhof: Naja, eigentlich nicht. Wenn sich Leute zu Hause unsere Videos anschauen und das im Freundeskreis rumerzählen, dass sie da hinwollen, wird bestimmt der ein oder andere hie und da sagen, "Da gehe ich auf keinen Fall mit dir hin".

Herzblut: Dafür treffen sie dann vor Ort wieder Andere, die allein hinmussten, da entwickeln sich neue Freundschaften und Liebschaften. Es gibt auch Leute, die sich dort kennen lernen und mittlerweile ein Hgich.T-Baby haben.

Sozusagen ein "Kind der Raver".

Herzblut: Genau. Ein Kind der "Kinder der Raver", sozusagen. Gezeugt auf dem Rave.

Hundefriedhof: Gezeugt auf dem Rave.

Habt ihr das mal beobachtet?

Hundefriedhof: Wir haben persönlichen Kontakt zu Leuten, die den glücklichen Moment auf dem Konzert erlebt haben.

Also die auf einem Hgich.T-Gig ihr Kind gezeugt haben.

Herzblut: Haben sie uns erzählt. Die haben auch beide Hgich.T-Tattoos, das Kind noch nicht. Aber mit solchen Eltern kann ja nichts schiefgehen.

Leute mit Hgich.T-Tattoos sind auch kein Einzelfall, oder?

Diamond: Auf Konzerten: Nein. Draußen: Weiß ich nicht.

"Da kann man mal sehen, wie tierisch ungesund Alkohol ist""

Jeder einzelne, der sich freiwillig den Namen deiner Band wo auch immer hintätowieren lässt, ist doch schon beeindruckend genug, oder nicht?

Hundefriedhof: Es ist schön zu sehen, dass sich Menschen für etwas interessieren, was man selbst auch mag. Da freut man sich auf jeden Fall.

Habt ihr selbst Bandtattoos?

Herzblut: Ich hab jeweils eins von The Doors, Black Sabbath und Johnny Cash. Und du?
`
Ich hab tatsächlich keins.

Malabee: Ich hätte gern noch eins von Horrorkore, das ist das Label von MC Basstard.

Was ist der Unterschied zwischen "Ist geil" und "ist so geil, dass ich ein Tattoo davon brauche"?

Tutenchamun (aus dem Hintergrund, in ein anderes Gespräch vertieft, aber dennoch irgendwie passend): Weißt du nicht.

Malabee: Es muss mich fesseln, ich mag Okkultismus und solche Sachen.

Herzblut: Was würdest du dir denn für ein Bandtattoo stechen lassen? Wenn du müsstest?

Wenn ich müsste?

Herzblut: Ja.

Boah ...

Herzblut (flüstert): Hgich.T

Ich sag spontan Hot Chip.

Herzblut: Kenn' ich nicht.

"Over and Over" vielleicht?

Herzblut: Was ist denn das für eine Stilrichtung?

So 'ne Kreuzung aus House und Indie.

Herzblut: Kennst du das?

Tutenchamun: (schnaubt wie ein Pferd) Müsste ich hören, keine Ahnung.

House ist wohl nicht so eure Spielwiese.

Tutenchamun: Geben tuts das schon.

Beziehungsweise, was fällt dir generell zu House so ein?

Tutenchamun: Schön, dass es nicht über 120 BpM geht. Danke auch für den Nichtgesang. Der einfachste Einstieg in den, joa, weiß ich nicht, gepflegten Psychosuff des Abends.

Herzblut: Kann aber auch oft langweilig sein.

Diamond: Muss aber nicht.

Herzblut: Aber kann.

Diamond: Tut's auch gerne.

Herzblut: Ich sach mal so, dieses Tüdelü ...

Dieser Schubidubidu-House?

Herzblut: Alle voll schick angezogen und dancen dann so.

Diamond: Die Wände von der Disco sind weiß. Der Tresen ist ganz lang, viele Spiegel, Glas. Muss sehr viel geputzt werden.

Herzblut: Und dazu Sekt mit Strohhalm.

Darf es denn nicht auch mal sauber sein? Oder geht Kunst nur in dreckig und abgefuckt und irgend jemand lutscht einen Strap-On?

Herzblut: Bisschen Ecken und Kanten, sind ja überall wichtig. Sonst ist es sehr glatt.

Hundefriedhof: Wenn man nur reinkommt, wenn man mit einem Ferrari vorfährt, dann ist schlecht. Müssen schon alle reindürfen.

Diamond: Kunst darf auch mal sauber sein, die Disco darf auch mal supersauber sein.

Herzblut: Aber wir wollen das nicht haben.

Diamond: Ist jetzt vielleicht ein Vorurteil von mir, aber in der Regel kommt diese Sauberkeit ja aus einer Einstellung des Menschen zu seiner Umwelt, die dann eben sauber sein muss, damit er sich auch wohlfühlen kann. Wenn man es nicht braucht und aus einer Idee heraus saubermacht, ist das schön. Aber Leute, die es sauber brauchen, haben auch oft andere Probleme, zwischenmenschliche Probleme, Kontaktprobleme.

Also, schlecht ist, wenn die Sauberkeit verordnet ist?

Diamond: Genau, das hast du gut gesagt. Kannst alles andere löschen.

Gibts denn bei euch eine Verordnung, dass alles immer abgefuckt ist und schief gesungen und Shit?

Diamond: Nö.

Meistens ist es so.

Diamond: Das ist aber nicht verordnet.

Es kommt einfach so raus?

Diamond: Vielleicht wird es gerne so gemacht, da stehen wir dann zu, weil es eben dazu einlädt. Und bei Konzerten ist es so, wir laden ein, zu kommen, es dürfen viele kommen. Und dann dürfen sie eben schmuddeln oder so trinken, dass sie gegen die Bühnenkante hauen und sich weh tun. Es ist nicht schön, sich weh zu tun, als Mensch, das weiß ich auch. Aber allein die Möglichkeit, dass wenn es passiert ... Also zum Beispiel im Büro, wenn du geschickt wirst, "Mach hier mal die Kopie", du hetzt die Treppe rauf, bist bisschen zu schnell, eckst an und packst dich hin. Und dann machst du die Kopie. Paar Stunden später gehst du wieder hinauf und packst dich nochmal hin. Dann musst du damit rechnen, dass Leute im Büro reden, dann ist das ein bisschen komisch. Bei uns auf dem Konzert ist das so, wenn du vor der Bühne sehr betrunken bist, dich hinpackst, einige Leute werden dir helfen, andere schmunzeln, andere lächeln ...

Tutenchamun: Andere werden drüberlaufen ...

Diamond: ... und alle finden es gut. Das ist das Angebot.

Seid ihr oft betrunken auf euren eigenen Konzerten oder läuft das ganz professionell?

Herzblut: Wir machen das meistens komplett nüchtern, sonst würde das alles auch gar nicht funktionieren, von der ganzen Organisation her.

Was muss denn da alles organisiert werden?

Herzblut: Es muss ganz viel Deko gemacht werden, ungefähr sechs bis sieben Stunden. Dann Aufbau, Soundcheck, die Farben müssen vorbereitet werden, Ankleide, Abbau ...

Diamond: Kabel entwirren.

Herzblut: ... ganz viel!

Hundefriedhof: Wobei, wir haben das auch schon mal ausprobiert, bei einem Konzert waren glaube ich alle betrunken.

Herzblut: Stimmt, das war vor zwei Jahren, an Tutenchamuns dreißigstem Geburtstag, da dachten wir, heute machen wir das mal. Schon beim Aufbau gab es richtig üblen Schnaps, Eierlikör, dann war uns allen auf einmal ganz gruselig auf der Bühne. Aber wir haben es noch durchziehen können.

Diamond: Sauber abgeliefert wie immer.

Da hätte ich noch eine Frage zu diesem Nüchtern-Sein-Ding: Begreift ihr Hgich.T insofern als Job, in dem ihr euch nicht einfach wegknallen könnt wie ihr wollt?

Diamond: Doch, wie wir wollen. Wir wollen nur vielleicht nicht so doll. Es ist ja schon Anderes daran sehr doll. Häufig ist es ja so, wenn man sich "wegknallt", wie du das nennst, also mit Alkohol, dann ist der sehr doll, aber vieles andere gar nicht mehr. Das kann natürlich jeder nach seiner Facon machen, einigen ist das Trinken besonders doll, anderen die Gitarre, das Publikum oder die Bühnenkante oder die Kabel.

Ich frage das nur, weil sehr viele Leute auf der Arbeit das dringende Bedürfnis verspüren, sich zu berauschen. Wie kommt es, dass ausgerechnet ihr dieses Bedürfnis auf der Arbeit nicht habt?

Diamond: Vielleicht ist die Arbeit einfach gut.

Also die Leute machen einfach beschissene Jobs?

Diamond: Was heißt, beschissen, vielleicht für den menschlichen Organismus nicht Befriedigende. Andererseits, du kannst dir das vorstellen, du bist auf einem Rockkonzert mit Aftershowparty, und danach gibts noch CDs, und du stehst da nüchtern rum, alle mega hacke und dann versuch mal, mit den Leuten zu reden. Das wäre ein Beispiel für einen Job, in dem es schlecht wäre, nicht zu trinken.

Ich habe hier noch ein paar generelle Statements, die ich einfach mal in den Raum werfe, die ihr dann kommentieren könnt: H.P. Baxxter von Scooter hat dieses Jahr in einem Interview gemeint, ihm fehle es an Tiefe im aktuellen Pop.

Malabee: Ich finde Pop scheiße. Das ist einfach Mainstream, das ist langweilig. Also ja, dem fehlt es an Tiefe.

Also hat H.P. Baxxter von Scooter Recht mit seiner Aussage?

Malabee: Ja, würde ich schon sagen.

Diamond: Scheint ein schlaues Köpfchen zu sein.

In der Tat, hat alles von Thomas Bernhard gelesen laut eigener Aussage. Den finde ich auch gut, deswegen halte ich H.P. Baxxter für schlau.

Herzblut: Das leuchtet ein.

Nächstes Statement: Christian Lindner hat auf einer Pressekonferenz gewarnt, dass die Chinesen sechzigmal mehr Spargel produzieren als wir.

Diamond: Das musste mal gesagt werden. Sechzigmal mehr Spargel! Das ist doch spitzenklasse! Würde ich sagen, da müssen wir mal in China vorbeischauen.

Sein Problem mit der ganzen Sache war ...

Diamond: Er hat ein Problem damit? Er soll sich doch freuen!

Er meinte, Deutschland müsse wieder Spargelnation Nummer Eins werden. Haltet ihr den Spargel auch für eins der großen Themen unserer Zeit?

Diamond: Du meinst, das kann man nicht auf sich sitzen lassen?

Nee, also das hat er so gesagt.

Diamond: Ja, aber wie siehst du das denn? Bist du auch gekränkt, dass es nicht mehr so richtig spargelt hier?

Nee, ich stehe zu Spargel indifferent.

Diamond: Hat er vielleicht einen Phalluskomplex?

Der Lindner jetzt?

Diamond: Ja. Diese Pflanze hat ja auch eine gewisse ...

Herzblut: Stabförmigkeit.

Naja, das müsstest du jetzt sozusagen sagen, dass Christian Lindner einen Phalluskomplex hat.

Diamond: Ach so, du bist der neutrale Moderator.

Tutenchamun: Jetzt sagstes nicht, hmm?

Diamond: Also ich mutmaße mal, dass er sozusagen ein Phallusproblem hat. Vielleicht hat Lindner einfach Sorge, dass er sich irgendwann mit dem Chinesen messen muss, und der hat sechzigmal mehr Spargel. Ist ja klar, was dann passiert.

Was ist denn aber da seine Sorge, allgemein, wie kann man das erklären, dass Lindner sich hinstellt und macht, was er macht? Das ist so ähnlich wie bei euch, da fragen sich die Leute auch, wie kann sich jemand hinstellen und das einfach so machen.

Diamond: Aber man sagt ja auch, dass Leute, die einen besonders roten Sportwagen fahren, einen besonders türkisen Penis haben. Bei Herrn Christian Lindner ist das vielleicht so ein inneres Grummeln, wenn man ihn fragen würden, wäre er so wie "Nee, kompletter Schwachsinn", aber in einem inneren, tiefen Urgefühl sieht er sich sechzigmal mehr Penissen gegenüber, als er aufbringen kann.

(Zwei Teenager kommen dazu und fragen nach Kippen.)

Tutenchamun: Wie alt seid ihr?

Teenager 1: 18.

Teenager 2: 17.

Tutenchamun: Zeigt mal euren Ausweis.

Teenager: Haben wir nicht dabei.

(Sie bekommen ihre Kippen und ziehen ab.)

Herzblut: Wieso hast du dir nicht den Ausweis zeigen lassen?

Tutenchamun: Hat er ja nicht.

Waren die jetzt wirklich 18?

Diamond: Was ist mein Job in der Gesellschaft? Was muss ich machen, um Kontrollen durchzusetzen? Und wenn er jetzt erst 15 ist ...

Herzblut: Als ob du mit 15 nicht geraucht hättest.

Diamond: Wenn er wirklich keinen Ausweis dabei hat, verweigere ich ihm dann die Zigarette?

Das ist jetzt die Frage. Viele Leute würden "Ja" sagen.

Herzblut: Aber als du 14 warst, und jemanden auf der Straße nach einer Kippe gefragt hast, und er sie dir gegeben hat, war diese Person cool. Und wer sie dir verwehrt hat, war scheiße. Da willst du doch jetzt nicht der Scheißer sein. Sei doch genau so, wie zu dir einmal jemand war.

Aber manche waren auch nicht so. Das ist vielleicht das Problem von vielen Leuten, dass sie sich denken "die waren damals zu mir nicht so, jetzt bin ich zu anderen auch nicht so".

Herzblut: Das ist dann aber eine selbstverschuldete Verbittertheit.

Diamond: Außerdem ist Rauchen mit 18 auch ungesund.

Vielleicht auch noch mit 60 noch.

Diamond: Vielleicht. Vielleicht auch mit 14.

Das letzte Prominentenstatement ist von Herrn Johann Gudenus, seines Zeichens Mitglied der FPÖ und Beisitzer von Heinz-Christian Strache im berühmt-berüchtigten "Ibiza-Video". Seine Aussage war, ihm fehlten Erinnerungen über Stunden, weil er so betrunken gewesen sei.

Diamond: Da kann man mal sehen, wie tierisch ungesund Alkohol ist. Fahrlässig von ihm, so viel zu trinken. Ich sag manchmal zu Leuten, sie sollen ihr Werkzeug richtig bedienen, wenn sie mich auf dem Konzert ein bisschen nerven. Dieser Mann kann sein Werkzeug offensichtlich nicht richtig bedienen, wenn Alkohol offenbar dazugehört, oder Politik, oder Reisen nach Ibiza, oder was in seinem Lebensblumenstrauß sonst noch drin ist. Jeder, der sein Werkzeug beherrscht, kann etwas geben, aber in diesem Fall möchte man sich von diesem Mann nichts geben lassen.

Was ist denn in seinem Statement jetzt das Werkzeug: Alkohol oder Lügen?

Diamond: Beides.

Tutenchamun: Das Eine schließt das Andere nicht aus.

Diamond: Obwohl man ja sagt, im Wein sei die Wahrheit. Aber danach, wenn der Rausch vorbei ist, da wird gelogen.

Wo wir schon beim Thema FPÖ und Politik und so weiter sind: Habt ihr Angst?

Herzblut: Nein.

Diamond: Vor der FPÖ?

Nee, ganz generell.

Herzblut: Nein.

Danke für das Gespräch.

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